Speyer – „Die Sprache von Gibraltar“ überschreibt der Berliner Autor Björn Kuhligk sein Langgedicht – eindringliche Verse, in denen er das Schicksal der Flüchtlinge in der spanischen Exklave Melilla verarbeitet. Für diese „Poesie der Fakten“ wird der Berliner Autor mit dem 5.000 Euro dotierten Arno-Reinfrank-Literaturpreis ausgezeichnet.
Zur feierlichen Preisverleihung am Mittwoch, 24. Oktober 2018, um 19.30 Uhr lädt Speyers Oberbürgermeister Hansjörg Eger in den Historischen Ratssaal ein. Hierzu werden Björn Kuhligk aus Berlin und die Stifterin des Preisgeldes, die Reinfrank Witwe Jeanette Koch, aus London anreisen. Die Laudatio hält Michael Au, Literaturreferent des Ministeriums für Bildung, Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur Rheinland-Pfalz. Aus Wien hat sich der Literaturwissenschaftler Konstantin Kaiser angesagt, um als Mitherausgeber die druckfrische Anthologie „Die Zwischermaschine. Ausgewählte Gedichte von Arno Reinfrank“ vorzustellen. Ferner wird sich Preisträger Björn Kuhligk im Rahmen der feierlichen Preisverleihung mit dem literarischen Werk Arno Reinfranks auseinandersetzen. Kuhligks eigenes literarisches Schaffen steht am darauffolgenden Abend im Focus. Der Eintritt zur Autorenlesung mit Björn Kuhligk am Donnerstag, 25.10.2018, um 20 Uhr, im Historischen Ratssaal ist frei.
Juryentscheid
Björn Kuhligks eindringliche Verse, das Ergebnis seiner Reise im Oktober 2015 nach Gibraltar, ans Ende Europas, Europas Ende, sei eine Poesie der Fakten im Sinne Arno Reinfranks, befindet die Jury. In gebundener Sprache in der Nähe zur Prosa spiegeln sich wechselseitig objektive Fakten und Impressionen, persönliche Sensibilität und Reflexion. „Kuhligks Langgedicht ist kritisch und selbstkritisch, angerührt und schuldbewusst – aber illusionslos, unpathetisch, abwechselnd ernsthaft und spielerisch-distanziert“, so die Jury.
Kuhligks Lyrik berührt Grenzen: die der Gesellschaft und die des poetisch Sagbaren. Angekommen in der Krise am Rande der Gesellschaft, sieht er sich als VISA-König, als einer der Satten und Sieger aus einer Überflussgesellschaft dem Elend der Ausgegrenzten gegenüber. Er hat es aufgegeben, hier zwischen Patrouillenbooten und Hügeln nach Schönheit zu suchen. „Und genau aus dieser Begegnung entsteht seine Poesie der Fakten“, resümiert die Jury.
Björn Kuhligk wurde 1975 in Berlin geboren, wo er lebt und arbeitet. Er ist Mitglied im PEN-Zentrum Deutschland und erhielt bereits zahlreiche Auszeichnungen, darunter den Kunstpreis Literatur der Land Brandenburg Lotto GmbH (2013) sowie Arbeitsstipendien des Berliner Senats (2008 und 2015) und das Grenzgänger-Stipendium der Robert Bosch Stiftung (2015). Vor seinem Gedichtband Die Sprache von Gibraltar (2016) erschienen im Hanser Verlag bereits Es gibt hier keine Küstenstraßen (2001), Am Ende kommen Touristen (2002), Großes Kino (2005), Von der Oberfläche der Erde (2009) und Die Stille zwischen null und eins (2013).
Arno-Reinfrank Literaturpreis
In Erinnerung an den 2001 in London verstorbenen Schriftsteller Arno Reinfrank (1934-2001) wird der Literaturpreis alle drei Jahre vergeben. Gestiftet wird er von Jeanette Koch zusammen mit der Stadt Speyer und in Kooperation mit der Kulturstiftung Speyer. Bisher ging die Auszeichnung an Svenja Leiber (2015), Daniela Dröscher (2012) Monika Rinck (2009) und Jan Wagner (2006). Mit dem Preis sollen laut Satzung deutschsprachige Schriftsteller für herausragende literarische Leistungen in Lyrik oder Prosa ausgezeichnet werden, die im Sinne des Werkes von Arno Reinfrank den Idealen des Humanismus und der Aufklärung verpflichtet sind beziehungsweise sich literarisch mit den Prozessen und Phänomenen von Wissenschaft und Technik auseinandersetzen.
Kurzvita Arno Reinfrank
Arno Reinfrank (1934-2001), geboren in Mannheim und in Ludwigshafen aufgewachsen, ging nach diversen Studienaufenthalten in Paris und Berlin 1955 aus Protest gegen die restaurative Politik der Bundesrepublik nach England und lebte bis zu seinem Tode am 26. Juni 2001 in London.
Reinfrank war Generalsekretär des P.E.N.-Zentrums deutschsprachiger Autoren im Ausland und ist Träger zahlreicher Ehrungen und Literaturpreise. Sein vielgestaltiges und umfangreiches Werk umfasst publizistische Arbeiten, Prosa, Theaterstücke, Mundartgeschichten und Lyrik. Im Zentrum seines lyrischen Schaffens steht die zehnbändige „Poesie der Fakten“, in der sich Reinfrank zu den Fragen einer industrialisierten Welt äußert und auf symbolische Weise wissenschaftliche Fakten der modernen Welt auf den schriftstellerisch-ästhetischen. Bereich überträgt.
Arno Reinfrank Auszeichnungen:
- Kurt-Tucholsky-Buchpreis Hamburg 1957
- Kurt-Tucholsky-Prämie Kiel 1964
- Förderpreis der Stadt Ludwigshafen 1964
- Förderstipendium des Kultusministeriums Rheinland-Pfalz für Arbeitsaufenthalt in Paris1967
- Fördergabe des Pfalzpreises für Literatur 1968
- Förderpreis des Landes Rheinland-Pfalz 1973
- Villa-Massimo-Stipendium 1978/79
- Robert-Blum-Preis 2001 (posthum)