MANNHEIM – Mit der Vorstellung fünf konkreter Vorschläge für ein klimafreundliches, sozial ausgewogenes und kulturell vielfältiges Mannheim ist heute (12. Oktober) eine intensive 18-monatige Workshop-Reihe zur Stadtentwicklung zu Ende gegangen.
Erstmals sucht die Stadt Mannheim auf diesem neuen Weg gemeinsam mit 20 Mannheimerinnen und Mannheimern mit internationaler Biografie sowie Vertreterinnen und Vertretern aus Stadtverwaltung, Wirtschaft und Zivilgesellschaft nach neuen Ideen für eine nachhaltige Stadtentwicklung. Denn Mannheim ist eine internationale Stadt, in der mehr als 40 Prozent Menschen mit Migrationshintergrund aus 170 Nationen leben.
Migrants4Cities ist einen neuen Weg gegangen, um genau dieses Potenzial der Mannheimer Stadtgesellschaft für die Stadtentwicklung nutzbar zu machen. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer haben in einem innovativen Urban-Design-Thinking-Prozess nach Lösungen in den Themenfeldern Wohnen, Arbeiten, Mobilität, Zusammenleben und Mitmachen gesucht.
Für dieses außergewöhnliche ehrenamtliche Engagement bedankte sich Bürgermeister Michael Grötsch bei allen Teilnehmenden. „Sie haben viel Zeit und Herzblut in die Suche und Entwicklung von Ideen investiert und Lösungen von hoher Qualität für Mannheim gefunden, die geeignet sind, weitere wichtige Impulse für eine nachhaltige Stadtentwicklung zu geben“, so Grötsch. „Und wir können heute schon erste konkrete Umsetzungsschritte nennen“, freute sich Christian Hübel, Leiter des Referats Strategische Steuerung in seinem ersten Resümee. „Die KulTOUR-Tram wird beim diesjährigen Nachtwandel erstmals an den Start gehen und für die ‚Arbeitsbox‘ ist bundesweit ein studentischer Ideenwettbewerb ausgeschrieben worden.“
Das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Schwerpunkt „Nachhaltige Transformation urbaner Räume“ geförderte Projekt wird gemeinsam mit den beiden Verbundpartnern Technische Universität Berlin und inter 3 – Institut für Ressourcenmanagement durchgeführt.
Wie sich die am Institut für Stadt- und Regionalplanung der TU Berlin entwickelte Methode des Urban Design Thinking – eine ko-produktive Zusammenarbeit von Bürgerinnen und Bürgern, Stadtverwaltung, Wissenschaft und privatwirtschaftlichen Akteuren – in diesem intensiven Praxistest bewährt hat, erläuterten Susanne Thomaier und Marcus Jeutner, die das Projekt bei der TU Berlin bearbeiten, in ihrem Rückblick. Anschließend führten sie durch den letzten Workshop-Tag und nutzten so die Gelegenheit, die entwickelten Lösungsansätze erneut mit geladenen Expertinnen und Experten sowie interessierten Bürgerinnen und Bürgern zu diskutieren und sie einen weiteren Schritt in Richtung Umsetzung zu bringen.
Die Lösungen: Im Themenfeld Wohnen erarbeitete die Gruppe das „Aktionspaket – Nachbarschaftsplätze gestalten“. Ziel war es, Anlässe und Werkzeuge zu schaffen, um über das Wohnumfeld nachzudenken, Probleme im Raum aufzuzeigen und weitergehendes Engagement zu fördern. Daraus entstand die Idee eines Aktionspaketes, das das Engagement unterstützt und hilft, Lösungen für eine Verbesserung von wohnungsnahen Plätzen gemeinsam, kreativ, spielerisch und ohne großen Aufwand zu finden.
Das Team, das sich mit dem Themenfeld Mobilität auseinandergesetzt hat, entwickelte die Vision der Quadrate für Menschen mit der schrittweisen Umgestaltung des PKW-Verkehrs. Unter dem Titel „Menschen² Straßen neu denken“ sollen zunächst gewerblich orientierte Straßen temporär umgenutzt und bespielt werden. Wie dies aussehen kann, zeigt ein an der TU Berlin erstellter Animationsfilm.
Die sich wandelnde Arbeitswelt schafft neue Herausforderungen, bietet aber auch neue Chancen einer höheren Flexibilität. Für diese neue Flexibilität hat das Team Arbeiten eine Antwort gefunden – die „Arbeitsbox“. Ein Outdoor-Office, das im Grünen oder auf Plätzen aufgestellt werden kann und so eine Arbeitsinfrastruktur im Freien zur Verfügung stellt.
In Gesprächen der Gruppe Zusammenleben mit Mannheimerinnen und Mannheimern wurde immer wieder das große Interesse an einem intensiveren Austausch zwischen Nachbarinnen und Nachbarn, kulturellen und sozialen Gruppen genannt und die fehlenden Gelegenheiten im Alltagsleben beklagt. Diese Gelegenheiten soll die „KulTOUR-Tram“ schaffen. Die Idee ist es, durch künstlerische Aktivitäten in der Straßenbahn bzw. Haltestellen Menschen miteinander ins Gespräch zu bringen und gleichzeitig Themen wie Vielfalt und Zusammenleben zu adressieren.
Nach Möglichkeiten, sich gegenseitig im Alltag zu unterstützen suchte das Team im Themenfeld Mitmachen. Das eigene Wissen und die Erfahrungen bilden dabei die Grundlage für (generationenübergreifende) Angebote in den Bereichen Hilfe, Spaß und Lernen. So kommt es zur Vernetzung und zum interkulturellen Austausch im Quartier. Im besten Fall von einer zentralen Stelle koordiniert und einem offenen Raum für alle durchgeführt. Zusammengefasst werden sollen die Angebote in einem „Heft der Möglichkeiten“ mit dem Titel „UFFBASSE“.
Hintergrundinformationen:
Ziel ist, das Know-how Hochqualifizierter mit Migrationshintergrund offensiver in die Governance einer nachhaltigen Stadtentwicklung einzubeziehen und so Mannheim im internationalen Wettbewerb als Wohn- und Arbeitsort attraktiver zu positionieren. Durch eine intensive Netzwerk- und Kommunikationsarbeit konnten das „Reallabor Migrants4Cities“ und seine Impulse aus den UrbanLabs in der Stadtgesellschaft erlebbar gemacht werden. Zugleich wird der Ansatz des Urban Design Thinking einem intensiven Praxistest unterzogen. Die Projektaktivitäten werden über das beim Oberbürgermeister angesiedelte Referat Strategische Steuerung eng mit den strategischen Zielen der Stadt abgestimmt.
Für die Stadtplanerinnen und Stadtplaner der TU Berlin stand seit Beginn der Workshop-Reihe im März 2017 die konkrete Weiterentwicklung von Arbeitsformaten der urbanen Ko-Kreation in den neun UrbanLabs im Zentrum der Arbeit. Ziel sind umsetzbare und mit Geschäftsmodellen unterlegte technische oder soziale Innovationen. Gemeinsam mit der Stadt Mannheim wird zudem auch erprobt, ob und wie Urban Design Thinking in kommunale Strukturen und Prozesse integriert werden kann.
Das inter 3 Institut für Ressourcenmanagement begleitete die UrbanLabs um herauszufinden, welches Potenzial Migrantinnen und Migranten als ‚Change Agents‘ in die UrbanLabs einbringen und wie es erschlossen werden kann. Zudem wird in Lernpartnerschaften mit zehn Städten untersucht und erprobt, wie die in Mannheim erarbeiteten Lösungen andernorts aufgegriffen werden können.
Die Erkenntnisse zum Urban Design Thinking, zum Transformationspotenzial von Migrantinnen und Migranten und zum Wissenstransfer werden bis zum Projektende in verschiedenen Formaten für Entscheiderinnen und Entscheider aus der Praxis sowie transdisziplinäre Forschungsverbünde zur Verfügung gestellt. Erarbeitete Lösungsansätze und Prototypen wurden in öffentlichen UrbanLabs durch Vertreterinnen und Vertreter weiterer Städte getestet und so auf die Übertragbarkeit auf andere Kontexte überprüft. In Mannheim sollen die Ergebnisse für eine qualitative Stärkung des Governance-Ansatzes genutzt werden und Impulse für eine nachhaltige Stadt- und Quartiersentwicklung, Bürgerbeteiligung sowie Fachkräftegewinnung liefern.