Speyer / Pirmasens – Pfälzer Protestanten haben am Reformationstag eine Kultur wechselseitiger Achtung und Anerkennung sowie der religiösen Toleranz angemahnt. In dem von der ARD aus der Speyerer Dreifaltigkeitskirche übertragenen Fernsehgottesdienst unterstrich Pfarrerin Christine Gölzer, dass die Pfälzer Kirchenunion von 1818 gezeigt habe, dass „wir Evangelischen zusammen gehören“. Heute müssten alle Kirchen an einer globalen Union der Menschlichkeit zusammenarbeiten. Gerade die reformatorische Rückbesinnung auf das Wort des Evangeliums habe der Glaubens- und Gewissensfreiheit den Weg geebnet, erklärt der pfälzische Kirchenpräsident Christian Schad laut Predigtmanuskript. Schad hält die Predigt im zentralen Reformationsgottesdienst in der Pirmasenser Lutherkirche am Mittwochabend.
Der Gottesdienst in der Speyerer Dreifaltigkeitskirche griff unter dem Titel „Mutig voran – aber wohin?“ das Motto des Unionsjubiläums auf. Schülerinnen und Schüler „unterbrachen“ die Predigt mit aktuellen Zukunftsfragen und unbequemen Wahrheiten wie Klimawandel, Flucht und Fremdenfeindlichkeit. Ihre Wahrheit als Christin könne jedenfalls nicht die von Menschen sein, die fremdenfeindlich denken, erwiderte Pfarrerin Gölzer. Die Reformationsfeier wurde mitgestaltet von der Projektleiterin für das Unionsjubiläum, Pfarrerin Mechthild Werner, Pfarrer Ralph Gölzer in der Rolle des Kirchenrats Ludwig Friedrich Schmidt, einem „Zeitzeugen“ von 1818, Schülern des Speyerer Gymnasiums am Kaiserdom, einem Bläserensemble unter der Leitung von Landesposaunenwart Christian Syperek, der Speyerer Kantorei unter der Leitung von Kirchenmusikdirektor Robert Sattelberger sowie Helmut Walter an der Orgel.
Weltweit habe die Verfolgung von Christen, aber auch anderer religiöser Minderheiten zugenommen, erklärt Kirchenpräsident Christian Schad. Unterschiede der Überzeugungen würden in vielen Ländern der Erde mit Gewalt oder Unterdrückung, anstatt in einer Atmosphäre der Toleranz und des Respekts ausgetragen. „Umso mehr ist es unsere Aufgabe, Glaubens- und Gewissensfreiheit einzufordern und hier bei uns dafür zu sorgen, dass kein Keil zwischen Menschen unterschiedlicher Religionen getrieben wird.“ Hass dürfe nicht mit Hass und Ideologie nicht mit Ideologie beantwortet werden, sagt Schad in seiner Predigt, in der er das Lutherlied „Erhalt uns, Herr, bei deinem Wort“ auslegt. „Protestantische Kultur“, so der Kirchenpräsident, „ist Wortkultur. Sie traut dem Wort und den Wörtern etwas zu.“ Es gehe darum, sorgsam damit umzugehen, auf Kommunikation und Dialog zu setzen und jeglicher Verrohung der Sprache entgegenzuwirken.
Die Kirchen bedürften ständig einer Reformation: „Christen aller Konfessionen sind immer, in jeder Gegenwart neu, zur Umkehrbewegung hin zum Wort des Evangeliums aufgerufen.“ Ökumenische Fortschritte könne es deshalb nur geben, wenn die Kirchen zu ihren apostolischen Ursprüngen, das heißt, zu den biblischen Texten zurückkehrten. „Wir müssen als Christen unterschiedlicher Prägung nicht einander gleich werden. Aber lasst uns Christus gleich werden“, erklärt Schad.
Die Liturgie des Gottesdienstes in der Pirmasenser Lutherkirche gestalten Dekanin Waltraud Zimmermann-Geisert und Pfarrerin Kerstin Strauch. Die Bezirkskantorei Pirmasens unter der Leitung von Bezirkskantor Maurice Croissant führt die Motette „Erhalt uns, Herr, bei deinem Wort“ von Dietrich Buxtehude auf.