Spielberg – Er hatte es nach seiner Pole-Position im Qualifying angekündigt. „Wir haben hier das schnellste Auto“, sagte Edoardo Mortara. Er sollte nach dem 40-minütigen ersten DTM-Lauf auf dem Red Bull Ring Recht behalten.
Der Italiener fuhr – trotz eines gebrochenen Daumens – in Spielberg einen souveränen Sieg nach Hause. Sein Audi RS 5 DTM spulte zuverlässig eine Runde nach der anderen ab und trug Mortara nach 29 Umrundungen zu seinem ersten Saison-Erfolg, dem dritten seiner DTM-Karriere. Einzig Mercedes-Benz-Pilot Pascal Wehrlein war in der Lage, den Speed des Siegers annähernd mitzugehen. Der 20-Jährige fuhr mit knapp zwei Sekunden Rückstand auf Mortara vor seinem Markenkollegen Paul Di Resta auf den zweiten Platz. Für Wehrlein eine Platzierung mit positiven Folgen: Er schob sich in der Gesamtwertung auf Platz eins und angelte sich damit den inoffiziellen Titel des Halbzeit-Champions. Dass nach neun von 18 Saisonrennen nun erstmals kein Audi ganz oben im Klassement steht, war auch dem großen Pech des bisherigen Spitzenreiters Jamie Green geschuldet.
Dabei hatte für Green alles so gut begonnen – im Gegensatz zum späteren Sieger. Pole-Sitter Mortara verpatze den Start und der hinter ihm gestartete Green zog noch vor der ersten Kurve an seinem Markenkollegen vorbei.
„Mein gebrochener Daumen war am schlechten Start nicht ganz unschuldig. Ich bin vom Bremsknopf etwas abgerutscht“,
sagte Mortara, der die Ursache seiner Verletzung partout nicht preisgeben wollte. Green brachte nach dem gewonnenen Start in seinem orangenen Audi schnell einige Meter zwischen sich und seine Verfolger und absolvierte eine tadellose erste Runde. Doch nur eine halbe Runde später ereignete sich die wohl entscheidendste Szene des gesamten Rennens. Der Spitzenreiter wurde schlagartig langsam und musste das gesamte Feld an sich vorbeiziehen lassen. Für den Briten war das Rennen aufgrund von Getriebeproblemen gelaufen. „Alles war perfekt und dann konnte ich nicht mehr richtig schalten. So ist das Leben. Morgen ist ja auch noch ein Tag“, sagte ein erstaunlich gefasster Brite kurz nach seinem Ausfall. In seinem Inneren dürfte es jedoch mächtig gebrodelt haben – besonders mit Blick auf die Fahrerwertung, in der Green vom ersten auf den vierten Rang abrutschte.
Unter anderem zog dort der Sieger des Samstagsrennens mit nun 83 Punkten an dem Briten (81 Punkte) vorbei. Nach Greens Ausfall war der missglückte Start schnell vergessen. Mortara erbte dessen Führung im Rennen und zog seinen Verfolgern schnell davon, wobei er von einem Duell zwischen Wehrlein und Di Resta profitierte. Als Green langsam wurde, blockierte dieser Wehrlein ein wenig und Di Resta nutzte seine Chance – doch nur zwei Runden später schlug Wehrlein im Kampf um den zweiten Platz zurück.
„Die ersten beiden waren einfach zu schnell“, sagte Di Resta.
Es sollte das letzte Duell des Rennens in der dreiköpfigen Spitzengruppe bleiben. Von Runde zu Runde vergrößerten sich die Abstände – zwischenzeitlich fehlten Wehrlein auf Mortara knapp vier Sekunden. Noch größer die Distanz zwischen dem Zweiten und Dritten – über elf Sekunden war Di Resta im Ziel hinter Wehrlein.
„Natürlich habe ich auch von Greens Ausfall profitiert. Ich hätte mich gerne mit ihm auf der Strecke duelliert“,
sagte Wehrlein, der einen Altersrekord nach dem anderen bricht. Er war bei seinem Debüt der jüngste DTM-Fahrer aller Zeiten, holte als jüngster Fahrer überhaupt im Vorjahr eine Pole sowie einen DTM-Sieg. Nun führt er als jüngster Fahrer in der DTM-Geschichte die Gesamtwertung an und hat sich als jüngster Pilot den Titel des „Halbzeit-Champions“ gesichert. Die Fahrerwertung führt er mit 94 Punkten an.
Im Kampf um die DTM-Krone könnte es auf einen Kampf „Jung gegen Alt“ hinauslaufen. Denn nur acht Punkte hinter Wehrlein lauert der erfahrene Audi-Pilot Mattias Ekström. Der bewies in Spielberg einmal mehr seine Klasse. In der sechsten Rennrunde schlüpfte Ekström kompromisslos an Gary Paffett im Mercedes-Benz vorbei, um sofort den auf Rang fünf fahrenden BMW von Augusto Farfus ins Visier zu nehmen. Ekström bewies Geduld, arbeitete sich an den Brasilianer heran. Als er drei Runden vor dem Rennende näher als eine Sekunde hinter ihm war – und somit im DRS-Fenster – blies er zur endgültigen Attacke. In der letzten Runde täuschte der Schwede Außen an, um dann drei Kurven vor dem Zielstrich innen vorbeizugehen.
„Ich musste vorbei. In dieser engen Meisterschaft zählt einfach jeder Punkt“, kommentierte Ekström sein fulminantes Manöver.
Farfus musste sich als bester BMW-Pilot mit dem sechsten Platz begnügen:
„Als Mattias im Rückspiegel immer näher kam, habe ich schon damit gerechnet, dass er mit allen Mitteln versuchen würde, an mir vorbeizugehen. So ist es dann auch gekommen. Generell ist unser Auto hier nicht so konkurrenzfähig wie wir gehofft hatten.“
Lediglich Marco Wittmann fuhr mit seinem BMW M4 DTM noch in die Punkte (Platz 9).
Nachdem nun neun DTM-Rennen absolviert sind, beginnt in Spielberg mit dem Sonntagsrennen ab 15:15 Uhr die zweite Hälfte der Saison 2015. Bereits im Qualifying um 12:40 Uhr wird sich zeigen, ob es wieder Mortara sein wird, der den DTM-Takt am Red Bull Ring vorgibt.
Mortara: „Ich bin diesbezüglich extrem optimistisch.“