DARMSTADT – Vollversammlung der Industrie- und Handelskammer Darmstadt Rhein Main Neckar beschließt Resolution zu Fahrverboten in Darmstadt – Ausnahmen für Gewerbetreibende, Speditionen und Lieferdienste gefordert
„Es ist ein positives Signal, dass außergerichtliche Vergleiche über Diesel-Fahrverbote wie für Darmstadt, auf den sich die Deutsche Umwelthilfe, der ökologische Verkehrsclub VCD und das Land Hessen geeinigt haben, grundsätzlich möglich sind. Jedoch wurde das Ziel, generelle Fahrverbote zu vermeiden, nicht erreicht. Die angekündigte Sperrung der Hügel- und Heinrichstraße für ein Drittel der in Darmstadt zugelassenen Pkw wird weitreichende negative Folgen haben. Bis zum Inkrafttreten der Fahrverbote zum 1. Juni nächsten Jahres bleibt wenig Zeit, ausreichend attraktive Alternativen zu schaffen“, sagt Prof. Dr. Kristina Sinemus, Präsidentin der Industrie- und Handelskammer (IHK) Darmstadt Rhein Main Neckar. Die Dieselfahrverbote treffen die Wirtschaft doppelt, denn jeden Tag kommen auch 70.000 Berufspendler in die Stadt. 29.000 Darmstädter fahren täglich raus zur Arbeit, dazu kommen 30.000 innerstädtische Fahrten. Viele von ihnen in älteren Dieselfahrzeugen der Euro-Norm 5 und darunter.
Die IHK rechnet ab Juni mit massiven Staus, weil die Kapazitäten des Darmstädter ÖPNV- und Radwegesystems und die Ausweichrouten für die betroffenen rund 25.000 Pkw-Fahrer nicht ausreichen. Nach Osten auf die B26 gelangen alle Fahrzeuge nur noch über einspurige Straßen. „Es ist zu bezweifeln, dass den Entscheidern in Wiesbaden dies am vergangenen Freitag so bewusst war. Für Unternehmen in Darmstadt wird das Urteil schnell zum Standortnachteil bei der Suche nach Fachkräften“, so Sinemus.
IHK-Resolution verabschiedet
Sie verweist auf eine Resolution zu den Dieselfahrverboten in Darmstadt, die im Dezember in der letzten IHK-Vollversammlung des Jahres beschlossen wurde. In dem Papier stellt die IHK fest, dass sich die Luftqualität in Darmstadt seit Jahren trotz steigendem Verkehrsaufkommen verbessert. Nach Hochrechnungen des Umweltamtes Darmstadt wird der NO2-Jahresmittelwert für 2018 bei unter 50 µg/m³ liegen. „Das hat den Verhandlungspartnern offensichtlich nicht gereicht. Auch an grundlegende Ausnahmen für Gewerbetreibende, Speditionen und Lieferdienste wurde nicht gedacht“, bedauert die IHK-Präsidentin.
Die Probleme der zu hohen Pkw-Emissionen müssen jetzt auch die Lkw ausbaden. Seit 2013 werden die Lkw-Emissionen im realen Fahrbetrieb gemessen. Mittlerweile ist ein EURO6-Lkw sauberer als ein EURO6-Pkw. Die regionale Wirtschaft ist sich ihrer Verantwortung bewusst. Lag der Anteil der in Südhessen zugelassenen Lkw mit EURO6-Motoren zum 1. Januar 2016 noch bei 3,5 Prozent, liegt er aktuell schon bei 17 Prozent. Diese Investitionen in neue Fahrzeuge müssen aber auch wirtschaftlich tragbar sein.
Die Verantwortung der Unternehmen zeigt sich auch auf anderer Ebene. Seit 2010 haben über 80 Unternehmen und Kommunen mit mehr als 70.000 Mitarbeitern, sowie Hochschulen mit mehr als 34.000 Studierenden am Betrieblichen Mobilitätsmanagement (BMM) teilgenommen. Hier werden Anreize zur optimalen und bewussten Verkehrsmittelwahl geschaffen. „Die südhessische Wirtschaft ist aktiv. Deshalb sollten die Stadt Darmstadt und das Land Hessen auf Restriktionen verzichten, sondern gemeinsam mit uns und der Handwerkskammer Lösungen finden“, sagt Sinemus.
Wie schon bei der Einführung der Umweltzone sind umfangreiche Ausnahmen für den Wirtschaftsverkehr erforderlich. „Bei der Ausarbeitung unterstützen wir die Stadt gerne. Auf Gebühren für Ausnahmegenehmigungen, die die Verwaltungskosten übersteigen, sollte verzichtet werden. Wichtig ist auch, dass die Fahrverbotszone wieder aufgehoben wird, sobald die Grenzwerte eingehalten werden.“
Masterplan Mobilität für die Metropolregion
Vor allem muss die Stadt ihrer Bedeutung als Verkehrsknotenpunkt für die gesamte Region endlich gerecht werden. „Darmstadt ist Teil der Metropolregion Frankfurt Rhein Main, in der mittlerweile mehrere Fahrverbote die über eine Million Pendler beeinträchtigen. Busse und Bahnen sind überfüllt und unpünktlich. Die Einwohnerzahlen steigen, die Wirtschaft wächst, nur die Verkehrsinfrastruktur kommt nicht hinterher“, so Sinemus. „Darum brauchen wir eine Zukunftsvision, wie Mobilität in FrankfurtRheinMain aussehen soll: Bei dem Masterplan Mobilität muss es darum gehen, die Menschen in ihrer Lebenswirklichkeit abzuholen. Wie kommen sie von A nach B, zuverlässig und sauber? Daran arbeiten wir gerne mit“, bietet die IHK-Präsidentin an.