WORMS – Pechschwarze Bitumenspuren an den Außenmauern zeugen heute, zwei Tage nach dem Großbrand im ehemaligen Wormser Nibelungencenter, von den Ausmaßen des verheerenden Feuers.
Das Bitumen, als Dachaufbau auf dem Gebäudekomplex verbaut, verwandelte sich bei dem Brand in flüssiges Öl – und heizte das kilometerweit sichtbare Inferno am Wormser Nachthimmel an. Auch jetzt liegt der unverkennbare Geruch noch in der Luft. Das Material der Einsatzkräfte wies nach der Nacht ebenfalls deutliche Spuren der Masse auf.
Doch welche logistischen Herausforderungen stecken hinter der Bewältigung eines solches Großbrandes, gegen den über eine ganze Nacht hinweg 150 Einsatzkräfte kämpften? Und dies auch noch bei Minusgraden? „Ein Einsatz wie dieser mündet in der Regel in einer Materialschlacht“, erläutert Stadtfeuerwehrinspekteur Klaus Feuerbach. Denn da die Feuerwehrkameraden die Brandursache nicht ausmachen und das Feuer zudem nicht von innen bekämpfen konnten, blieb nur der Außenangriff. Doch die Öffnungen in das Gebäude waren bis spät in die Nacht zu klein, um den Löschschaum gezielt einzubringen. „Die Werkfeuerwehr von Evonik hat uns deshalb ihre neue, hochmoderne Drohne zur Verfügung gestellt“, berichtet der Stadtfeuerwehrinspekteur. Mithilfe der Drohne wollten die Feuerwehrleute die Öffnungen im Dach von oben ausmachen, um das Feuer gezielt bekämpfen zu können. Die Drohne ist zudem mit einer Wärmebildkamera ausgestattet, die Temperaturunterschiede sichtbar macht. Die Einsatzleitung forderte zusätzlich den Teleskop-Gelenkmast mit Arbeitsbühne von Evonik an, um den Brand über das Dach zu bekämpfen. Nach dem Brand weist das Dach nun große Löcher auf, durch die sich das Feuer hindurchgefressen hat.
Insgesamt waren drei Drehleitern und ein Gelenkmast nötig, um das Feuer einzudämmen. Die Feuerwehrleute hatten den Einsatzbereich in zwei Abschnitte eingeteilt: Sowohl von der Schönauer Straße aus, die die ganze Nacht gesperrt blieb, als auch über die Gerbergasse starteten sie Löschangriffe. Neben den beiden Drehleitern der Wormser Feuerwehr und der Evonik-Werkfeuerwehr stellte auch die Feuerwehr Frankenthal eine Drehleiter mit Besatzung.
Das Feuer setzte zudem Gase frei, die sich über weite Teile des Stadtgebiets verbreiteten – bis in die Stadtteile Hochheim und Herrnsheim. Mit den Mess- und Spürfahrzeugen (CBRN-Erkunder) aus Worms, Ludwigshafen und Speyer fuhren die Kameraden die ganze Nacht die betroffenen Stadtbereiche ab, um Messungen durchzuführen. Ein innerstädtisches Seniorenheim meldete zudem eine starke Geruchsbelästigung in den Räumlichkeiten: Dort nahmen die Spezialisten Luftproben, um sie zur Auswertung nach Ludwigshafen in ein Fachlabor zu schicken. Dank der Warnung über „Katwarn“ konnten einige Teile der Bevölkerung bereits frühzeitig erreicht und aufgefordert werden, Türen und Fenster geschlossen zu halten.
Doch auch die Witterung machte den Einsatzkräften zu schaffen. In der Nähe des Feuers entwickelten sich extreme Temperaturen; die Arbeit unter Atemschutz und Sicherheitskleidung bedeutet enorme körperliche Belastungen. Rund um die Einsatzstelle herrschten jedoch Minustemperaturen, die das Löschwasser gefrieren ließen und das Gebiet in eine Rutschbahn verwandelten. Der Entsorgungs- und Baubetrieb streute den Bereich immer wieder ab, um die Unfallgefahr für die Einsatzkräfte zu verringern. Doch auch das Material litt unter den Temperaturen: Das Schaummittel flockte aus, einige Schaumzumischer froren zudem ein. Um die Wasserversorgung auch über einen längeren Zeitraum sicherzustellen, wurde die Löschwasserkomponente aus den Stadtteilen Abenheim und Pfeddersheim angefordert. EWR schaltete zudem die Stromversorgung in dem Gebäudekomplex ab.
Aufgrund der starken Hitzeentwicklung im Inneren des Gebäudes wurden statische Untersuchungen noch während der Löscharbeiten erforderlich. Auch diese erfolgten mit modernstem technischem Gerät des THW Landau. Mithilfe eines so genannten Einsatzstellen-Sicherungssystems (ESS), bestehend aus Tachymeter, Stativ und einem Rechnersystem mit Datenübertragung über Funk, können frühzeitig kleinste Bewegungen – hier des Mauerwerks – ausgemacht werden. Wenn Gebäudeteile einzustürzen drohen, werden die statischen Schwachstellen farblich gekennzeichnet und nummeriert. Die markierten Schwachstellen dienen über Spiegelprismen dem ESS als Messpunkte. Die einzelnen Messpunkte werden in den Computer eingegeben und gespeichert. So kann das ESS mithilfe eines Lasers die gefährdeten Bereiche permanent und automatisch überwachen. Diese Maßnahme war nicht nur erforderlich, um die Einsatzkräfte, sondern auch, um Anwohner in den gegenüberliegenden Wohnhäusern zu schützen. „Das System zeigt auch Löscherfolge an. In diesem Fall konnten wir beobachten, dass sich die Wand durch das Abkühlen nach dem Brand wieder zurückzog“, erklärt Klaus Feuerbach. 800.000 Liter Wasser und 2.000 Liter Schaummittel waren nötig, um das Feuer zu löschen.
Bei einem Einsatz dieser Dauer muss auch die Kraftstoffversorgung gesichert sein. Das THW Worms lieferte deshalb eine mobile Tankstelle an. Und auch um die Versorgung der Einsatzkräfte kümmerte sich das THW. Zum Aufwärmen gab es Heißgetränke und Essen (Schnitzelbrötzchen und Bohnensuppe), der Abrollbehälter Besprechung diente als Aufenthalts- und Aufwärmraum. Die freiwillige Feuerwehr Alzey stellte zudem weitere Atemschutzgeräte zur Verfügung. Um etwaige Verletzte schnellstmöglich versorgen zu können, stand die SEG Sanität des DRK mit 13 Helfern bereit.
Alleine aus dem Wormser Stadtgebiet waren die Berufsfeuerwehr mit zehn Mann, der A- und der B-Dienst, die Einheit Stadtmitte mit 18, Herrnsheim mit 21 Personen sowie Abenheim und Pfeddersheim mit 33 Kameraden vor Ort. Wiesoppenheim – Horchheim sicherte den Stadtschutz in der Hauptfeuerwache mit acht Einsatzkräften, die Einheiten Rheindürkheim und Heppenheim wurden für Folgeeinsätze oder einen länger anhaltenden Personalbedarf in Reserve gehalten.
„Dieses unermessliche Engagement der zum großen Teil freiwilligen Einsatzkräfte kann man nicht genug würdigen. Doch auch allen hauptamtlichen Mitarbeitern, die bei diesem kräftezehrenden Einsatz ihren Beitrag geleistet haben, gilt mein Dank. In einer Nacht wie dieser zeigt sich, dass wir den einzig richtigen Weg bestreiten, wenn wir weiter in die Ausbildung und Ausstattung unserer Feuerwehr investieren. Außerdem können wir einmal mehr stolz auf unser Wormser Modell sein, das wieder hervorragend funktioniert hat“, betont Oberbürgermeister Michael Kissel.