Neustadt an der Weinstraße – Fehlende Wohnungen, steigende Baupreise, Mangel an geeigneten Arbeitskräften, das klingt aktuell, es ist aber die Beschreibung der Situation bei der Gründung der Baugesellschaft Neustadt an der Haardt. Am 26. Februar 1919 unterzeichneten 32 Neustadter Bürger den Gründungsvertrag der gemeinnützigen Gesellschaft. Im Februar 1991 wurde aus der Gemeinnützigen Baugesellschaft die Wohnungsbaugesellschaft (WBG) der Stadt. Zum 100. Jubiläum sind vor allem Projekte für die Mieter geplant. Auch soll mit dem Bau weiterer Wohnungen begonnen werden.
„Die Besserung der Wohnungsverhältnisse durch den Bau von Mittleren- und Kleinwohnungen durch ihre Überlassung zur Miete oder zum Eigentum unter Ausschluss jeglicher Spekulation“ wird im Gesellschaftsvertrag als Gegenstand des Unternehmens genannt. Außerdem „der Erwerb und die Veräusserung von Baugelände sowie die Vermittlung von Hypotheken an Käufer von Gesellschaftshäusern“. Im Dezember 1932 musste der Bau von „Mittlerenwohnungen“ aus dem Gesellschaftsvertrag gestrichen werden, sonst hätte das zuständige Landesfinanzamt Würzburg der Baugesellschaft aufgrund einer geänderten Gesetzeslage die Gemeinnützigkeit nicht mehr zugebilligt.
260.000 Mark betrug das Stammkapital bei der Gründung der Gesellschaft. Gesellschafter waren neben der Stadt honorige Neustadter Bürger, vor allem Fabrikanten und Weinhändler, sowie die Neustadter Volksbank.
Im Juli 1919 wurde mit dem Bau der ersten beiden Häuser mit insgesamt 24 Wohnungen in der Sauterstraße 37 bis 43 begonnen. Das nächste Bauprojekt waren Wohnungen und Häuser im Erbbaurecht im Erkenbrechtweg und in der Hambacher Straße auf der Hambacher Höhe. Mehrfach wurden sogenannte Werkswohnungen, etwa für Postbedienstete, errichtet. Doch wurden auch Mietwohnungen gebaut, für die niedrige Mietzinsen verlangt wurden. Nach dem Zweiten Weltkrieg war die Wohnungsnot groß und die Gemeinnützige Baugesellschaft weitete ihre Bautätigkeit aus. Auch als einige Jahre später die „Sowjetzonen-Flüchtlinge“ kamen, wurden wieder viele Wohnungen benötigt. Die Gemeinnützige Baugesellschaft trug zum Entstehen neuer Stadtviertel im Westen und später im Osten der Stadt bei. Gefragt war die Gemeinnützige Baugesellschaft auch, als bei der Altstadtsanierung alte Gebäude abgerissen und die dort lebenden Mieter in neue Wohnungen umgesiedelt wurden. Diese Wohnungen wurden von der Baugesellschaft gebaut.
Fünfzig Jahre nach der Gründung der Gemeinnützigen Baugesellschaft hatte sich das Stammkapital auf drei Millionen DM erhöht. Der Gesellschaft, die inzwischen zu 99,9 Prozent im Besitz der Stadt war, gehörten 233 Häuser mit 1053 Wohnungen und 20 gewerbliche Mieteinheiten. Inzwischen besitzt die WBG 2188 Wohnungen, 92 Gewerbeflächen sowie 642 Garagen und 933 Park- und Stellplätze.
In den kommenden fünf Jahren sollen 70 bis 120 weitere Wohnungen dazu kommen, kündigt Oberbürgermeister Marc Weigel, der Vorsitzender des Aufsichtsrats der WBG ist, an. „Das ist viel für Neustadt“, so Weigel. Im Jubiläumsjahr soll mit den Planungen für acht behindertengerechte Wohnungen in der Stettiner Straße begonnen werden, so die Geschäftsführer Dietmar Kurz und Ingo Röthlingshöfer. Für kommendes Jahr ist der Baubeginn vorgesehen. 14 Single-Wohnungen in der Roßlaufstraße und 32 Wohnungen auf dem Jahnplatz gehören zu den weiteren Plänen der WBG.
Zum 100. Jubiläum wird es keinen großen Festakt geben. „Wir wollen stattdessen etwas für unsere Mieter tun“, betont Röthlingshöfer. So werden in den Sommerferien etwa 150 Kinder von Mietern zu einem Ausflug in den Kurpfalzpark Wachenheim eingeladen. Etwa 50 Senioren, die schon lange in Wohnungen der WBG leben, dürfen sich auf drei Tage „Urlaub ohne Koffer“ im September freuen. Geplant sind drei Tagesausflüge.
Ein Projekt zum Jubiläum ist ein Mietergarten, der in der Breslauer Straße entstehen soll. Hier sollen Mieter die Gelegenheit erhalten, sich als Hobbygärtner zu betätigen. Das seit einiger Zeit geplante „Neustadter Modell“, das sich am Bielefelder Modell orientiert und ältere, pflegebedürftige Mieter unterstützen will, soll im Jubiläumsjahr mit der Eröffnung einer Beratungsstelle in der Spitalbachstraße starten.
Die rheinland-pfälzische Finanzministerin Doris Ahnen wird am 5. Juli bei ihrer Sommerreise nach Branchweiler kommen und sich über das Engagement der WBG im Stadtteil informieren. Eine Festveranstaltung für geladene Gäste, ein Imagefilm und eine Broschüre über die WBG sind weitere Vorhaben im Jubiläumsjahr.
Auch nach 100 Jahren sei es das Hauptziel der WBG „Menschen mit geringem und mittlerem Einkommen guten und bezahlbaren Wohnraum anzubieten“, sagt Röthlingshöfer. Dabei seien die gesellschaftlichen, sozialen und ökologischen Rahmenbedingungen sowie ein ansprechendes aber auch funktionales Wohnumfeld von hoher Priorität. „Darüber hinaus leisten wir wirtschaftlich vertretbare Investitionen in unsere Stadtentwicklung“, so Kurz.