Köln – Unsere Informationsgesellschaft steht vor einer Herausforderung: Stetig wachsende Datenmengen müssen immer schneller weltweit übertragen werden, damit wir von den technischen Errungenschaften unserer Zeit profitieren können. Inzwischen ist aber klar geworden, dass diese Themen und Ziele alleine mit terrestrischer Infrastruktur kaum zu erreichen sind. Der Satellit bietet in seinen verschiedenen Konfigurationen von Megakonstellationen im erdnahen Orbit bis hin zu VHTS-Satelliten im geostationären Orbit eine große Bandbreite von Möglichkeiten, um bodengebundene Infrastruktur zu ergänzen.
Satelliten haben sogar unter bestimmten Voraussetzungen Vorteile gegenüber terrestrischen Lösungen. Diese und weitere Aspekte der Ausgestaltung unseres digitalen Kommunikationsnetzes diskutieren mehr als 300 Teilnehmer der 6. nationalen Konferenz Satellitenkommunikation in Deutschland. Das Raumfahrtmanagement des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) hat zu der zweitägigen Konferenz am 14. und 15. Mai 2019 nach Bonn eingeladen. Dr. Roland Wattenbach, Abteilungsleiter Satellitenkommunikation im DLR Raumfahrtmanagement, erläutert die Schwerpunkte der Konferenz in einem Interview.
Es ist die sechste nationale Konferenz zur Satellitenkommunikation, zu der das DLR Raumfahrtmanagement einlädt. Unter den Ausstellern finden sich international agierende Unternehmen wie Airbus und OHB, aber auch kleine, regional verankerte Firmen und Wissenschaftseinrichtungen wir die Universität der Bundeswehr in München. Was sagt das über den Raumfahrtstandort Deutschland?
Dr. Roland Wattenbach: Die Konferenz widmet sich alleine nur dem Thema Satellitenkommunikation, ein Bereich, der von der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen wird. Trotzdem treffen sich alle zwei Jahre rund 300 Mitarbeiter der führenden Firmen und Wissenschaftsinstitute, um die neuen technologischen Entwicklungen zu diskutieren. Die Konferenz dient nicht nur dem Erfahrungsaustausch, sondern auch dem Networking und der Zusammenarbeit untereinander.
Mit dem neuen Mobilfunkstandard 5G verbinden sich hohe Erwartungen an die Versorgungsbreite und -qualität. Auf der anderen Seite ist schon 4G nicht überall verfügbar. Welche Rolle können Satelliten beim Aufbau einer digitalen Infrastruktur in Deutschland spielen?
Dr. Roland Wattenbach: Satelliten werden den Ausbau einer digitalen Infrastruktur ergänzen. Es wird durch die Technologien der Satellitenkommunikation nicht angestrebt, den Glasfaserausbau abzulösen. Aber in Gegenden, wo sich auch bis Mitte des nächsten Jahrzehnts ein Ausbau nicht rechnen wird, oder bei Einsätzen in Katastrophenfällen oder bei hohen Sicherheitsanforderungen, wird der Satellit immer eine Alternative bilden. Denn er ist sofort verfügbar, egal, wo man sich befindet.
Ein Schwerpunktthema der Konferenz ist der Breitbandausbau. In ländlichen Regionen muss heute jeder zweite Haushalt mit weniger als 50 Mbit/s auskommen. Der Ausbau kommt nur langsam voran, nicht zuletzt wegen begrenzter Tiefbaukapazitäten. Wie können Satelliten den Breitbandausbau unterstützen?
Dr. Roland Wattenbach: Trotz erheblicher bereitgestellter Mittel wird der Breitbandausbau in Deutschland nicht so schnell vorangehen, wie man sich das erhofft hat. Auch wenn es heißt, dass Mitte des nächsten Jahrzehnts 98 Prozent der Haushalte schnelles Internet haben werden, so sind das immer noch weit über eine Million Bürgerinnen und Bürger, die darauf verzichten müssen. Da kann der Satellit helfen. Ein Internet-Zugang über Satellit ist heute sofort verfügbar und die Kosten liegen in einem bezahlbaren Rahmen. Satelliten bieten bereits 50-Mbit-Datenleitungen an und in einigen Jahren werden auch 100 Mbit erreicht sein.
Stichwort „Internet der Dinge“: Vernetzte Kühlschränke und ferngesteuerte Heizungen kann man sich schon heute ins Haus holen. An die Vernetzung werden in Zukunft weit darüber hinausgehende Anforderungen gestellt werden. Ist das Internet der Dinge ohne Satelliten denkbar?
Dr. Roland Wattenbach: Es gibt zahlreiche Anwendungen, für die Satellitenkommunikation die geeignete Infrastruktur bereitstellen kann. Das Internet der Dinge verlangt im Normalfall nicht nach hohen Datenraten. In Anwendungsfällen, die immer wieder als Beispiel im häuslichen Umfeld zitiert werden, wird der Satellit sicher keine Rolle spielen. Aber etwa bei Containertracking über Ländergrenzen hinweg oder in Wissenschaftsprojekten wie „ICARUS“, in dem unter anderem das Zugverhalten von Vögeln untersucht wird, sieht das völlig anders aus. Hier wird, wie in vielen anderen Fällen auch, die Satellitenkommunikation für das Internet der Dinge wichtige Beiträge liefern können.
Mit dem Start von „Heinrich Hertz“ voraussichtlich im Jahr 2021 wird Deutschland nach vielen Jahren wieder über einen eigenen Kommunikationssatelliten verfügen. Was bedeutet das für die Satellitenkommunikation in Deutschland?
Dr. Roland Wattenbach: Deutschland hat über viele Jahre wieder die Fähigkeit aufgebaut, Kommunikationssatelliten vollständig im eigenen Land bauen zu können. Dies hat im Zeichen der weltweiten Sicherheitslage strategische Bedeutung. Heinrich Hertz zeigt nicht nur, dass dieses Ziel erreicht wurde. Durch neuartige Technologien, die an Bord getestet und verifiziert werden, wird die deutsche Raumfahrtindustrie in die Lage versetzt, weiterhin weltweit anerkannte Spitzentechnologie der Raumfahrt zu liefern. Mehr als 30 bisher geplante Kommunikationsexperimente ermöglichen Firmen und Wissenschaftsinstituten zusätzlich, mit dem Satelliten neuartige Übertragungsverfahren zu testen. Zusätzlich nutzt das Verteidigungsministerium eigene Kapazitäten, um die Bundeswehr mit den notwendigen Daten in den Einsätzen zu versorgen. In einer einmaligen Kooperation zwischen Wirtschaftsministerium und Verteidigungsministerium wird der Satellit dabei von beiden Ressorts genutzt und effektiv finanziert.