Neustadt an der Weinstraße – Der Fachbereich 6 für Kultur- und Sozialwissenschaften der Universität Koblenz-Landau widmet sich seit 2015 unter der Projektleitung von Prof. Dr. Matthias Bahr intensiv dem Thema „Menschenrechte“ und hat diese mit der Einführung des „Zertifikatsstudiums Menschenrechtsbildung“ zu einem zentralen Bezugspunkt der Lehramtsausbildung erklärt. Das fächerübergreifende und fächerverbindende Projekt gibt der Lehrerbildung an der Universität Landau eine eigene Kontur und entwickelt so eine zukunftsfähige Gestalt von Schule und Lehrerbildung.
Gerade in unserer heutigen Zeit, in der Populismus, Rassismus und Nationalismus zunehmend erstarken, scheint es umso wichtiger, Lernprozesse über, durch und für Menschenrechte in Gang zu bringen und jungen Menschen eine Orientierung in einer sich zunehmend wandelnden Welt voller sozialer und politischer Konflikte zu bieten. “So, wie das Grundgesetz als Kernbestand einer ‚deutschen Leitkultur‘ gelten kann, so enthält die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von 1948 jenseits von Nationen und Kulturen die Chance, in und über Deutschland und Europa hinaus Orientierung für eine gemeinsame humane und solidarische Zukunft zu geben. Immer erinnern sie auch daran, was nationalistische Bestrebungen bewirkten, die in einer postmodernen, vernetzen Welt des 21. Jahrhunderts vernünftigerweise niemand mehr ernsthaft wollen kann“, so Prof. Bahr, der Wissenschaftliche Leiter des Projekts Menschenrechtsbildung am Campus Landau.
Gemeinsam mit angehenden Lehrerinnen und Lehrern verschiedenster Fächer entstehen Impulse für eine menschenrechtsbezogene Schul- und Bildungskultur. Sie ermutigen und befähigen Studierende, Lehrer und Schüler, entschieden für eine solidarische Gesellschaft einzutreten und an ihrem Aufbau konstruktiv mitzuwirken.
„Eine Besonderheit des „Zertifikatsstudiums Menschenrechtsbildung“ ist die Beschäftigung mit außerschulischen Lernorten wie unserem Hambacher Schloss – einem Ort, an dem noch heute der Kampf um Menschenrechte, Freiheit und Einheit beim Hambacher Fest 1832 deutlich spürbar ist“, wie die geschäftsführende Schlossmanagerin Ulrike Dittrich betont. In Führungen und vor allen Dingen Workshops erleben Kinder und Jugendliche diese Geschichte hautnah und lernen mit allen Sinnen. Die Inhalte der 2-stündigen Workshop-Programme orientieren sich an der Entwicklung hin zu demokratischen Strukturen und Menschenrechten im 19. Jahrhundert, wobei der Kampf um Meinungs- und Pressefreiheit immer zentrales Thema ist. Essentiell bei der Bildungsarbeit im Hambacher Schloss ist: es bleibt nicht etwa bei der Vermittlung der historischen Ereignisse. Von grundlegender Bedeutung ist der Wissenstransfer in unsere heutige Zeit und das ehrliche Interesse an der Lebenswelt und der Sicht der Dinge der Kinder und Jugendlichen. In diesem Moment wird die Menschenrechtsbildung zu einem aktiven Prozess des Bewusstwerdens etwa durch die tatsächliche Anwendung von Meinungsfreiheit.
Zur Erlangung des Zertifikats „Menschenrechtsbildung“ bietet das Hambacher Schloss die Möglichkeit, sich mit dem Modul „Menschenrechtsbildung an (außer-)schulischen Lernorten“ in die Vermittlungsarbeit und Führungsbetrieb einzubringen. Mit Marie-Christine Dröse und Marius Heil nahm die Kooperation zwischen der Universität Koblenz-Landau und der Stiftung Hambacher Schloss ihren Anfang. Die Studierenden knieten sich tief in die Geschichte rund ums Hambacher Fest und konzipierten eine 45-minütige Führung mit besonderem Augenmerk auf das Thema Menschenrechte – und dies nicht nur theoretisch oder etwa nur vor ausgewählten „Testpersonen“. An einem besucherstarken Tag auf dem Hambacher Schlossberg wagten Marie-Christine Dröse und Marius Heil den Sprung ins kalte Wasser, um „echten“ Besucherinnen und Besuchern die spannende Geschichte rund um die Wiege der deutschen Demokratie nahe zu bringen – und dies mit Enthusiasmus, Freude und Erfolg.
Marie-Christine Dröse führt bis heute zahlreiche Gruppen um und durchs Hambacher Schloss und die Ausstellung, sensibilisiert Woche für Woche Kinder, Jugendliche und Erwachsene für die Notwendigkeit dessen, wofür das Hambacher Fest bis heute steht – Demokratie und die Verwirklichung der Menschenrechte. „Das Hambacher Schloss ist ein hervorragender Ort um die Genese und die Bedeutung demokratischer Werte damals und heute in Deutschland einer breiten Masse zugänglich zu machen“, finden Marius Heil und Marie-Christine Dröse. Die jungen Studierenden haben einen klaren Standpunkt: Die emanzipatorischen, demokratischen und weltoffenen Impulse „unseres Hambach“ lassen sie sich von niemandem nehmen!
Der krönende Abschluss des Moduls „Menschenrechtsbildung an (außer-)schulischen Lernorten“ ist die Konzeption eines eigenen Workshops, der am heutigen Tag mit einer Gruppe vor Studentinnen und Studenten Premiere hatte. Unter der Überschrift „Das wird man ja wohl noch sagen dürfen – (M)einen Kompass für Meinungsfreiheit entwickeln“ wurden die Chancen und Grenzen der Meinungsfreiheit sowie ein verantwortungsvoller Umgang damit diskutiert. Dabei bieten Artikel der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und des Grundgesetztes den nötigen Orientierungsrahmen, um Diskurse in einem demokratischen Sinne führen zu können.
Inzwischen haben sich zwei weitere Studierende gemeldet, mit denen die Kooperation in die nächste Runde geht.