Ludwigshafen – Unter dem Thema „Einzelwerk oder Serie – Wie erhalten wir im radikalen Wandel der Medienwelt dem Einzelwerk seine Geltung in Kino und Fernsehen?“ diskutierten Produzenten, Verleiher, Filmemacher, Autoren, Schauspieler, Weltvertriebsleiter und Redakteure auf Einladung von Festivaldirektor Dr. Michael Kötz auf der idyllischen Parkinsel am Rhein die aktuelle, mediale Lage in Deutschland. Einig waren sich die Disputanten mit der Forderung nach einer Strukturreform für die medialen Angebote insgesamt, die die öffentlich-rechtlichen, privaten und digitalen Programme wie auch das Kino einbezieht.
„Hat die singuläre Filmkunst in Deutschland noch eine Zukunft? Wird es demnächst nur noch Serien geben und das Internet das alles beherrschende Medium für fast jede Rezeption von Film sein? Wie stehen die Chancen für das einzelne, einsame Filmwerk?“, fragte Festivaldirektor Dr. Michael Kötz zum Auftakt des vierstündigen Dialogs. „Wenn doch auch im Fernsehprogramm Werke dann am besten funktionieren, wenn sie Teil er Serie/Reihe sind. Und im Kino hat das Einzelwerk ohne Vorgänger und ohne Hype es täglich schwerer, überhaupt ein relevantes Publikum zu finden. Entspricht der Erfolg des Seriellen einfach nur dem Wunsch der Menschen, sich vorher auszukennen, anstatt die „Katze im Sack“ zu kaufen wie bei einem Unikat? Aber liegt nicht im Unikat, dem filmischen Einzelstück, die große Chance für neue Entwürfe, neue ästhetische und dramaturgische Wege und dies in der alten großen Intensität des singulären Erlebnisses?“
Der digitale Wandel der Medienindustrie erfasst alle Bereiche – von der Produktion bis zum Vertrieb. Die Verunsicherung, wie auf die neuen Herausforderungen zu reagieren ist, hat die gesamte Branche ergriffen. Im Fernsehen verlieren die öffentlich-rechtlichen Sender die jugendlichen Zuschauer an international agierende Streamingdienste und Onlineplattformen. Diese sehen sich einem gnadenlosen Verdrängungswettbewerb ausgesetzt, von dem der User aktuell noch profitiert. Aber wie lange werden anspruchsvolle Produktionen wie „Roma“ oder „How to sell drugs online (fast)“ noch zum Repertoire gehören bevor sie massentauglichen Produktionen weichen müssen? Während der Programmauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks durch den Staatsvertrag geregelt ist, liegen den digitalen Anbietern rein wirtschaftliche Vorgaben zugrunde. Die Auseinandersetzung findet folglich auf ganz unterschiedlichen Ebenen und mit grundsätzlich verschiedenen Mitteln statt – „wir erleben einen wirtschaftlichen Kulturkampf“.
Bietet unser traditionelles öffentlich-rechtliches Fernsehen ein kuratiertes, lineares Angebot autoritär als Zwangsprogramm, ist die digitale Welt nur scheinbar frei, denn sie wird von Algorithmen beherrscht. In der Konsequenz sehen wir also mehr vom immer gleichen, anstatt vielfältige Angebote für neue, überraschende Inhalte. In der Forschung wird das als „Blase“ bezeichnet. „Ein Filmfestival würde so nicht funktionieren“, der Schlüssel sie das „kuratierte Schauen“. Wenn die Auswahl aber rein marktwirtschaftlichen Kriterien folgt, bleiben kulturelle und bildungspolitische Aspekte auf der Strecke.
Einig war sich die heterogene Gesprächsrunde, dass aber nach wie vor „das Einzelstück der Humus für die serielle Produktion ist“. Vor allem ist es „preiswerter“ als eine Serie und lässt mehr Spielraum für ästhetische, dramaturgische und thematische Experimente. Einzelne Geschichten mit einem Thema, das auf 90 Minuten vertieft wird, stehen im Mittelpunkt. Was früher der Kurzfilm war, ist heute der 90minüter – Visitenkarte und Aushängeschild zugleich. Deutschland sie für den 90-Minüter „eine Insel der Seligen“, denn dieses Format ist in anderen Ländern nicht üblich. Das erschwere den Weltvertrieb im klassischen Programm, die Digitalisierung sei hier natürlich ein Gewinn, denn ein starres Zeitschema gibt es im Netz nicht.
Kontrovers diskutiert wurde die verstärkte finanzielle Förderung von seriellen Formaten durch Bundes- und Länderförderungen. „Berlin Babylon“ beispielsweise hat 6,6 Mill. Euro aus den Filmfördertöpfen der Länder und 10,2 Mill. aus dem German Motion Picture Fund erhalten. Mittel, die dem Einzelstück, dem deutschen Kinofilm fehlen, denn die Töpfe sind endlich. In diesem Kontext wurde die Subventionierung von ausgewiesenen Programmkinos analog zur Unterstützung von städtische Theatern gefordert, denn „was nutzen die knapp 400 Mill Euro. Produktionsförderung, wenn es keine Leinwand für die Produktionen gibt.“ Der Etat sollte nicht anstatt sondern zusätzlich aufgebracht werden, um „Filmtheater mit einem fein kuratierten Programm eine weitgehende, wirtschaftliche Unabhängigkeit zu gewährleisten, analog zu den Kommunalen Kinos, heutigen „Clubkinos“, die ihr Publikum gegen den Trend finden.“
Damit wird die Chance eröffnet, den Erfolg der Filmfestivals in die Fläche zu tragen. „Wir brauchen ein Revival der Programmkinos, damit der deutsche Film wieder eine Heimat hat und nicht dem gnadenlosen Verdrängungswettbewerb meist amerikanischer Majors um die Leinwände zum Opfer fällt.“ Streams schaue man auf den Mobiltelefon und meistens allein, ins Kino gehe man zusammen. „Das ist ein ganz anderes Erlebnis“. Jetzt gehe es darum, dem Publikum auch entsprechende Angebote zu machen, denn „mit 25 erlahmt der Streaming-Hype und die Menschen suchen neue Angebote“. Diese neuen Angebote sollten auch unsere Realität abbilden und nicht nur die „mittlerweile universelle Filmsprache amerikanischer Produktionen, die sich bei der sehr erfolgreichen Vermarktung auch auf die Attraktion serieller Strukturen bauen.“