
Der Münchner Verlag C. H. Beck ist den meisten Menschen als Quelle zahlreicher juristischer Bücher und Zeitschriften bekannt. In Deutschland kommt kein Student der Rechtswissenschaften an den Veröffentlichungen des Unternehmens vorbei. Zuletzt hatte der bayerische Verlag keine gute Presse, der Plagiatsfall um das 429 Seiten lange Sachbuch „Große Seeschlachten“ von Arne Karsten und Olaf B. Rader erschütterte gleichermaßen Leser wie Wissenschaftler: So dreist war wohl schon lange nicht mehr vom Online-Lexikon Wikipedia abgeschrieben worden.
Im April diesen Jahres gab Beck zu, dass die meisten Vorwürfe stimmen und entschuldigten sich. Das Werk wird seitdem nicht mehr ausgeliefert. Dass der Verlag auch ein recht breites belletristisches Angebot hat, wissen viele Leser nicht. Auch dort geht es mitunter etwas holprig zu, wie zuletzt an einem Werk aus der sogenannten Backlist, quasi dem schriftstellerischen Fundus des Verlags, zu beobachten war.
Die Münchner haben die wichtigsten Bücher des Schriftstellers Heimito von Doderer (1896-1966) im Programm. Sie hegen und pflegen das Lebenswerk des als schrullig geltenden Österreichers. Schon 1938 veröffentlichten sie Doderers Romandebüt, „Ein Mord den jeder begeht“.
Das war für Beck allerdings nicht der Anlass, nach 75 Jahren eine Jubiläumsausgabe zu machen, sondern die runden 250 Verlagsjahre. Dafür wählten sie Doderers bekanntestes Werk, „Die Strudlhofstiege“, einen fast 1000seitigen Großstadtroman. Die neue Ausgabe hat ein im Retro-Look gehaltenes Cover, dass gut in den Bestand gutbürgerlicher, deutscher Wohnzimmer-Bücherregale der 1960er Jahre passt.
Der eigentliche Mehrwert der Jubiläumsausgabe ist der brillante Text „Am Schauplatz – Adressen eines Romans“ des Doderer-Experten Stefan Winterstein. Ausführlich und unterhaltsam bebildert und beschreibt Winterstein die eng zusammenliegenden Orte des Buchs im Kontext zum Inhalt. Ganz am Ende der Ausgabe folgt noch ein Nachwort des „Die Vermessung der Welt“-Autors Daniel Kehlmann, das jedoch fast ausschließlich aus Doderer-Zitaten besteht.
Bei der Edition der Jubiläumsstiege lief nicht alles so rund, wie es sein sollte: Auf Seite 788 erschien plötzlich wieder Seite 778, das verschollene Blatt war in der gesamten Ausgabe nicht vorhanden.
Dem Verlag fiel das erst auf, als sich eine aufmerksame Leserin meldete. Die Ausgabe wurde zurückgerufen. „Das ist beim Scannen außer Haus passiert“, bedauert Raimund Betzold, der bei Beck die neue „Strudlhofstiege“ betreut, den Fauxpas. Bei den großen Buchhandelsketten und den Online-Versendern wurde das Buch remittiert, alle fehlerhaften Exemplare fanden jedoch nicht den Weg zurück zum Verlag. Wer es nicht zurückschicken wolle (und dann ein neues Exemplar inklusive der fehlenden Seite 788 bekommt), empfahl Betzold, möge es an jemanden verschenken, der es nicht lesen würde.
Wer ganz genau hinsieht, kann die Reparatur noch erkennen. Allerdings nur, wenn er auch weiß, wo er suchen muss. Gespart hat der Verlag dafür an anderer Stelle: Auf der hinteren Werbe-Banderole steht weiterhin „Die Strudlhofstiege ist Doderers berühmtesten und beliebtestes Werk“.