Kaiserslautern / Neustadt an der Weinstraße – Eine Firma, die sich auf das Sammeln von Alttextilien und -schuhen spezialisiert hat, ist trotz eines Verbots durch die Stadt Kaiserslautern weiterhin berechtigt, innerhalb von Kaiserslautern Altkleider und -schuhe zu sammeln. Das hat das Verwaltungsgericht Neustadt in einem Urteil vom 28. Mai 2015 entschieden.
Die Klägerin ist ein im gesamten Bundesgebiet tätiger Entsorgungsfachbetrieb, der nach eigenen Angaben pro Monat bundesweit bis zu 150 Tonnen Altschuhe und bis zu 400 Tonnen Alttextilien erfasst. Sofern hierbei Sammelbehälter aufgestellt werden, erfolgt dies auf mietvertraglicher Grundlage auf den Grundstücken oder in den Geschäften privater Partner (Einzelhändler, Supermarktketten u.a.), in der Vergangenheit auch auf den Grundstücken öffentlicher Partner (kommunale Wertstoffhöfe, etc.).
Die beklagte Stadt Kaiserslautern sammelt auf den in Kaiserslautern betriebenen Wertstoff- und Recyclinghöfen des Abfallwirtschafts- und Stadtreinigungs-Eigenbetriebs der Stadt Kaiserslautern (ASK) im Bringsystem in entsprechenden Containern Altkleider und -schuhe. Zusätzlich wurde zum 1. Januar 2013 ein Abholsystem für die Abfallarten Altmetalle, Altkleider und Alttextilien geschaffen. Der ASK holt diese Abfälle auf fernmündlichen oder schriftlichen Antrag ab. Nach der Erfassung werden die Abfälle der Zentrale Abfallwirtschaft Kaiserslautern (ZAK) – einer gemeinsamen kommunalen Anstalt des öffentlichen Rechts der Beklagten und des Landkreises Kaiserslautern – überlassen und der Verwertung zugeführt. Zusätzlich zu dem Erfassungssystem der ASK erfolgt durch die ZAK eine Sammlung von Altkleidern/Textilien im Bringsystem in Sammelcontainern.
Im August 2012 zeigte die Klägerin gegenüber der Beklagten eine auf unbestimmte Zeit angelegte gewerbliche Sammlung von Altkleidern und -schuhen an. Die angezeigte Sammlung betrifft die Aufstellung von Alttextilien- und Altschuhcontainern an einem von Seiten der Klägerin bereits genutzten Standort eines Supermarktes im Stadtgebiet der Beklagten. Mit Bescheid vom 9. April 2013 untersagte die Beklagte der Klägerin die gewerbliche Sammlung von Altkleidern und -schuhen im Stadtgebiet von Kaiserslautern und forderte sie auf, die aufgestellten Sammelcontainer unverzüglich zu entfernen. Zur Begründung führte die Beklagte u.a. aus, durch die Sammlung würden Abfälle erfasst, für die sie selbst eine haushaltsnahe und hochwertige Erfassung und Verwertung durchführe. Die Sammlung der Klägerin gefährde die Stabilität der Gebühren, denn grundsätzlich minderten Einnahmen, die der Entsorgungsbetrieb über den Verkauf von Abfällen an Dritte erschließen könne, die Gebührenhöhe.
Nach erfolglos durchgeführtem Vorverfahren hat die Klägerin im Dezember 2014 mit der Begründung Klage erhoben, sie werde durch die Untersagungsverfügung unzulässig in ihrer europarechtlich geschützten Warenverkehrs- und Wettbewerbsfreiheit eingeschränkt. Die Beklagte habe nicht genügend dargetan, dass die Funktionsfähigkeit ihres öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers gefährdet sei.
Die 4. Kammer des Gerichts hat der Klage stattgegeben. Zur Begründung führten die Richter aus: Die Untersagungsverfügung sei rechtswidrig. Nach den einschlägigen Vorschriften des Kreislaufwirtschaftsgesetzes (KrWG) dürfe die zuständige Behörde die Durchführung der angezeigten gewerblichen Sammlung nur untersagen, wenn überwiegende öffentliche Interessen einer gewerblichen Sammlung entgegenstünden. Dies habe die Beklagte nicht ausreichend dargelegt. Die gesetzlichen Überlassungspflichten im Abfallrecht stellten Beschränkungen der Warenverkehrsfreiheit und der Wettbewerbsfreiheit dar. Diese seien grundsätzlich zwar europarechtlich gerechtfertigt. Allerdings müssten die einschlägigen Vorschriften des KrWG zur Untersagung einer gewerblichen Abfallsammlung europarechtskonform ausgelegt werden.
Danach sei die Untersagung einer gewerblichen Abfallsammlung nicht bereits dann gerechtfertigt, wenn seitens des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers eine hochwertige Erfassung oder Verwertung der betreffenden Abfallart erfolge; vielmehr müsse auch in diesem Fall eine wesentliche Beeinträchtigung seiner Tätigkeit vorliegen. Dies könne nur auf der Grundlage konkreter Zahlen und Fakten beurteilt werden. Die für den Erlass einer Untersagungsverfügung zuständige Behörde trage insoweit die Darlegungslast. Eine Gefährdung der Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlich organisierten Entsorgungssystems durch eine „wesentliche Beeinträchtigung“ der Planungssicherheit und Organisationsverantwortung des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers könne allenfalls angenommen werden, wenn die gewerbliche Sammlung in ihrer konkreten Ausgestaltung und ggf. im Zusammenwirken mit anderen Sammlungen mehr als nur einen geringen Anteil des gesamten Aufkommens einer bestimmten Abfallart im Entsorgungsgebiet erfasse. Vor Erlass einer auf § 18 Abs. 5 Satz 2 KrWG gestützten Untersagungsverfügung sei von der Behörde zudem stets zu prüfen, ob nicht an Stelle des Verbots eine mildere Maßnahme zur Sicherung der Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers in Betracht komme.
Vor dem Hintergrund dieser strengen rechtlichen Anforderungen sei es der Beklagten nicht gelungen, eine wesentliche Beeinträchtigung der Planungssicherheit und Organisationsverantwortung respektive eine Gefährdung der Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers zu belegen. Es stehe ihr aber frei, ihren Bürgern die Vorzüge des eigenen Bring- und Holsystems gegenüber den gewerblichen Sammlungen zu vermitteln.
Gegen das Urteil kann innerhalb eines Monats nach Zustellung Berufung zum Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz einzulegen.
Verwaltungsgericht Neustadt, Urteil vom 28. Mai 2015 – 4 K 1115/14.NW