Heidelberg – „Oh, schau mal da oben!“ ist häufig einer der ersten Sätze, den man von Besuchern hört, sobald sie durch das große Tor im Zoo gelaufen sind. Dabei gilt der Blick nicht etwa exotischen Tieren, die sich unerlaubterweise auf dem Dach des historischen Zoo-Gebäudes befinden, sondern es sind die jährlich wiederkehrenden Sommergäste, die den Blick der Besucher auf sich ziehen.
Auf dem Dach des Zoo-Gebäudes brütet bereits seit mehreren Jahren jedes Frühjahr ein Storchenpaar. Wer dem Geklapper der Tiere folgt, kann auch an anderen Stellen im Zoo zahlreiche Nester der Weißstörche entdecken. Zu den bevorzugten Brutplätzen zählen neben Hausdächern die hohen Bäume, die einen großen Teil der weitläufigen Parkanlage des Zoos ausmachen.
Ab März/April beginnen die Brutpaare, die jedes Jahr ihrem Stammsitz weiter ausbauen und so das Bauwerk immer wieder aufstocken, die Nester für die Jungvögel vorzubereiten. Die Brutzeit kann bis Anfang August dauern. Die Jungvögel, die nach gut 30 Tagen schlüpfen, verbleiben noch zirka zwei Monate im elterlichen Nest, das durch die regelmäßige Erweiterung mehrere Meter hoch werden kann. Bereits Ende der 90er Jahre wurden gemeinsam mit engagierten Naturschützern des NABU mehrere Brutplätze eingerichtet und aufgestellt, sodass in der Zwischenzeit ein stattlicher Bestand entstanden ist.
Um die Wege der Störche nachzuverfolgen und zu ermitteln, woher sie kommen, werden die Jungtiere immer wieder gezählt und beringt. Das Beringen ist nicht immer so einfach, weiß Helmut Stein, Storchenbeauftragter der Region, der allen Jungtieren behutsam eine individuelle Ringnummer ansteckt. Manche Nester erreicht man nur mit Hilfe eines Hubsteigers und oben am Nest angekommen, wird der menschliche Eindringling von wilden Scheinangriffen der Eltern umflogen, während sich die Jungvögel tief in das Nest drücken. Die Prozedur des Beringens geht dann sehr schnell und ohne größere Auswirkung auf die Störche. Heute wurden im Zoo Heidelberg die ersten sechs Jungstörche 2015 beringt.
Die Auswertungen der Flugrouten der Störche ergeben, dass auf den Nestern des Zoos mehrheitlich sogenannte Freiflieger brüten, die direkt aus Afrika kommen. Es gibt aber auch Störche aus dem Mannheimer Luisenpark und einige sozusagen „ortständige“, die nicht mehr ziehen. Die Mehrheit der Störche zieht jedoch über zwei Wege: Die „Westzieher“ fliegen bei Gibraltar über das Mittelmeer, um in Westafrika vom Senegal bis zum Tschadsee den Winter zu verbringen. Die „Ostzieher“ fliegen über den Bosporus, das Jordantal und die Sinaihalbinsel nach Afrika. Von dort aus geht der Zug weiter in Richtung Ostafrika.
„Für uns ist es immer wieder schön zu sehen, dass die über 80 cm großen Vögel den Zoo Heidelberg als Sommerdomizil ausgewählt haben“,
erklärt auch Simon Bruslund, Vogelkurator im Zoo, der sich auch um die Sommergäste sorgt
„Wir haben dieses Jahr 16 Nester im Zoo gezählt und freuen uns, dass regelmäßig neue dazu kommen. Auch wenn mal ein Nest oberhalb des Besucherweges zu kleineren „Unannehmlichkeiten“ führen kann, vermeiden wir es, die Nester frühzeitig zu entfernen.“