Speyer – Günther Andreas sitzt stocksteif und regungslos auf einem Karton. Und das hat einen einfachen Grund: Auf seinem Kopf liegt ein Gesangbuch, das er zehn Sekunden lang balancieren muss ohne dass es herunterfällt. Noch einen kurzen Moment… geschafft. Der Mann aus Pirmasens darf nun zwei Sitzplätze nach vorne rücken. Die Aufgabe ist Teil eines ökumenischen Würfelspiels am Stand des katholischen und evangelischen Dekanats Pirmasens, bei dem zwei Kandidaten gegeneinander antreten. Sie müssen abwechselnd Fragen aus dem Dunstkreis der katholischen bzw. evangelischen Kirche beantworten oder originelle Aufgaben erfüllen. Dem Gewinner winkt ein kleines Präsent.
Der Stand der Südwestpfälzer war einer von rund 120 auf der Kirchenmeile des Ökumenischen Kirchentages (ÖKT) am Pfingstwochenende in Speyer. Bei frühlingshaften Temperaturen präsentierten sich zwischen Dom und Gedächtniskirche katholische, evangelische und ökumenische Verbände, Gruppen, Initiativen und Einrichtungen. Dabei waren unter anderem die Bereiche Soziales, Caritas und Diakonie, Dekanate und Gemeinden, Diözese Speyer und Evangelische Kirche der Pfalz sowie Bildung und Kultur vertreten.
„Bei uns können die Besucher auf Postkarten bewerten, was es an ihrem Wohnort an Infrastruktur wie Arztpraxen oder Busverbindung gibt“,
erzählt Michael Gerst am Stand des Diözesan-Caritasverbandes vor dem Bischofshaus. Die Caritas bietet die Aktion vor dem Hintergrund des Caritas-Jahresthemas Demografie an. Die Auswertung soll auf der Internetseite des Deutschen Caritasverbandes veröffentlicht werden. Die Teilnehmer haben die Chance, eines von mehreren Hörbüchern zu gewinnen.
„Wollen Sie uns einen Schatz in Ihrem Leben aufschreiben?“,
ruft Horst Roos, Diakon für Altenarbeit im protestantischen Dekanat Frankenthal, einer Passantin zu. Roos und seine katholische Mitstreiterin, die Gemeindereferentin Barbara Sedlmaier aus Bobenheim-Roxheim, haben an ihrem Stand der Ökumenischen Altenarbeit Zettel vorbereitet, auf denen kleine Schatzkisten abgebildet sind, die darauf warten, mit „Schätzen“ gefüllt und an eine kleine Wand gepinnt zu werden. Auf den farbigen Blättern stehen Begriffe wie „mein Hund“, „Bücher“, „Wertschätzung“ oder „Familie“.
„Wir möchten die Besucher mit unserer Aktion zum Nachdenken anregen“,
erläutert Horst Roos.
„Denn je älter die Menschen werden, desto mehr sammelt sich in ihrem Leben an.“
Einige Meter weiter präsentiert „Trampolin“, das Netzwerk zur Überwindung von Armut und Ausgrenzung in Bad Bergzabern, sich und seine Arbeit. In dem Projekt des protestantischen Dekanates der Kurstadt haben sich verschiedene soziale Träger zusammengeschlossen, um effizienter zu arbeiten und die Hilfsangebote sichtbarer zu machen.
„Unser Schwerpunkt ist derzeit die Flüchtlingsarbeit“,
betont Rainer Brunck, Seniorenreferent im evangelischen Kirchenbezirk Bad Bergzabern und Leiter des dortigen „Hauses der Familie“ der protestantischen Kirchengemeinde. Bei den Besuchern des ÖKT möchte „Trampolin“ ein Bewusstsein schaffen, warum Menschen flüchten – und zwar mittels eines Pech- und Glücksrades. Beim Drehen kann der Griff bei Aussagen wie „In Deinem Land herrscht Bürgerkrieg – Pech“ genauso stehen bleiben wie bei Sätzen wie „Deine Eltern haben Geld für PC, Internet, Urlaub – Glück“. Gleich nebenan haben Interessierte Gelegenheit, gegen eine Spende für die gemeindenahe Diakonie Klamotten von einem Kleiderständer auszusuchen.
Gudrun Schäfer aus Rieschweiler gefällt das Angebot auf dem Ökumenischen Kirchentag. Die 72-Jährige ist mit 50 weiteren evangelischen und katholischen Männern aus der Südwestpfalz angereist. Gerade hat sich die Protestantin das Kirchenkabarett angeschaut. Nun schlendert sie mit fünf weiteren Frauen über die Kirchenmeile, bevor es für ein kleines Päuschen ins Café geht. Eva-Maria Hott aus Landau möchte sich von den Angeboten inspirieren lassen. Die 50-jährige Katholikin, deren Ehemann der evangelischen Kirche angehört, erhofft sich aber auch Antworten auf die offene Frage der konfessionsverbindenden Ehe, besonders zu Eucharistie und Abendmahl. Jetzt aber freut sie sich erst einmal auf die Kirchenmeile.
Beim Ökumenischen Kirchentag in Speyer erwarten die Besucher bis Sonntag, 24. Mai, rund 200 Angebote entlang der Kirchenmeile zwischen Gedächtniskirche und Dom. Das Spektrum des Programms reicht von Gottesdiensten, Bibelarbeiten und Jugendfestival „stand up!“ bis zu Ausstellungen, Musik, Kabarett und Podiumsdiskussionen. Mehr als 1000 Mitwirkende, Helferinnen und Helfer sind im Einsatz. 10.000 Schals und 100 Fahnen tauchen die Speyerer Innenstadt während der Festtage in die Farben Magenta und Grün. Im Schlussgottesdienst am Pfingstsonntag um 16 Uhr im Domgarten unterzeichnen Kirchenpräsident Christian Schad und Bischof Karl-Heinz Wiesemann einen Ökumenischen Leitfaden, der am Pfingstmontag in den ökumenischen Gottesdiensten der Kirchengemeinden inhaltlich aufgegriffen wird.
Hinweis: Das Programmheft zum Ökumenischen Kirchentag liegt an den drei Infopoints am Postplatz, in der Maximilianstraße und am Dom aus und steht auf www.oekt-pfalz.de zum Download bereit. Mehr zum Thema erfahren Sie außerdem auf www.evkirchepfalz.de und www.bistum-speyer.de.