Kirchheimbolanden – Am Dienstag, 13. Oktober 2020, tagte der neu gegründete RUNDE TISCH der Veranstaltungswirtschaft Rheinhessen/Pfalz erstmals formell in der Nähe von Kirchheimbolanden, um vier Wochen nach seiner Gründung und dem ersten Besuch im politischen Mainz, die vergangenen Wochen Revue passieren zu lassen.
Unter dem Eindruck der jüngsten Ereignisse, der steigenden Infektionszahlen zum Einen, aber vor allem der landes- wie bundesweit daraus abgeleiteten Regulierungen, entstand so ein Forderungskatalog, den die Mitglieder der Versammlung für die kommenden Wochen als vordringlich erachten, um weitere Insolvenzen in dem sechstgrößten deutschen Wirtschaftssektor mit seinen weit über 1 Million Arbeitnehmern und Selbständigen zu verhindern und allem voran in die Zukunft zu blicken.
„Wir wollen vor allem nach vorne blicken und dringend nötige Öffnungsszenarien besprochen wissen. Bei aller Dringlichkeit der Hilfsprogramme, geht es uns darum aufzuzeigen, wie in naher Zukunft wieder professionell veranstaltet werden kann, bei allem Respekt vor der Pandemie“, so Timo Holstein, Sprecher der Runde. Themen wie die Verhältnismäßigkeit der Mittel, die Vergleichbarkeit/Gleichbehandlung unterschiedlicher Branchen sowohl bei Hilfen als auch schlichtweg bei Themen wie Mindestabständen in geschlossenen Räumen, den Kapazitäten von Spielstätten im Land, seien dabei genauso wichtig, wie der Blick auf einen mutigen Neustart – stets im Auge die Sicherheit aller. Denn letztlich ist ein kompletter Wirtschaftszweig der Republik seit März unverschuldet vom Broterwerb abgeschnitten. „Man sieht womöglich noch die Künstler auf der Bühne, die vielen essentiellen Gewerke dahinter sieht man nicht. Sie stehen derzeit sprichwörtlich im Regen“, so Petra Quednau vom RUNDEN TISCH.
Schon Anfang November reist die Gruppe erneut nach Mainz und hofft, dass bei derzeitiger Aufmerksamkeit auf das Thema, zu dem auch die Corona-konforme Großdemonstration der #AlarmstufeRot im September in Berlin beigetragen hatte, Teile Ihres Forderungskataloges schon auf der Agenda stehen werden, denn es ist tatsächlich 5 vor Zwölf für die Veranstaltungs- & Kreativwirtschaft!
DER FORDERUNGSKATALOG
- Verlängerungen und Ausweitungen der bereits aufgelegten Hilfsprogramme. Vereinfachter Zugang
- Ausweitung des steuerlichen Verlustrücktrages
- Existenzgeld oder Unternehmerlohn für Soloselbständige. Die Grundsicherung ist kein probates Mittel.
- Unternehmerlohn auch für Inhaber oder geschäftsführende Gesellschafter eines mittelständigen Betriebes mit Angestellten, der sich an die Einkommensteuerzahllast des Unternehmers des Vorjahres orientiert (und als Minimalst-Forderung seine Kosten für Sozialversicherung, Versicherungen, Altersvorsorge + X beträgt) rückwirkend zu April 2020.
- Wir verweisen ausdrücklich auf den rechtlichen Anspruch der Unterstützung. Die Veranstaltungs- und Kreativwirtschaft erweist derzeit durch die Untersagung ihres Kernbetriebes einen „Sonderdienst an und für die Gemeinschaft/Gesellschaft“, dafür fordern wir solidarisch Unterstützung.
- Vergleichbarkeit/Gleichbehandlung von Branchen sowohl in Zuwendungen/Hilfen wie auch und v.a. bei Personenanzahl/Kapazitäten/Fragen von Mindestabständen v.a. in geschlossenen Räumen, Bestuhlungsplänen ob in Spielstätten oder Gastronomie, aber auch im ÖPNV, Fernverkehr, Flugreisen (Kino vs. Konzertsaal) (siehe Hilfen für die Reisebranche z.B. für entgangene Vermittlungsprovisionen!)
- Obergrenzen für professionelle/kommerzielle Veranstaltungen nicht an einer „nackten“, absoluten Zahl festmachen.
Es muss eine Verhältnismäßigkeit zwischen Venuegröße/Kapazität der Spielstätte und gestatteter Besucherzahl bei wasserdichtem Hygienekonzept hergestellt werden. (Bsp: Es kann nicht sein, dass beispielsweise in der ARENA TRIER, die vor Corona für 7.500 Pax unbestuhlt konzessioniert war, genau so 250 Personen bei einer kommerziellen, öffentlichen Veranstaltung unter Einhaltung des bestmöglichen Hygienekonzeptes erlaubt sind, wie im Dorfgemeinschaftshaus um die Ecke) - Ausfallversicherung/-Bürgschaften für neu geplante Veranstaltungen der nahen wie mittleren Zukunft
Das aus unser Sicht das zukunftsträchtigste und probateste Mittel, der gesamten Branche und allen Playern der Wertschöpfungskette Planungssicherheit zu geben, wäre eine Ausfallversicherung/-Bürgschaft für Veranstaltungen, die ab Stichtag X unter Einbeziehung aller derzeitig geltenden C-19/Hygienevorschriften für 2021/2022 geplant werden.
So könnte sprichwörtlich „der Motor wieder angeworfen“ und Einzelveranstaltungen wie Tourneen geplant werden. Gleichzeitig gäbe das auch den Ticketkäufern Sicherheit und könnte die Nachfrage nach Karten ankurbeln, da für die Käufer die Gewähr bestünde, dass gekaufte Tickets abgesichert sind. Sollte die Veranstaltung bei weiterer Corona-Lage untersagt werden, würden dem Ticketkäufer die Karten und dem Veranstalter sowohl seine Kosten, als auch der entgangene Gewinn (80% zu „sold out“) erstattet. Damit wären auch die Dienstleister der gesamten Wertschöpfungskette versichert.
Vorteil: Hier würde seitens Politik nicht „gutes Geld, schlechtem hinterher geworfen“ oder Lücken gestopft, hier wird schlicht in die Zukunft investiert, respektive nur dann eingesprungen, wenn der Fall der Fälle eintreten sollte. - Gerne verweisen wir bei Hilfen und Zukunftsperspektiven auf die teils deckungsgleichen Ideen und Forderung aus den beigefügten Unterlagen:
a) Presseinformation der #AlarmstufeRot vom 13.10.2020
b) Initiative der B90/Grünen im Bund, siehe MusikWoche vom 08.10.2020
PRINZIPIELLE ANMERKUNGEN
- Es bedarf bundeseinheitliches Vorgehen sowohl in Hilfen wie in Regularien, statt föderalem Flickenteppich!
Weiterhin herrscht große Verwirrung ob des kleinteiligen, föderalen Stückwerks, die zur Abnahme der Akzeptanz in der Bevölkerung für getroffene Maßnahmen und großer Verunsicherung sowie Planungsunsicherheit führt. Die Branchenverbände der Veranstaltungs- & Kreativwirtschaft wie aber auch DEHOGA, DIHT, Ärzteverbände und IHK sind hier unisono einer Meinung, sprechen teils von „Wirrwarr und sinnfreiem, blinden Aktionismus!“ - Selbst wenn berechtigterweise regional auf das Infektionsgeschehen zu reagieren ist, müssen gleiche Schlussfolgerungen und Maßnahmen bundesweit abgeleitet werden. Steht die Ampel sprichwörtlich auf „Rot“, müssen die sich daraus ableitenden Einschränkungen des öffentlichen Lebens überall gleich sein, sodass Planungssicherheit hergestellt wird.
- Gerade die vergangenen 14 Tage Hin und Her bei innerdeutschen Reisebeschränkungen, (angedrohten) Beherbergungsverboten machen es einer Branche, die von Mobilität lebt, deren Künstler und Dienstleister durchweg bundesweit pendeln, nicht einfacher. Hier wurde im ersten Schritt der Gastronomie und Hotellerie geschadet, die Veranstaltungswirtschaft folgte auf dem Fuß. Die Stornos der Kalenderwochen 41 und 42 machten das Wenige, was bis Jahresende überhaupt noch stattfinden sollte, de facto hinfällig. Wir begrüßen daher ausdrücklich die Entscheidung der Landesregierung RLP vom 12.10.2020, das Beherbergungsverbot im Land bis zur nächsten Kanzlerschalte auszusetzen, wenn zugegeben die Tage davor im „Hin & Her“ aber bereits erneut uneinbringlichen Schaden angerichtet haben.
- Bisherige Hilfen, projektbezogene Förderungen waren oft gekoppelt an zukunftsweisenden Technologien, so wird gerne die Digitalisierung ins Feld geführt. Wir weisen darauf hin, dass bei aller Innovationskraft und Transformation von z.B. B2B-Veranstaltungen, dem ein oder anderen Streaming-Event, das Gros des LIVE-BUSINESS ausdrücklich nicht zu digitalisieren, oder durch Hybride und Streamingevents zu ersetzen ist. Die Wertschöpfungskette aus Künstlern, Technikdienstleistern, Agenturen, Spielstättenbetreibern, Caterern, Security-Unternehmern, sowie die sich aus einer Veranstaltung ergebenden sekundären Effekten auf Gastronomie, Hotellerie bis hin zum Taxiunternehmer, lebt vom Liveerlebnis. Ferner erwartet und wünscht sich der Fan, das „echte Konzert“, ja die tobende, schwitzende Masse. Negativer Nebeneffekt (abgesehen von vielen nicht beachteten Rechts- & Lizenzfragen) der Diskussion ob Streaming-Alternativen, ist eine schleichende Abwertung der künstlerischen Leistung bzw. ihrer Entlohnung auch in der gesellschaftlichen Wahrnehmung. „Der Künstler streamte doch zu Beginn der Pandemie so gerne aus seinem Wohnzimmer, um zu unterhalten…“
- Künstler, Veranstalter, Dienstleister, Agenten wollen ausdrücklich nicht abrutschen in ein Tagesgeschäft aus Förderanträgen, gar zu Subventionsbetrieben mutieren. Sie wollen arbeiten!
- Die Veranstaltungswirtschaft beansprucht für sich, verantwortungsvoll und sicher zu veranstalten. Das Gros der gesetzten Standards, Verordnungen und Normen entspringen in der Regel aus der Branche heraus, werden von ihr stets weiterentwickelt. Wir können „sicher“ – in jedem Fall sicherer als Privatleute!
O-Ton Branchenverband LIVEKOMM: Wir sind Problemlöser, keine Sündenböcke! - Die Veranstaltungswirtschaft grenzt sich scharf von der medial viel zitierten „Party- & Eventsszene“ ab, die meist in Städten zu unerlaubten Veranstaltungen, Massenansammlungen in Parks, illegalen Partys ruft.
Hier wird leider durch die Wortwahl ein Bild verwaschen, eine Branche diskreditiert. - Die Veranstaltungswirtschaft wünscht sich wie die Bevölkerung beim Umgang mit dem Zahlenwerk um C-19 Klarheit in der Deutung. Positivzahlen und deren Verhältnis zu wirklichen Erkrankungen, gar der Notwendigkeiten der intensiv-medizinischen Versorgung, werden häufig nicht ausreichend abgegrenzt.
- Zu kritisieren ist, dass in den fortlaufenden Monaten der Pandemie beobachtet werden muss, dass immer häufiger kleine und mittlere Auftragsvolumen sowohl im privaten wie auch im kommerziellen Bereich, ja selbst kommunale Aufträge, nicht an etablierte Unternehmen, sondern an Technikunternehmen im Nebenerwerb oder sogar Hobbybeschaller vergeben wurden. Vor dem Hintergrund, dass erfahrene Unternehmen der Branche seit Jahren Standards gesetzt und mitentwickelt haben, Ausbildungsberufe (Fachkraft für Veranstaltungstechnik, Veranstaltungskaufmann/-frau) initiiert haben, Mitglieder in auch an Weiterbildung beteiligten Berufsverbänden sind, trotz haarsträubender Umsatzrückgänge ausdrücklich Auszubildende und Angestellte in Lohn und Brot halten, Steuern, Gewerbesteuern, Genossenschaftsbeiträge entrichten, ein besorgniserregender Trend.
ABSCHLIESSEND BLEIBT DER APPELL: Gerne stehen wir der Landespolitik bei der Bildung einer Taskforce – ähnlich des benachbarten Saarlandes – zur Verfügung, um Expertisen einzubringen, wenn es um die Ausgestaltung weiterer Hilfen geht. Vielmehr jedoch, wenn es um die Schaffung von Zukunftsperspektiven und Öffnungsszenarien geht.
Wir freuen uns über den konstruktiven Austausch!