Kaiserslautern – Mathematiker an der TUK entwickeln mithilfe von klassischer Algebra eine Open-Source-Bibliothek an Softwareprogrammen, die das Bearbeiten und Lösen unterschiedlichster mathematischer Fragestellungen unterstützen.
Seit 2017 erfolgen die Arbeiten vor allem im Rahmen des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) eingerichteten Transregio-Sonderforschungsbereichs „Symbolische Werkzeuge in der Mathematik und ihre Anwendung“. Das Potenzial der Forschung hat die DFG-Gutachter überzeugt, das Programm jetzt um vier weitere Jahre zu verlängern. Mit der Bewilligung fließen 8,8 Mio. Euro an die beteiligten Universitäten. Koordiniert wird die standortübergreifende Forschung an der TUK.
Sonderforschungsbereiche sind das „Flaggschiff“ der Forschungsförderung der DFG und werden nach höchsten Qualitätskriterien eingerichtet beziehungsweise verlängert. Daher zeigt sich Professor Dr. Arnd Poetzsch-Heffter, Präsident der TU Kaiserslautern, hoch erfreut:
„Diese Verlängerung ist ein überzeugender Ausweis für die Kontinuität hervorragender Forschung. Den Kaiserslauterer Kollegen sowie ihren Kooperationspartnern gratuliere ich herzlich zu diesem Erfolg, der das Ergebnis jahrelanger anspruchsvoller Arbeit darstellt. Mit dieser Bewilligung sind erfreulicherweise nun in den letzten beiden Jahren alle sechs laufenden Sonderforschungsbereiche der TUK erfolgreich verlängert worden.“
Die Mathematik ist eine höchst experimentelle Wissenschaft und stets auf der Suche nach Lösungen zu immer komplexer werdenden Fragestellungen. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Transregio-Sonderforschungsbereichs „Symbolische Werkzeuge in der Mathematik und ihre Anwendung“ (SFB TRR 195) bestücken dafür einen interdisziplinären Werkzeugkasten. Die enthaltenen softwarebasierten Tools sollen Mathematikern das exakte Berechnen von Beispielen, wie sie für die Forschung essentiell sind, erleichtern. Da sich die Teilbereiche der theoretischen Mathematik immer enger verzahnen, nutzt das zentrale Computeralgebrasystem vorhandene Synergien und ermöglicht damit eine fachübergreifende Herangehensweise: Es integriert Algorithmen aus fünf zunächst eigenständigen Forschungsgebieten – der Gruppen- und Darstellungstheorie, der algebraischen Geometrie, der kommutativen und nichtkommutativen Algebra, der tropischen und polyhedralen Geometrie sowie der Zahlentheorie – zu dem interdisziplinären Gesamtsystem OSCAR. In einer ganzen Reihe von Projekten des SFB TRR 195 werden die so entstandenen Tools dann angewendet, um tiefliegende Probleme der reinen Mathematik zu lösen.
Prof. Dr. Gunter Malle, Sprecher des SFB TRR 195, erläutert:
„In der ersten Förderperiode haben wir den Prototypen des Open-Source-Computeralgebrasystems OSCAR entwickelt. In den kommenden vier Jahren gilt es gemeinsam mit den Mitantragstellern, der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen und der Universität des Saarlandes, sowie weiteren Mathematikerinnen und Mathematikern, das System zu verfeinern, benutzerfreundlicher zu gestalten und parallel weitere fachgebietsübergreifende mathematische Fragestellungen zu bearbeiten. Insgesamt 21 Einzelprojekte hatten wir im Antrag für die zweite Förderperiode skizziert – alle sind von der DFG bewilligt worden. Das ist für uns ein außerordentlicher Erfolg und die Bestätigung, dass wir auf dem richtigen Weg sind und unsere Forschung aus Sicht der Gutachter sehr großes Potenzial hat.“
Bestätigung kommt auch von anderen Wissenschaftlern, die die von den Forschern des SFB TRR 195 entwickelten Werkzeuge für die eigene Forschung genutzt und die entsprechenden Ergebnisse publiziert haben.
„Weltweit gibt es bereits Tausende von Projekten, die auf unserer Arbeit basieren“, so Malle. Programmzugehörige Online-Server ermöglichen uns dabei den direkten Austausch innerhalb der wissenschaftlichen Community.“
Co-Sprecher Prof. Dr. Wolfram Decker, ergänzt:
„Ich habe über viele Jahre hinweg die Entwicklung eines leistungsstarken fachübergreifenden Open-Source-Computeralgebrasystems in der Fachwelt propagiert, was wegen der immensen technischen Schwierigkeiten auch auf Skepsis gestoßen ist. Daher freut es mich besonders, dass wir nun im Sonderforschungsbereich so erfolgreich sind und alle an einem Strang ziehen.“
Und er verweist darauf, wie mathematische Forschungsarbeit oft im Nachhinein praktische Wirkung entfaltet:
„Dass sich etwa Roboterarme als Produktionswerkzeuge in der Industrie immer exakt auf Position bewegen, verdanken sie mathematischen Berechnungen im Hintergrund. Oder ein anderes Beispiel: Wenn wir Musik-CDs abspielen, sorgen algebraische Algorithmen dafür, dass wir ein qualitativ hochwertiges Hörerlebnis ohne technisch bedingte Störgeräusche haben.“
„Mit den Vorarbeiten zum Folgeantrag haben wir bereits vor zwei Jahren begonnen. In einem gemeinsamen Kraftakt aller Beteiligten im SFB wurde der jetzt erfolgreiche Antrag gerade in der Phase des harten Lockdowns im April dieses Jahres bei der DFG eingereicht“,
fügt Dr. Michael Kunte, Geschäftsführer des SFB TRR 195, hinzu.
„Wir sind sehr froh, dass sich diese Mühe gelohnt hat.“
Am SFB TRR 195 beteiligen sich an verschiedenen Standorten insgesamt 21 Projektleiter mit ihren Teams. Neben den bereits genannten Antragstellern sind auch Expertinnen und Experten der Technischen Universität Berlin, der Universitäten Stuttgart und Tübingen sowie des Max-Plack-Instituts für Mathematik in den Naturwissenschaften (Leipzig) beteiligt. Die Kaiserslauterer Arbeiten im Kontext des Sonderforschungsbereichs sind eingebettet in den Potentialbereich SymbTools, der unter der Sprecherschaft von Decker im Rahmen der Forschungsinitiative des Landes Rheinland-Pfalz gefördert wird.