Mannheim – Der Verwaltungsgerichtshof (VGH) hat soeben drei Eilanträge gegen die von der Landesregierung mit der Corona-Verordnung angeordnete nächtliche Ausgangssperre abgelehnt.
§ 1c Corona-Verordnung in der Fassung vom 15.12.2020 ordnet in der Zeit von 20 Uhr bis 5 Uhr des Folgetags eine allgemeine Ausgangssperre an. Der Aufenthalt außerhalb der Wohnung oder sonstigen Unterkunft ist in dieser Zeit generell untersagt. Ausnahmsweise ist er bei Vorliegen triftiger Gründe, die die Corona-Verordnung im Einzelnen aufzählt, gestattet.
Hiergegen haben sich in drei Verfahren ein Bürger und zwei Rechtsanwälte gewandt. Sie halten die Ausgangssperre für rechtswidrig.
Einer der Rechtsanwälte macht u.a. geltend, die angegriffene Vorschrift hebe in beispielloser Art und Weise die freiheitliche Grundordnung auf. Es bestehe kein Grund, weshalb er seine Wohnung nachts nicht mehr zu privaten Zwecken wie etwa der Pflege eines Schrebergartens, dem Beobachten von Hirschen, der Wahrnehmung sportlicher Aktivitäten oder dem Aufsuchen eines Zigarettenautomaten verlassen können solle.
Der zweite Rechtsanwalt bringt u.a. vor, die angegriffene Vorschrift stelle einen massiven Eingriff in sein Grundrecht auf allgemeine Handlungsfreiheit dar. Es werde ihm insbesondere untersagt, nachts den etwa 1.000m langen Fußweg zu Freunden zurückzulegen, sich am Abend in seiner 6 m von seiner Wohnung in einem Nebengebäude entfernt liegenden Werkstatt aufzuhalten, um dort Bastelarbeiten und dergleichen durchzuführen, oder Abendspaziergänge zu unternehmen.
Der Bürger im dritten Verfahren macht u.a. geltend, nach den Zahlen des Robert-Koch-Instituts seien zwischen dem 03.11. und dem 08.12.2020 70 % der am Coronavirus gestorbenen Menschen älter als 80 Jahre gewesen. Diese Altersgruppe verlasse aber sehr selten abends das Haus. Tierhalter könnten ohne zeitliche, personelle oder örtliche Beschränkung des Haus verlassen. Dies sei nicht auf Hundehalter beschränkt, sondern gelte für jegliche Tierhaltung.
Der 1. Senat des VGH hat alle drei Anträge abgelehnt. Zur Begründung führt er aus, für die Ausgangssperre bestehe eine ausreichende Rechtsgrundlage im Infektionsschutzgesetz (§ 32 Satz 1, § 28 Abs. 1 Satz 1, § 28a Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 IfSG). Die Ausgangssperre führe zu keinem unverhältnismäßigen Eingriff in die Grundrechte auf allgemeine Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG und auf Freiheit der Person nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG. Auch die Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GG) sei nicht verletzt.
Die nächtliche Ausgangssperre diene dem legitimen Ziel, die Anzahl der physischen Kontakte in der Bevölkerung umfassend und flächendeckend zu reduzieren. Angesichts der sehr hohen Infektionszahlen und des wieder exponentiellen Wachstums der Ansteckungen mit dem Coronavirus verfolge die Landesregierung zulässigerweise den Zweck, Leib und Leben der Bevölkerung und die Leistungsfähigkeit des stark belasteten Gesundheitssystems zu schützen.
Die Ausgangssperre sei ein geeignetes Mittel, um dieses Ziel zu erreichen. Der Einwand, nächtliches Spazieren berge keine Infektionsgefahr, greife nicht durch. Denn beim Spazieren könne es auch zu unbeabsichtigten Kontakten kommen. Die Ausgangssperre reduziere zudem den Anreiz, soziale und gesellige Kontakte im privaten Bereich insbesondere in den Abendstunden zu pflegen, die sich in der Vergangenheit in infektionsbezogener Hinsicht vielfach als besonders gefahrträchtig erwiesen hätten. Unbegründet sei auch das Argument, die besonders schutzbedürftigen älteren Menschen gingen abends selten außer Haus. Die Ausgangssperre diene dem Schutz der ganzen Bevölkerung und schütze somit auch ältere Menschen vor Ansteckungen durch jüngere Personen.
Die nächtliche Ausgangssperre sei auch verhältnismäßig. Die damit verbundenen Beeinträchtigungen seien angesichts der gravierenden Folgen der Weiterverbreitung des Coronavirus für Leib und Leben einer Vielzahl vom Coronavirus Betroffener und der damit verbundenen Erhaltung der Leistungsfähigkeit des Gesundheitssystems Deutschlands zumutbar. Dies gelte auch für die von den beiden Rechtsanwälten geltend gemachten nächtlichen Aktivitäten wie z.B. Zigarettenkauf und Wildbeobachtung.
Unbegründet sei auch das Vorbringen, jeder Tierhalter dürfe trotz der Ausgangssperre nachts das Haus verlassen. Die Vorschrift des § 1c Abs. 2 Nr. 10 Corona-Verordnung gestatte das Verlassen der Wohnung in der Zeit zwischen 20 Uhr und 5 Uhr für „unaufschiebbare Handlungen zur Versorgung von Tieren“. Allein der Umstand, Halter irgendeines Tiers zu sein, reiche mithin nicht aus.
Die Beschlüsse sind unanfechtbar (1 S 4028/20, 1 S 4041/20, 1 S 4061/20).