Mainz / Koblenz – Der in Mainz-Mombach geplante Einkaufsmarkt darf gebaut werden. Dies entschied das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz in Koblenz.
Die Stadt Mainz hatte im Dezember 2014 der Beigeladenen eine Baugenehmigung zur Errichtung eines Einkaufsmarktes mit einer Verkaufsfläche von 805 qm erteilt. Hiergegen legte die Antragstellerin, die Eigentümerin einer Keller- und Erdgeschosswohnung auf einem Nachbargrundstück ist, Widerspruch ein und machte geltend, das Bauvorhaben habe eine erdrückende Wirkung und sei ihr gegenüber rücksichtslos. Ihrem Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Baugenehmigung gab das Verwaltungsgericht Mainz statt. Auf die Beschwerde der Stadt Mainz und der Beigeladenen lehnte das Oberverwaltungsgericht hingegen den Eilantrag ab.
Die Genehmigung des Bauvorhabens genüge entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts den Anforderungen des Gebots der Rücksichtnahme. Das Rücksichtnahmegebot sei in aller Regel dann nicht verletzt, wenn die Abstandsvorschriften eingehalten seien. Dies sei hier sowohl hinsichtlich des im Süden des Anwesens der Antragstellerin gelegenen Hauptteils des geplanten Einkaufsmarktes als auch hinsichtlich des im Westen des Anwesens der Antragstellerin sich erstreckenden Anbaus der Fall. Nur in seltenen Ausnahmefällen könne trotz Einhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen Abstandsflächen eine Rücksichtslosigkeit des Bauvorhabens gegenüber benachbarten Grundstücken bestehen. Das sei insbesondere dann anzunehmen, wenn die baulichen Dimensionen des Bauvorhabens derart übermächtig seien, dass es eine erdrückende Wirkung auf das Nachbargebäude habe, oder das Bauvorhaben das Nachbargrundstück regelrecht abriegele, das heißt dort ein Gefühl des „Eingemauertseins“ hervorrufe.
Hier halte sich die Höhe des genehmigten Gebäudes von 6,86 bis 7,10 m mit dem Hauptteil und 5,02 bis 5,31 m mit dem Nebengebäude innerhalb des in der näheren Umgebung vorgegebenen Rahmens. Denn dieser werde durch zweigeschossige Wohnhäuser geprägt, wozu auch das Anwesen der Antragstellerin zähle, deren Haus eine Firsthöhe von 10,23 m aufweise. Dass das Bauvorhaben der Beigeladenen L-förmig an zwei Grundstücksseiten – sowohl im Süden als auch im Westen – an das Anwesen der Antragstellerin heranrücke, rechtfertige ebenfalls noch nicht die Annahme einer „erdrückenden“ und deshalb unzumutbaren Wirkung. Eine erdrückende Wirkung liege nicht schon dann vor, wenn die bisherigen Verhältnisse durch eine bauliche Verdichtung nachteilig verändert würden. Denn eine solche Veränderung der überkommenen Grundstückssituation finde im Rahmen der Innenentwicklung der Städte vielfach statt und sei vom Bauplanungsrecht zwecks schonenden Umgangs mit Grund und Boden und vorrangiger Nachverdichtung ausdrücklich gewollt. Im vorliegenden Fall sei die Wirkung des Neubauvorhabens der Beigeladenen hinsichtlich der Südseite des Anwesens der Antragstellerin schon dadurch gemindert, dass die 5,20 m breite Freifläche zu einem großen Teil mit einem hohen Carport überbaut und im Übrigen durch eine ca. 2 m hohe Sichtschutzwand abgegrenzt sei. Ferner habe die Antragstellerin dort mit einer Fortsetzung der straßenseitigen Bebauung in einer ihrem eigenen Haus entsprechenden Höhe rechnen müssen. Hinsichtlich der westlich des Grundstücks gelegenen Freifläche habe die Antragstellerin ebenfalls nicht erwarten dürfen, dass der jetzige Zustand bestehen bleiben würde. Auch an dieser Stelle würde sich die Errichtung etwa von Einfamilienhäusern in der Höhe des Anwesens der Antragstellerin ohne weiteres in die Eigenart der näheren Umgebung einfügen. Verglichen mit einer solchen Bebauung erscheine die optische Präsenz des Nebengebäudes zum Einkaufsmarkt weniger massiv. Zwar erstrecke sich dieser Gebäudeteil über eine Länge von 33,27 m und damit über das Grundstück der Antragstellerin hinaus nach Norden. Jedoch bleibe er mit einer Höhe von 5,02 m bis 5,31 m deutlich hinter der Höhe des Anwesens der Antragstellerin und der Nachbargebäude zurück. Gegen eine Rücksichtslosigkeit des Bauvorhabens der Beigeladenen zu Lasten der Antragstellerin spreche zudem, dass sie von den lärmintensiven Begleiterscheinungen der Einzelhandelsnutzung (Anlieferungs- und Kundenverkehr, Gebäudelüfter) durch die genehmigten Gebäude vollständig abgeschirmt werde. Ferner sei sie von Einsichtsmöglichkeiten auf ihr Grundstück von Seiten der genehmigten Bebauung verschont.
Beschluss vom 27. April 2015, Aktenzeichen: 8 B 10304/15.OVG