Brühl / Heidelberg – Wenn der meteorologische Frühling naht, nimmt alljährlich die vom Land Baden-Württemberg betriebene Fähre, die zwischen Brühl und der Kollerinsel verkehrt, den Fährbetrieb mit dem linksrheinischen Ufer wieder auf (ab Mittwoch, 17.03.2021). Derzeit wird viel zum Thema Kollerfähre und deren Ende des Jahres 2021 auslaufende Finanzierung durch das Land Baden-Württemberg in den Zeitungen spekuliert. Der Fährbetrieb muss nach Ansicht von Landrat Stefan Dallinger auch in Zukunft in Regie des Landes beibehalten werden. Denn die als hoheitlich-öffentlich-allgemein zu sehende Rheinquerung hat nicht nur eine vielhundertjährige Geschichte. Vielmehr war die heutige Landesstraße L 630 mit der zugehörigen Kollerfähre immer eine wichtige Verkehrsverbindung zwischen zwei Ländern.
Wie historische Nachforschungen des Kreisarchivs Rhein-Neckar-Kreis ergaben, darf nämlich die Kollerfähre heute nicht nur als alleiniges Fahrmittel zur Kollerinsel gesehen werden, sondern sie war und ist immer Teil bzw. Glied eines länderübergreifenden Verkehrsweges. Dabei befand sich die Rheinquerung ursprünglich gar nicht an der heutigen Stelle. Sie entstand erst durch die Verlegung des seit mehreren Jahrhunderten bestehenden Rheinübergangs zwischen den Gemeinden Ketsch und Otterstadt als unmittelbare Folge der Rheinbegradigung 1833. Die Rhein-korrektion durch Tulla veränderte die Wegebeziehungen und es war, nachdem Ketsch nun zu weit vom regulären Flussbett entfernt lag, notwendig, die topografisch-infrastrukturellen Bedingungen anzupassen.
Hierzu waren einerseits auf badischer Seite intensive Voruntersuchungen und Gutachten der Behörden von Kreisregierung Mannheim, Bezirksamt Schwetzingen, Hofdomänenkammer Karlsruhe, Domänenverwaltung Mannheim, Domänenverwaltung Heidelberg, Wasser- und Straßenbauinspektion Mannheim bis hin zur Oberdirektion Wasser- und Straßenbau Karlsruhe notwendig. Andererseits brauchte es die Übereinkunft mit der bayerischen Regierung des Rheinkreises in Speyer, die sich auf der Grundlage der Abkommen mit Baden zur Rheinbegradigung am 10. Juli 1834 offiziell verpflichtet hatte, einen Verbindungs- bzw. Fahrweg von Otterstadt zur Rheinüberfahrt anzulegen, „um durch zweckmäßige Verlegung der besagten (Ketscher) Überfahrt nach Brühl die Communication der zwischen Speyer und Mannheim gelegenen Orte herzustellen und für die Folge zu sichern.“ Auf dieser Grundlage erfolgte der knappe Erlass des großherzoglichen Ministeriums der Finanzen vom 5. August 1834, mit dem es die nachgeordnete Hofdomänenkammer zur Verlegung der „aerarischen Rheinüberfahrt“ anwies. („Gr[oßherzoglicher] Hofdomainenkammer unter Wiederanschluß der Acten zu erwidern: Die als notwendig erkannte Verlegung der seither bei Ketsch bestandenen ärarischen Rheinüberfahrt nach Brühl wurde genehmigt und zugleich dorthin überlassen, zur Ausführung derselben in der angetragenen Weise die nötige Einleitung zu treffen“.)
Bis die Rheinüberfahrt, in den Quellen immer wieder als „fliegende Brücke“ bezeichnet, reibungslos funktionierte, gingen weitere Jahre ins Land. Auf badischer Seite war der neue Weg zum Überfahrtspunkt herzurichten, die Wiesenbesitzer (nicht alles für die Straße benötigte Land gehörte dem Staat) zu entschädigen, das „Geschirr“ (die zur Überfahrt notwendigen Nachen und Seile etc.) vom alten Ketscher Übergang nach Brühl zu transferieren und neue Pächter für die Inbetriebnahme „der Fahrt“ mussten gefunden werden. Auf bayerischer Seite verzögerte sich die zugesagte Einrichtung des Fahrweges von Otterstadt an den Überfahrtspunkt aus verschiedenen Gründen immer wieder. Doch sollte die Rheinüberfahrt mittelfristig dazu dienen, den Warenverkehr zwischen Bayern und Baden nach der Gründung des Zollvereins, der die bis dahin bestehenden Binnengrenzen abschaffte, zu beleben. Gleichfalls war aber das Interesse der Domänenverwaltung, die die Kollerinsel bewirtschaftete, groß, kurze Wege zu links- und rechtsrheinischen Absatzmärkten offenzuhalten. Zwar verlagerten sich später die Güterverkehre teils auf die neuen Rhein-Dampfschiffe sowie die Eisenbahn, auch über die Wege von Brühl an die Überfahrtsstelle gab es divergierende Ansichten. Trotzdem hielt das badische Finanzministerium 1863 in einer Art Kompromiss fest, dass zwar der ursprüngliche Weg kein öffentlicher mehr war, aber „die fliegende Fähre über den Rheindurchschnitt weiterhin eine öffentliche Überfahrtsanstalt“ blieb, zu der hin alle anderen vorhandenen Feldwege frei von allen genutzt werden konnten, die auf das rheinbayerische Ufer übersetzen wollten.
Interessanterweise wurde in der Folge seitdem oft nur noch verkürzend von der Kollerfähre gesprochen. Der lange Zeit gebräuchliche Terminus der „fliegenden Brücke“ trat in den Hintergrund, besonders als zu Beginn des 20. Jahrhunderts weitere leichte Bedeutungswechsel infolge neu hinzukommender Nutzungen vorkamen. Die Forst- u. Domänendirektion (Nachfolgerin der Hofdomänenkammer) gründete 1903 mit drei Brühler Ziegeleibesitzern vertraglich eine Fährgenossenschaft, die bis zum Ende des Ersten Weltkriegs bestand. Überwiegend wurde die Fähre nun zum Transport von Ton genutzt. Die Domänenverwaltung hatte aber nach wie vor das Eigentum an der Fähre, zahlte notwendige Reparaturen und die großherzogliche Regierung erließ den wirtschaftlich darniederliegenden Firmen gegen Ende des Krieges die anteiligen Kostenverpflichtungen. Gleichwohl war die uneingeschränkte, allgemeine Rheinüberfahrt für Dritte nach Tarif noch immer möglich. Gleiches gilt auch für die Zeit während des Zweiten Weltkriegs und die Nachkriegszeit bis heute.
Bereits durch die Inbetriebnahme der neuen Koller-Überfahrt im Dezember 1835, die auf der Grundlage und in Umsetzung des Erlasses vom 5. August 1834 erfolgte, wurde diese neue Koller-Überfahrt schlüssig als Bestandteil der Wegeverbindung von Otterstadt nach Brühl und weiter nach Schwetzingen gewidmet. Auf dieser verläuft heute die Landesstraße L 630. Die Zuständigkeit für die Unterhaltung der Koller-Überfahrt lag im Jahr 1835 und danach stets bei der öffentlichen Hand. Daher war die Kollerfähre schon vor dem Inkrafttreten des baden-württembergischen Straßengesetzes am 01.07.1964 Bestandteil der Straßenverbindung im Zuge der jetzigen L 630. Hieran hat sich bis heute nichts geändert. So ist es nur folgerichtig, dass in der zentralen Bauwerksdatenbank der Straßenbauverwaltung die Fähre mit einer eigenen Bauwerksnummer verzeichnet und dort das Land Baden-Württemberg als Baulastträger aufgeführt ist.
Anm.: Für diese geschichtliche Untersuchung hat das Kreisarchiv alles an relevanten Quellen und Literatur eingesehen, sowohl im Landesarchiv Baden-Württemberg – Generallandesarchiv Karlsruhe wie im Landesarchiv Speyer.