Mainz – Offener Brief des Landessportbundes & der regionalen Sportbünde im Land: „Der erneute Lockdown im Sport ist das falsche Signal“
Es war der 3. März, als es auch im rheinland-pfälzischen Sport einen Hoffnungsschimmer zu geben schien. Mit einem klaren Perspektivplan hatten damals Bund und Länder deutlich gemacht, dass der Amateursport in Deutschland bald wieder starten könnte. Umgesetzt wurde dies so auch in der 17. Corona-Bekämpfungsverordnung der rheinland-pfälzischen Landesregierung. Zwei Wochen später hat die „dritte Corona-Welle“ die Hoffnungen wieder zunichte gemacht. Bei den neuerlichen Bund-Länder-Beratungen am gestrigen Montag, aber auch schon am vergangenen Wochenende in der für den Landessportbund sehr überraschend – eine Woche vorher als ursprünglich angekündigt – veröffentlichten 18. CoBeLVO zeigte sich klar: Es gibt nicht nur ein Stoppschild für ursprünglich mal angedachte Öffnungsschritte, sondern bereits deutliche Einschränkungen ab einer regionalen Inzidenz von über 50 und damit in nahezu allen 36 Kreisen und kreisfreien Städten im Land.
Die neue rheinland-pfälzische Verordnung sowie die beiden dazugehörigen Muster-Allgemeinverfügungen der Städte und Landkreise haben im organisierten Sport für Unverständnis gesorgt. Dass der organisierte Sport erneut (die 17. CoBeLVO nehmen wir ausdrücklich von dieser Kritik aus) nicht oder nicht rechtzeitig informiert war, nehmen wir mit Verwunderung zur Kenntnis. Wir bitten die Landesregierung ausdrücklich und fordern sie auf, uns zukünftig in die Gestaltung der auf den Sport bezogenen Paragraphen mit einzubeziehen und uns frühzeitig über ein Erscheinen neuer Verordnungen in Kenntnis zu setzen. Nur so können wir unserer Aufgabe als Interessenvertreter von 6.000 Sportvereinen und fast 1,4 Millionen Mitgliedern gerecht werden und unserer Aufgabe der Beratung von Vereinen und Verbänden nachkommen.
Der organisierte Sport hat die jeweiligen Regelungen in den letzten Monaten immer solidarisch mitgetragen. Mit den jetzt getroffenen Regelungen zum organisierten Sporttreiben bei höheren Inzidenzzahlen (> 50 bzw. > 100) sind wir nicht einverstanden. Vielmehr verweisen wir auf die bereits mehrfach in Gesprächen geäußerte bzw. schriftlich kommunizierte Minimalforderung, dass im Vereinssport fünf Personen plus Trainer aus verschiedenen Haushalten im Freien und unter strikter Einhaltung der Abstandsregel Sport treiben können. Diese Möglichkeit – flankiert von mittlerweile erprobten und bewährten Hygienekonzepten auch mit Hinweisen zum Verhalten vor und nach der Trainingseinheit – birgt auch nach Ansicht von Experten keine systematischen Infektionsrisiken.
Vier Argumente führen wir hierzu an:
1. Wenn wir das Sporttreiben in „nicht organisierter Form“ beobachten, fällt auf, dass Spielplätze, Bolzplätze, Parkanlagen, Laufstrecken u.v.m. rege und meist ohne Regeleinhaltung genutzt werden. Auch das Laufen, Walken und Radfahren in nicht organisierten Gruppen findet oft gegen die bestehenden Regeln statt. Wir im organisierten Sport haben die Möglichkeit, einen geordneten Sportbetrieb anzubieten. In vielen Jahrgängen sind 60 bis 70 Prozent der Kinder und Jugendlichen im Sportverein. Fazit: Eine Möglichkeit organisierten Sporttreibens vermindert den Anteil nicht regelkonformen unorganisierten Sporttreibens.
2. Das regelmäßige Sporttreiben im Freien unter Anleitung fördert die Gesundheit, insbesondere ein starkes Immunsystem, die Psyche etc. Auch in diesem Sinne ist ein minimales Sportangebot hilfreich für alle.
3. Es gibt immer wieder Bereiche außerhalb des Sports, in denen Settings sogar mit höheren Risiken ermöglicht werden. Aktuelles Beispiel ist der Unterricht in Schulen, bei dem die Schüler über lange Zeit in geschlossenen Räumen zusammen sitzen. Die Wege in die Schule und nach Hause sind Quell einer Vielzahl von Kontakten teils ohne Maske und teils ohne Einhaltung des Abstandsgebots. Zudem weisen wir darauf hin, dass auch die Benachteiligung des Breitensports gegenüber dem Rehasport nicht angemessen erscheint.
4. Wir beobachten eine immer geringer werdende Bereitschaft der Bevölkerung, Regeln einzuhalten. Wir beobachten auch, dass die Regeleinhaltung kaum kontrolliert wird bzw. kontrollierbar ist. Die ständig wechselnden Regeln und deren Komplexität leisten ebenfalls einen Beitrag zur „Ermüdung“. Wir sind der Meinung, dass die Aufrechterhaltung eines minimalen Sportangebots auch bei sehr hohen Inzidenzzahlen in konstanter Form einen Beitrag zur grundsätzlichen Zufriedenheit und Lebensfreude leisten würde.
Fazit:
Leider fällt der Sport sowohl bei den jüngsten Beschlüssen der Ministerpräsidentenkonferenz als auch in der aktuellen Corona-Bekämpfungsverordnung des Landes trotz seines Stellenwertes für die Gesundheit, für die Psyche, die Entwicklung unserer Kinder und für ein mehr an Lebensfreude hinten runter. Offensichtlich haben die teils dramatischen Statistiken sinkender Mitgliederzahlen insbesondere bei Kindern und Jugendlichen, gepaart mit zahlreichen wissenschaftlichen Expertisen über die negativen Auswirkungen der angeordneten Bewegungsarmut auf Körper und Geist bei den politischen Entscheidungsträger letztlich doch weniger Gehör gefunden als zunächst seitens des Landessportbundes Rheinland-Pfalz erhofft.
Lange Zeit hat der rheinland-pfälzische Sport die getroffenen Maßnahmen solidarisch mitgetragen. Wir haben konstruktiv für die ersten Lockerungsschritte Anfang März gekämpft, wohl wissend, dass der Sport – insbesondere im Außenbereich – kein Pandemietreiber war oder ist. Das Verständnis für die jetzigen Schritte zurück zur verordneten Bewegungsarmut können wir weder nachvollziehen noch tragen wir sie politisch mit.
Der Sport, unsere Vereine, die Übungsleiter, Trainer, Eltern und Sportler haben im vergangenen Sommer bewiesen, dass wir gemeinsam mit einem sehr verantwortungsbewussten Umgang mit den Lockerungen und überzeugenden Hygienekonzepten einen immens wichtigen Beitrag zur Bewältigung der Pandemie leisten können. Jetzt wird in Kauf genommen, dass sich auf Bolzplätzen, Spielplätzen oder im privaten Raum Kinder, Jugendliche und auch junge Erwachsene treffen – fernab von Regeln, fernab einer Betreuung durch Übungsleiter oder Trainer, fernab von mittlerweile erprobten und ausgereiften Hygienekonzepten – und so sicherlich nicht der Teil der Lösung, sondern eher Teil des Problems der Pandemie werden.
Die Verbände und Vereine haben längst verstanden, dass es bei der Öffnung des Sports aktuell nicht um Leistung, Wettkampf, Punkte, Zeiten und Weiten geht. Teilweise sind die restlichen Spieltage der Ligen und Runden längst abgesagt. Es geht um die Rolle des Sports als soziale Tankstelle unserer Gesellschaft. Mit der jetzigen Entscheidung kann der Sport dieser Rolle nicht mehr gerecht und der viel zitierte TEIL der LÖSUNG dieser schrecklichen Pandemie werden.
Dem organisierten Sport ist bewusst, dass nach den Corona-Gipfeln in fast allen Bundesländern immer wieder länderspezifische Wege eingeschlagen wurden. Daher fordern wir, dass schnellstmöglich eine konsolidierte Fassung zur 18.CoBeLVO die aufgezeigten Mängel beheben sollte.
Mainz, 23.03.2021
Die Mitglieder des Präsidiums des Landessportbundes Rheinland-Pfalz