Neustadt an der Weinstraße – Die durch eine Allgemeinverfügung der Stadt Speyer vom 25. März 2021 eingeführten Beschränkungen des Speyerer Einzelhandels bleiben – ebenso wie die Beschränkungen in Pirmasens vorerst bestehen. Dies geht aus einem Beschluss des Verwaltungsgerichts Neustadt/Wstr. vom 20. April 2021 hervor.
Die Antragstellerin ist Inhaberin mehrere Textil- und Schuhgeschäfte in Speyer. Wegen einer an mehreren Tagen in Folge auf einen Wert von über 100 gestiegenen 7-Tages-Inzidenz erließ die Stadt Speyer (im Folgenden: Antragsgegnerin) Mitte März 2021 eine Allgemeinverfügung mit Beschränkungen für die ortsansässigen gewerblichen Einrichtungen. Die daraufhin von der Antragsgegnerin mit Wirkung vom 25. März 2021 bis zum 25. April 2021 erlassene Allgemeinverfügung sah u.a. in Nr. 3 Folgendes vor:
„Gewerbliche Einrichtungen sind, soweit im Folgenden nichts Abweichendes bestimmt ist, für den Kundenverkehr geschlossen. Abhol-, Liefer- und Bringdienste gewerblicher Einrichtungen sind nach vorheriger Bestellung unter Beachtung der allgemeinen Schutzmaßnahmen zulässig. Abweichend von Satz 1 dürfen gewerbliche Einrichtungen öffnen, wenn nach vorheriger Vereinbarung Einzeltermine vergeben werden, bei denen ausschließlich Personen, die demselben Hausstand angehören, zeitgleich Zutritt zu der Einrichtung gewährt wird. ….“
Von der Schließung ausgenommen wurden bestimmte Betriebe, u.a. Buchhandlungen. In den von der Schließung ausgenommenen Betrieben wurden Mischsortimente unter der Voraussetzung zugelassen, dass das weitere Waren- oder Dienstleistungsangebot nicht den Schwerpunkt des Verkaufssortiments oder Angebots bildet.
Die Antragstellerin legte gegen die Allgemeinverfügung Widerspruch ein und suchte am 07. April 2021 mit der Begründung um vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutz nach, die Allgemeinverfügung sei rechtswidrig.
Die 5. Kammer des Gerichts hat den Eilantrag der Antragstellerin mit folgender Begründung abgelehnt:
Die Nr. 3 der Allgemeinverfügung der Antragsgegnerin vom 25. März 2021 fuße auf einer wirksamen gesetzlichen Grundlage. Es bestünden zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts allerdings Zweifel an der Verhältnismäßigkeit der angeordneten Betriebsbeschränkungen. So habe die Kammer Bedenken, ob die Beschränkung des Zugangs zu Gewerbebetrieben dahingehend, dass sie für den Kundenverkehr geschlossen seien, bzw. nur geöffnet werden dürften, wenn nach vorheriger Vereinbarung Einzeltermine vergeben würden, bei denen ausschließlich Personen, die demselben Hausstand angehörten, zeitgleich Zutritt zu der Einrichtung gewährt werde, zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts noch erforderlich sei. Die Antragsgegnerin wäre hier insbesondere gehalten, zumindest zu erwägen, ob die Pflicht zur Vorlage eines negativen Tests auf das Vorliegen des Corona-Virus SARS-CoV-2 als milderes Mittel gleicher Effektivität in Frage komme, was sie aber bisher versäumt habe. Anders als noch im Zeitpunkt des Beschlusses der Kammer vom 5. April 2021 – 5 L 334/21.NW – (s. Pressemitteilung Nr. 11/21) sei die Testpflicht auch tatsächlich umsetzbar, denn mittlerweile seien genügend Testkapazitäten bei den Testzentren des Landes vorhanden und es gebe ausreichend Tests auf dem Markt zu erwerben. Zudem habe im Nachgang zum o.g. Beschluss der Kammer die Bundesregierung am 13. April 2021 und 19. April 2021 einen Gesetzesentwurf zur Ergänzung des Infektionsschutzgesetzes ins Parlament eingebracht. Darin seien Ermächtigungen vorgesehen, Erleichterungen oder Ausnahmen zuzulassen, u.a. für Personen, bei denen von einer Immunisierung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 auszugehen sei oder die ein negatives Ergebnis eines Tests auf eine Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 vorlegen könnten. Auch in der aktuellen Corona-Bekämpfungsverordnung Rheinland-Pfalz (18. CoBeLVO) sei eine Testpflicht als Voraussetzung für die Öffnung der Außengastronomie und für die Inanspruchnahme körpernaher Dienstleistungen vorgesehen. Die Kammer vermöge im Augenblick aber noch nicht zu entscheiden, ob die Vorlage eines negativen Antigentestergebnisses definitiv auch ein milderes Mittel gleicher Effektivität im Verhältnis zu den weitgehenden Zugangsbeschränkungen zu den Einzelhandelsgeschäften der Antragstellerin in Nr. 3 der Allgemeinverfügung der Antragsgegnerin vom 25. März 2021 sei. Es gebe aus medizinischer Sicht noch keine Gewissheit darüber, wie verlässlich Corona-Antigentests tatsächlich seien und inwiefern sie andere Schutzmaßnahmen entbehrlich machten. Aktuell liefen bundesweit Pilotprojekte, um eine bessere Datengrundlage hinsichtlich der Antigentests zu schaffen. Dass sich die Datenlage zunächst noch stabilisieren müsse, um tatsächlich auf allen Ebenen Erleichterungen gerade für Personen mit einem negativen Antigentest schaffen zu können, zeige sich auch am aktuell diskutierten Gesetzesentwurf hinsichtlich der Ergänzung des Infektionsschutzgesetzes.
Die Kammer verkenne nicht, dass es sich bei den in Nr. 3 der Allgemeinverfügung angeordneten Betriebsbeschränkungen um erhebliche Eingriffe in die Rechte der Antragstellerin aus Art. 12 GG handele. Insbesondere das sog. „Terminshopping“ sei lediglich ein Scheinersatz für die Betriebsschließung. Dennoch ergebe eine Folgenbetrachtung ein Überwiegen des Vollzugsinteresses, denn es stehe außer Frage, dass die aktuelle Infektionslage ein Tätigwerden über die Regelungen der 18. CoBeLVO hinaus gebiete. Die Rechtslage werde sich darüber hinaus mit Inkrafttreten des Vierten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite grundlegend ändern.
Gegen den Beschluss ist das Rechtsmittel der Beschwerde zum Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz zulässig.