Mannheim – Der Verwaltungsgerichtshof (VGH) hat mit Beschluss von heute einem Eilantrag gegen die fortdauernde Schließung von Spielhallen stattgegeben.
Der Betrieb von Spielhallen ist in Baden-Württemberg seit dem 2. November 2020 aufgrund der infektionsschutzrechtlichen Bestimmungen in der Corona-Verordnung der Landesregierung untersagt. Auch in den sog. Öffnungsstufen 1 bis 3, die für zahlreiche Betriebe und Veranstaltungen bei einer dauerhaften 7-Tage-Inzidenz von unter 100 und einer sinkenden Tendenz der Infektionszahlen weitere „Lockerungen“ regeln (§ 21 Abs. 1, 2 und 3 der Corona-Verordnung), ist eine Öffnung der Spielhallen nicht vorgesehen. Hiergegen wandte sich die Betreiberin mehrerer Spielhallen aus dem Landkreis Sigmaringen (Antragstellerin) mit einem Eilantrag. Sie brachte vor, das landesweite, pauschale Betriebsverbot für Spielhallen ohne Öffnungsperspektive sei ein rechtswidriger Eingriff in ihre Grundrechte.
Die Landesregierung (Antragsgegner) trat dem Antrag entgegen und machte geltend, sie werde auf der Grundlage der mit den bisherigen Öffnungen gesammelten Erfahrungen die Regelung in § 21 CoronaVO in der Woche ab dem 31. Mai 2021 anpassen. Die konkreten Inhalte der Änderungsverordnung seien derzeit noch Gegenstand von internen Abstimmungen. Derzeit plane die Landesregierung, Spielhallen und Wettvermittlungsstellen im Rahmen der Öffnungsstufe 2 aufzugreifen. Der VGH habe einen Antrag der Antragstellerin zuletzt mit Beschluss vom 4. März 2021 abgelehnt. Diese Rechtsprechung lasse sich auf den vorliegenden Fall übertragen. Das Infektionsgeschehen habe sich seit dem 4. März 2021 nicht wesentlich verbessert.
Der 1. Senat des VGH gab dem Eilantrag statt. Mit dem Beschluss von heute setzte er § 15 Abs. 1 Nr. 1 der Corona-Verordnung vom 13. Mai 2021, soweit die Vorschrift Spielhallen betrifft, mit Wirkung vom 7. Juni 2021 vorläufig außer Vollzug.
Zur Begründung führt der 1. Senat aus, das seit dem 2. November 2020 bestehende Verbot des Betriebs von Spielhallen sei inzwischen unverhältnismäßig. Das Infektionsgeschehen habe sich entgegen dem Vorbringen des Antragsgegners seit dem 4. März 2021 wesentlich verbessert. Zwar könnten aufgrund der nach wie vor bestehenden Infektionslage weiterhin normative Maßnahmen zur weiteren Eindämmung der Pandemie erfolgen. Der Eingriff in die Berufsfreiheit der Antragstellerin wiege jedoch außerordentlich schwer, da es sich um ein Totalverbot handele, das in aller Regel keine Ausnahmen zulasse. Es sei nicht erkennbar, dass die Öffnung von Spielhallen bei Einhaltung der für andere Betriebe bereits geltenden Hygiene- und Abstandsvorgaben zu besonders gesteigerten Infektionsgefahren führen oder sich solche Einrichtungen gar zu „Superspreadern“ entwickeln könnten. Als angemessene Maßnahmen kämen beispielsweise normative Vorgaben zur Aufstellung und Umsetzung von nachprüfbaren Hygienekonzepten sowie zur Erfassung von Kundendaten in Betracht. Der Antragsgegner müsse sich zwar voraussichtlich nicht dazu gedrängt sehen, Spielhallen in die sog. Öffnungsstufe 1 aufzunehmen. In diese habe er voraussichtlich ohne Gleichheitsverstoß und im Übrigen rechtsfehlerfrei vor allem Veranstaltungen im Freien und solche mit be- sonderer sozialer, gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Bedeutung im Rahmen des Stufenkonzepts aufgenommen. Denkbar sei aber eine Aufnahme von Spielhallen in den Bereich der sog. Öffnungsstufe 2.
An der Unverhältnismäßigkeit des Totalverbots ändert auch der Umstand nichts, dass sich die Landesregierung grundsätzlich für ein stufenweises Vorgehen entscheiden könne, um im Rahmen einer engmaschigen Kontrolle zu beobachten, wie sich einzelne Öffnungsschritte auf das Infektionsgeschehen auswirkten. Denn sie habe fortlaufend zu prüfen, ob Grundrechtseingriffe auch weiterhin gerechtfertigt oder aufzuheben seien. Dieser Pflicht werde die Landesregierung nicht mehr gerecht, wenn sie auf seit März und verstärkt seit Mitte April 2021 zu verzeichnende, erhebliche Verbesserungen des Infektionsgeschehens auch bis Anfang Juni 2021 noch nicht durch konkrete Maßnahmen reagiere, sondern sich auf der Grundlage der unzutreffenden Sachverhaltsannahme, das Infektionsgeschehen habe sich nicht wesentlich gebessert, auf eine im zeitlichem Rahmen vage, im konkreten Inhalt noch nicht absehbare und unter dem Vorbehalt von noch ausstehenden „internen Abstimmungen“ stehende Ankündigung von erst künftigen möglichen Änderungen der Verordnung beschränke.
Der Beschluss des VGH ist unanfechtbar (1 S 1692/21).