Karlsruhe – In seiner öffentlichen Sitzung am 8. und 9. Juli 2021 hat der Bundeswahlausschuss entschieden, welche Vereinigungen nach seiner Prüfung als wahlvorschlagsberechtigte Parteien für die Wahl zum 20. Deutschen Bundestag anzuerkennen seien. Gegen die Nichtanerkennung haben zwanzig Vereinigungen Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht erhoben.
Das Bundesverfassungsgericht prüft im Rahmen des Beschwerdeverfahrens im Wesentlichen, ob eine Vereinigung den formellen Anforderungen an die Beteiligungsanzeige nach § 18 Abs. 2 BWahlG genügt hat und ob ihr die Eigenschaft einer Partei im Sinne des Art. 21 Abs. 1 GG, § 2 Abs. 1 PartG zukommt. Für letzteres ist grundsätzlich maßgeblich, ob die Gesamtwürdigung der tatsächlichen Verhältnisse den Schluss zulässt, dass die Vereinigung ernsthaft ihre erklärte Absicht verfolgt, an der politischen Willensbildung des Volkes mitzuwirken.
In neunzehn Verfahren blieben die Nichtanerkennungsbeschwerden nach heute veröffentlichten Beschlüssen des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts erfolglos. Die Deutsche Kommunistische Partei (DKP) wurde hingegen als wahlvorschlagsberechtigte Partei für die Wahl zum 20. Deutschen Bundestag anerkannt (2 BvC 8/21).
Die Nichtanerkennungsbeschwerden waren in fünfzehn Verfahren bereits unzulässig.
1. Die Beschwerden der Vereinigungen Jesusparty – Partei des Evangeliums (2 BvC 1/21), Bundeszentralrat der Schwarzen in Deutschland (ZRSD) (2 BvC 2/21), Allianz Zukunft (2 BvC 3/21), Bündnis der Generationen – Rentner und Familie (2 BvC 6/21) und der KaiPartei (2 BvC 15/21) genügten nicht den Begründungsanforderungen.
2. Die Beschwerden der Vereinigungen Partei Aktive Demokraten Deutschland (2 BvC 11/21), Anarchistische Pogo-Partei Deutschlands (APPD) (2 BvC 12/21), Grundeinkommen für Alle (GFA) (2 BvC 16/21), Klimaschutzpartei (KSP) (2 BvC 17/21), Undeutscher Verein (2 BvC 18/21), MenschenRechte 100pro (2 BvC 19/21) und Deutsche Friedensunion (DFU) (2 BvC 20/21) wurden jedenfalls verfristet erhoben. Die Vereinigung Klimaschutzpartei (KSK) hatte zwar innerhalb der Frist per E-Mail vom 13. Juli 2021 Beschwerde eingelegt. Die E-Mail erfüllte jedoch nicht das Formerfordernis der Schriftform nach § 23 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG. Das am 14. Juli 2021 um 9:51 Uhr eingegangene Fax der Beschwerdeführerin wahrte die Frist hingegen nicht. Soweit die Vereinigung Grundeinkommen für Alle (GFA) einen überraschend langen Postweg ihrer Beschwerde zum Bundesverfassungsgericht belegte, kommt im besonders beschleunigt zu betreibenden Verfahren der Nichtanerkennungsbeschwerde eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht in Betracht.
3. Die Beschwerden der Vereinigungen Allianz Vielfalt & Mitbestimmung (2 BvC 4/21) und Bündnis GRAL – Ganzheitliches Recht auf Leben (2 BvC 5/21) genügten nicht den Begründungsanforderungen und waren darüber hinaus auch deshalb unzulässig, weil sie mangels ordnungsgemäßer Vertretung nicht wirksam anhängig gemacht worden waren.
4. Das Bündnis für Innovation & Gerechtigkeit (BIG) verfügte nicht über das erforderliche Rechtsschutzinteresse (2 BvC 14/21). Durch Schreiben an den Bundeswahlleiter vom 8. Juli 2021 hatte der Beschwerdeführer gegenüber diesem die Beteiligungsanzeige an der Wahl zurückgenommen und seinen Wählerinnen und Wählern empfohlen, eine andere, bereits zugelassene Partei bei der kommenden Bundestagswahl zu wählen. Damit entfällt das Interesse des Beschwerdeführers an der Feststellung, als Partei mit eigenen Wahlvorschlägen an der Wahl zum 20. Deutschen Bundestag teilnehmen zu können.
In vier Verfahren waren die Beschwerden jedenfalls unbegründet.
1. Der Vereinigung Die Natürlichen e.V. (2 BvC 7/21) fehlt die Eigenschaft einer wahlvorschlagsberechtigten Partei. Die erforderliche Gesamtwürdigung der tatsächlichen Verhältnisse, insbesondere das Hervortreten in der Öffentlichkeit sowie der Umfang und die Festigkeit der Organisation, lassen nicht erkennen, dass die Beschwerdeführerin in der Lage ist, ernsthaft an der politischen Willensbildung des Volkes im Bund oder in einem Land teilzunehmen.
2. Die Vereinigungen DIE REPUBLIKANER (REP) (2 BvC 9/21) und Die Losfraktion (LOS) (2 BvC 13/21) haben dem Bundeswahlleiter ihre Beteiligung an der Wahl nicht fristgerecht, nämlich gemäß § 18 Abs. 2 Satz 1 BWahlG bis spätestens am siebenundneunzigsten Tage vor der Wahl (21. Juni 2021) bis 18:00 Uhr schriftlich angezeigt.
3. Die Nichtanerkennungsbeschwerde der Vereinigung Deutsche Zentrumspartei – Älteste Partei Deutschlands gegründet 1870 – ZENTRUM wurde zurückgewiesen (2 BvC 10/21). Die Begründung der Entscheidung wird gesondert übermittelt (§ 96d Satz 2 BVerfGG).
Die Nichtanerkennungsbeschwerde der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) im Verfahren 2 BvC 8/21 hatte dagegen Erfolg.
1. Der Bundeswahlausschuss begründete seine Nichtanerkennung der Beschwerdeführerin damit, dass die Kriterien der Parteieigenschaft gemäß § 2 PartG nicht erfüllt seien: Die Vereinigung habe nach Mitteilung des Deutschen Bundestages die Rechtsstellung als Partei verloren, weil sie sechs Jahre lang entgegen der Pflicht zur öffentlichen Rechenschaftslegung gemäß § 23 PartG den jeweiligen Rechenschaftsbericht nicht in einer den gesetzlichen Mindestanforderungen genügenden Form eingereicht habe (§ 2 Abs. 2 Satz 2 PartG).
2. Die zulässige Nichtanerkennungsbeschwerde ist begründet. Die Beschwerdeführerin ist als wahlvorschlagsberechtigte Partei für die Wahl zum 20. Deutschen Bundestag anzuerkennen.
Entgegen der Auffassung des Bundeswahlausschusses tritt der Verlust der Parteieigenschaft nicht bereits ein, wenn eine Partei – wie die Beschwerdeführerin – in einem Zeitraum von sechs Jahren mehrere Rechenschaftsberichte unter Einhaltung der inhaltlichen Mindestanforderungen des § 19a Abs. 3 Satz 5 PartG nicht fristgemäß eingereicht hat. Dies ergibt sich aus einer im Lichte von Art. 21 Abs. 1 GG vorzunehmenden Auslegung von § 2 Abs. 2 Satz 2 PartG. Danach ist die nicht fristgerechte Einreichung des Prüfberichts der Nichteinreichung nicht gleichzustellen und für sich genommen nicht ausreichend, die Rechtsfolge des Verlusts der Parteieigenschaft gemäß § 2 Abs. 2 Satz 2 PartG auszulösen.
Die demnach gebotene Gesamtwürdigung der tatsächlichen Verhältnisse der Beschwerdeführerin, insbesondere des Umfangs ihrer Organisation, der Zahl ihrer Mitglieder und des Hervortretens in der Öffentlichkeit, lassen darauf schließen, dass sie in der Lage ist, ernsthaft an der politischen Willensbildung des Volkes für den Bereich des Bundes oder eines Landes mitzuwirken.