Ludwigshafen – Vor dem Blick voraus, gibt‘s den kurzen Blick zurück: Bei der Saisoneröffnungspressekonferenz der Eulen Ludwigshafen an diesem Dienstag im schmucken Clubhaus des BASF TC an der Weiherstraße ruft Geschäftsführerin Lisa Heßler 16 Monate in Erinnerung, „die uns extrem geprägt haben“. Sie ist Partnern und Fans, Mannschaft, Trainer und Mitarbeitern „wahnsinnig dankbar“ für den „wahnsinnigen Zusammenhalt“ während der Pandemie.
Lisa Heßler: „Das wird die Basis für die Zukunft sein.“ Die sieht die Managerin „geprägt von großer Ungewissheit“ – vor allem was das Ticketing angeht. Niemand weiß in diesen Tagen, wie viele Zuschauer bei der Saisonouvertüre der Zweiten Handball-Bundesliga am 11. September gegen den TV Hüttenberg in der Friedrich-Ebert-Halle zugelassen sein werden. Bis jetzt sind rund 800 Dauerkarten und VIP-Tickets abgesetzt worden. Den gravierenden Unterschied zwischen Erster und Zweiter Bundesliga beziffert Lisa Heßler auf der Einnahmeseite mit einem Minus von 300.000 Euro: „Das ist für uns viel, viel Geld!“ Das Medieninteresse an den Eulen aber ist nach wie vor groß. Das war schon beim Trainings-Aufgalopp so, zur PK sind drei Fernsehteams, ein Hörfunksender, fünf Printjournalisten und ein Fotograf gekommen.
Ein gutes Echo auf Fanseite findet die Nachricht, dass im Sport Deutschland TV alle 38 Eulen-Spiele live und frei empfänglich sein werden, sagt Lisa Heßler. Sie streicht die „soziale Verantwortung“ mit Hinweis auf das Benefizspiel gegen Drittligist HSG Krefeld Niederrhein am Samstag (15.30 Uhr) in der Günter-Braun-Halle heraus. Die Partie ist Teil des Handball-Hilfsprogramms für die Opfer der Hochwasserkatastrophe, die ja auch Rheinland-Pfalz erschüttert hat. Lisa Heßler: „Als wir die Bilder gesehen haben, da war uns klar, dass wir da einfach helfen wollen. Es ist unsere Aufgabe! Wir sehen uns ja auch als Multiplikator für die Stadt und die Region.“ Trainer Ceven Klatt sagt: „Sport ist ein tolles Medium, um zu helfen.“
Die Eulen-Managerin erklärt, dass derzeit eine „eigene Nachhaltigkeitsstrategie“ formuliert werde. „Wir sind ambitioniert“, versichert Heßler, die aber auch die Frage stellt: „Wo wollen wir denn hin?“ Die Fragen gehen aber auch an Stadt und Land: Wo sehen sie den Leistungssport?
Lisa Heßler mag vor dem Start in eine 20 Mannschaften starke Liga nicht von „kurzfristigen Zielen“ sprechen. Sie weiß, dass das mit 38 Saisonspielen „wieder eine sehr intensive“ Runde werden wird. Sie verweist auf die Güteklasse der Konkurrenz: Da sind die drei Bundesliga-Mitabsteiger, das starke Elbflorenz, Bietigheim, Hamm, gerade nochmals verstärkt, Aue oder der VfL Gummersbach, der das Ziel Wiederaufstieg erneut ausgerufen hat. Lisa Heßler, überzeugt von Einstellung und Mentalität des eigenen Kaders, appelliert an die Medien, der „immer noch jungen Mannschaft die notwendige Zeit zu geben“. Sie bewege sich mit ihrem neuen Trainer Ceven Klatt in einer erstklassigen Zweiten Liga „in einem erlesenen Kreis“. Lisa Heßler: „Wir haben auch Bock auf die neue Liga!“ Die wollen die Eulen mit „Demut, Realismus, riesiger Vorfreude und Begeisterung“ angehen. Die „JETZTWIR“-Kampagne stehe für das „extreme Wir-Gefühl“ der Eulen. Heßler: „Wir haben ein außergewöhnliches Wir-Gefühl.“
Ceven Klatt bekam nach tiefgehenden Gesprächen mit der Geschäftsführung und Teammanager Philipp Grimm den Zuschlag. Vertrauen ist die Basis des Zwei-Jahres-Kontrakts für den neuen Cheftrainer. Seit 1. Juli steht der 38-Jährige unter Vertrag, letzten Donnerstag ist er mit dem Team in die Vorbereitung für die Spielzeit 2021/22 gestartet. „Ich fühle ich sehr wohl hier, das Team ums Team macht es mir sehr leicht“, betont der neue Cheftrainer und lobt: „Ich bin auf eine sehr motivierte Mannschaft getroffen.“ So sah Klatt seine Jungs am Samstag beim Box-Training an Grenzen gehen. Die Lauftests – auch auf der 400-Meter-Bahn in Edigheim – setzten die Bereitschaft voraus, sich quälen zu wollen und zu können. Klatts Erkenntnis vor dem ersten „richtigen“ Hallentraining: „Wie man trainiert, so spielt man auch.“
Zwei der vier Eulen-Neuzugänge sind nicht ganz neu, denn Matej Ašanin und Stefan Salger haben schon einmal das Trikot der Eulen getragen. Asanin, 27 Jahre alt, hütete 2019 fünf Monate das Tor der Eulen. Er kam damals als Leihgabe von Sporting Lissabon und wechselte nach dem „Wunder von Ludwigshafen 2.0“ zu RK Zagreb. Salger, der 2,07 Meter große Linkshänder, kam 2018 vom TVB Stuttgart und ging ein Jahr später zu MT Melsungen. Jetzt ist der 24-Jährige zurück.
Žiga Urbič (24), Slowene wie sein Vorgänger Gorazd Skof, kommt vom österreichischen Erstligisten SC Ferlach. Den Weg ging 2019 auch Skof. Bei den Füchsen Berlin ausgebildet wurde Enes Keskic. Der 21 Jahre alte bosnische Nationalspieler bildet auf Linksaußen ein Gespann mit Jannik Hofmann. „Die beste Ausbildung, die man durchlaufen kann, ist bei den Füchsen“, attestiert Lisa Heßler und sieht in Keskic einen Neuzugang, „der perfekt ins Profil passt“. „Enes ist sehr fit“, lobt der Coach, der vom Mann mit der Nummer 11 die absolute Bereitschaft erwartet, um den Platz als Stammkraft zu kämpfen. Dem stellt sich Keskic, der erstmals das Berliner Elternhaus verlassen hat, und sich in der Mannschaft wunderbar integriert sieht. Keskic: „Alle helfen mir!“
Mit Žiga Urbič, dem neuen Schlussmann, hatte Ceven Klatt früh Kontakt. Der Coach weiß, dass Urbič „ein sehr, sehr starkes Jahr“ in Österreich hatte, ein sehr beweglicher, sehr ehrgeiziger Schlussmann ist. Quasi der perfekte Gegenentwurf zum 2,06 Meter langen Ašanin. Dass Urbič sich in einem Jahr in Österreich ein so gutes Deutsch selbst beigebracht hat, imponiert der Geschäftsführerin. Der neue Keeper ist auf alle Fälle Feuer und Flamme für die Aufgabe in Ludwigshafen. Auf die Zusammenarbeit mit Ašanin, einem Kroaten, freut sich der reaktionsschnelle Slowene: „Er ist älter, er ist größer, ich kann viel lernen von ihm …“
Dass sein Spieler wie Matej Ašanin, der in der Champions League spielte, zu den Eulen zurückgekehrt ist, liege im außergewöhnlichen Charakter des Vereins begründet, schwärmt der Coach. Lisa Heßler unterstreicht die große Vorfreude auf Ašanins Rückkehr, aber auch die hohe Erwartungshaltung an den routinierten Torwart. Matej Ašanin ist froh, wieder da zu sein. Er ging am 9. Juni 2019 als Freund und ist nun als Freund zurückgekehrt: „Unvergesslich, was ich hier in der kurzen Zeit erleben durfte …“
Sportlich einen Schritt zurück zu gehen, um wieder voran zu kommen – so klassifiziert Coach Klatt die Rückkehr von Stefan Salger zu den Eulen. Der Trainer: „Ich glaube an seine Qualitäten. Ich glaube, dass er Vertrauen braucht, dass er Spielanteile braucht.“ Gerade in Liga zwei werden die Eulen auch Salgers „einfache Tore brauchen“. Lisa Heßler schreibt dem Heimkehrer eine „zentrale Rolle auch außerhalb des Sportlichen“ zu. Erstmals, sagt Salger lachend, ist er beim Fußballspielen beim Handballtraining in der Mannschaft der Älteren gewesen – ein Indiz für seine Erfahrung, die es nun einzubringen gilt. Salger, der Riese: „Die Zweite Liga ist im Handball wie im Fußball – erstklassig besetzt …“
Für das HLZ Friesenheim-Hochdorf gehen Jan Waldgenbach (20) und Marc-Robin Eisel (22), für die HG Oftersheim-Schwetzingen Tim Schaller (22) in Liga drei an den Start. Die drei Talente besitzen Zweitspielrecht für die Eulen, sollen so oft als möglich mit dem Zweitliga-Kader trainieren und werden nach Einschätzung des Trainers in der Mammutliga auch Einsatzchancen haben. Talente zu fördern sei Teil der Eulen-Philosophie, erläutert die Geschäftsführerin. Das Trio verbinde das Ziel, den Sprung in die Bundesliga schaffen zu wollen. Dazu gehörten Entbehrungen, aber auch Geduld, mahnt Heßler und sieht in Leon Hoblaj, Torwart Nummer drei der Eulen, ein Vorbild auf diesem Weg. Er besitzt Zweitspielrecht fürs HLZ-Team. „Ihr seid hoch talentiert“, ruft der neue Cheftrainer den drei Jungs zu, macht Mut, sich in der Vorbereitung zu zeigen: „Alle haben die gleichen Chancen!“
Halbrechts ist das Revier von Jan Waldgenbach, der in Böhl-Iggelheim wohnt, in Landau Sozialkunde und Sport auf Lehramt studiert. Der Linkshänder kam von der U23 der HSG Wetzlar, wo er drei Jahre mit seinem älteren Bruder Torben spielte. Dem begegnet er entweder am 7. August beim Layenberger-Cup in Dansenberg oder im ersten Drittligaspiel der Saison, wenn das HLZ auf TuS KL-Dansenberg trifft. Dort hat Torben angeheuert. „Die müssen gewinnen, wir wollen gewinnen …“, sagt kleine Bruder. Tim Schaller ist – wie Eisel – vom SV 64 Zweibrücken gekommen, sah sich mit dem normalen Drittliga-Training nicht ausgelastet. So passt es nun perfekt für den Maschinenbaustudenten, der in Mannheim wohnt, an der TU in Kaiserslautern eingeschrieben ist. Die Integration in eine Profimannschaft begeistert den Linksaußen, der auch als Mittelmann einsetzbar ist: „Ich hätte nicht gedacht, dass es so einfach ist!“ So sieht das auch Marc-Robin Eisel, der als Mittelmann und auf Halblinks seine Positionen sieht. Der Ehrgeiz ist da. So müssten die Trainer die Doppelspielrechtler eher bremsen, um nicht zu viel zu machen. Dabei vertraut Eisel, der in Kaiserslautern BWL studiert, in Mundenheim wohnt, ganz dem Austausch zwischen Ceven Klatt und Björn Friedrich, dem Coach des HLZ.