Berlin – Zum 1. Oktober 2021 treten mehrere bedeutsame Gesetze vollständig oder teilweise in Kraft: Das Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches – effektivere Bekämpfung von Nachstellungen und bessere Erfassung des Cyberstalkings sowie Verbesserung des strafrechtlichen Schutzes gegen Zwangsprostitution, das Gesetz zur Verbesserung des Verbraucherschutzes im Inkassorecht und zur Änderung weiterer Vorschriften, das Gesetz zur Änderung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes und das Gesetz für faire Verbraucherverträge.
Bundesjustizministerin Christine Lambrecht erklärt hierzu:
„Die rechtspolitische Bilanz der zu Ende gehenden Legislaturperiode kann sich sehen lassen. Die Gesetze, die zum 1. Oktober in Kraft treten, sind dafür ein Beleg. Sie verbessern den Schutz vor Stalking, schützen die Meinungsfreiheit im Netz, senken die Inkassogebühren und erleichtern die Durchsetzung von Verbraucherrechten. Von diesen Neuerungen werden viele Menschen unmittelbar und konkret profitieren. Und das ist und bleibt für mich das wichtigste Ziel guter Politik.
I. Verbesserung des Schutzes gegen Stalking
Zum 1. Oktober treten die Regelungen zur effektiveren Bekämpfung von Nachstellungen und zur besseren Erfassung des Cyberstalkings in Kraft.
Derzeit muss ein „beharrliches“ Nachstellungsverhalten nachgewiesen werden, das geeignet ist, die Lebensgestaltung des Opfers „schwerwiegend“ zu beeinträchtigen. Diese Voraussetzungen werden abgesenkt. Im Gesetzestext wird das Wort „beharrlich“ durch „wiederholt“ und das Wort „schwerwiegend“ durch „nicht unerheblich“ ersetzt.
Zudem dient das Gesetz der Bekämpfung von digitalem Stalking. Über sogenannte Stalking-Apps oder Stalkingware können Täter unbefugt auf Social-Media-Konten oder Bewegungsdaten von Opfern zugreifen und so deren Sozialleben ausspähen. In anderen Fällen täuschen Täter die Identität ihres Opfers vor und legen in sozialen Medien Konten an, über die sie Bilder oder Nachrichten veröffentlichen. Diese Handlungen werden durch das Gesetz konkret erfasst.
Der Strafrahmen wird weiterhin eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe vorsehen. Zugleich sieht das Gesetz aber eine Neuregelung für besonders schwere Fälle vor, bei denen eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren ausgesprochen werden kann. Hierzu sollen u. a. Fälle von Nachstellungen über längere Zeiträume oder Taten gehören, durch die der Täter eine Gesundheitsschädigung des Opfers oder einer dem Opfer nahestehenden Person verursacht. Ebenso soll es als besonders schwerer Fall gelten, wenn der Täter über 21 und das Opfer unter 16 Jahre alt ist.
Bundesjustizministerin Christine Lambrecht erklärt hierzu:
„Stalking ist fürchterlicher Psychoterror, der sich nicht selten über einen langen Zeitraum hinzieht. Stalker verfolgen, belästigen und bedrohen Menschen oft Tag und Nacht, das ist für viele Betroffene traumatisierend. Wir wollen, dass sich Betroffene gegen diese Taten künftig besser zur Wehr setzen können und Stalking-Fälle öfter vor Gericht kommen. Täterinnen und Täter müssen konsequent zur Verantwortung gezogen werden. Dazu senken wir die bisherigen hohen Hürden im Straftatbestand deutlich.
Auch im Netz und über Apps werden Menschen immer wieder ausgeforscht und eingeschüchtert, falsche Identitäten vorgetäuscht und Betroffene diffamiert. Auch diese Taten stellen wir künftig ausdrücklich als digitales Stalking unter Strafe.“
II. Senkung von Inkassokosten
Zum 1. Oktober 2021 treten auch wesentliche Teile des Gesetzes zur Verbesserung des Verbraucherschutzes im Inkassorecht und zur Änderung weiterer Vorschriften in Kraft. Dies gilt gerade auch für diejenigen Regelungen des Gesetzes, die bewirken, dass in etlichen Fällen die Vergütung sinkt, die Inkassodienstleister von Schuldnerinnen und Schuldnern verlangen dürfen. Hiervon werden Verbraucherinnen und Verbraucher profitieren, die sich im Zahlungsverzug befinden. Die meisten Regelungen kommen aber auch Unternehmen im Zahlungsverzug zugute.
Durch die Neuregelung werden die Inkassokosten insbesondere in denjenigen Fällen sinken, in denen Schuldnerinnen und Schuldner zahlungswillig und zahlungsfähig sind – und in denen die Inkassodienstleistung folglich nur mit geringem Aufwand verbunden ist.
Ab 1. Oktober 2021 gilt: Bei der ersten Zahlungsaufforderung einer unbestrittenen Forderung kann nur noch ein Gebührensatz von 0,5 zur Anwendung gebracht werden. Im Falle einer einzuziehenden Forderung von 100 EUR beträgt die maximal zulässige Vergütung (inklusive Auslagenpauschale) in diesen Fällen also künftig in der Regel 29,40 EUR netto (statt wie bisher 76,44 EUR netto). Und auch für den Fall, dass der Schuldner den geschuldeten Betrag nicht auf die erste Aufforderung hin bezahlt, verringert sich der maximal zulässige Gebührensatz. Er beträgt künftig im Regelfall 0,9 statt wie bisher 1,3. Das heißt: die zulässige Inkassovergütung beträgt in einem solchen Fall einer unbestrittenen Forderung von 100 EUR maximal 52,92 EUR netto (inklusive der Auslagenpauschale). Noch geringer ist die künftig zulässige Vergütung, wenn die Forderung nicht mehr als 50 Euro beträgt: Dann können bei einem Gebührensatz von 0,5 nur 18 Euro und bei einem Gebührensatz von 0,9 nur 32,40 Euro erstattet verlangt werden.
Außerdem sehen die Neuregelungen Informationspflichten für Inkassodienstleister und Rechtsanwälte bei der Erbringung von Inkassodienstleistungen vor: Insbesondere müssen Verbraucherinnen und Verbrauchern künftig vor dem Abschluss von Zahlungsvereinbarungen auf die dadurch entstehenden Kosten hingewiesen werden. Darüber hinaus müssen sie vor der Abgabe eines Schuldanerkenntnisses über die Rechtsfolgen aufgeklärt werden.
Bundesjustizministerin Christine Lambrecht erklärt hierzu:
„Ein großes Ärgernis für viele Verbraucherinnen und Verbraucher sind übermäßig hohe Inkassogebühren. Insbesondere wenn es um geringe Rechnungsbeträge geht, stehen überzogen hohe Inkassogebühren in keinem angemessenen Verhältnis. Mit den Neuregelungen machen wir das Inkassorecht fairer und verbraucherfreundlicher: Wir senken die Inkassokosten für die Verbraucherinnen und Verbraucher spürbar und schieben undurchsichtigen Inkassopraktiken einen Riegel vor.“
III. Ein Gegenvorstellungsverfahren für soziale Netzwerke
Für Fälle, bei denen unterschiedliche Auffassungen zwischen einem Nutzer bzw. einer Nutzerin und dem Anbieter eines sozialen Netzwerks bestehen, ob ein gemeldeter Inhalt gelöscht werden muss oder nicht, wird ein Gegenvorstellungsverfahren (§ 3b Netzwerkdurchsetzungsgesetz) eingeführt. Dadurch werden die Anbieter sozialer Netzwerke ab dem 1. Oktober 2021 dazu verpflichtet, auf Antrag betroffener Nutzerinnen und Nutzer ihre Entscheidungen über die Löschung oder Beibehaltung eines Inhalts zu überprüfen. Konkret bedeutet das: Wenn ein eigenes Posting gelöscht wird, können Betroffene vom sozialen Netzwerk verlangen, diese Entscheidung zu überprüfen und zu begründen. Gleiches gilt auch umgekehrt, wenn ein als rechtswidrig gemeldeter Inhalt nicht gelöscht wird.
Für Videosharingplattform-Dienste gilt das Gegenvorstellungsverfahren im Hinblick auf nutzergenerierte Videos und Sendungen bereits seit dem 28. Juni 2021.
Bundesjustizministerin Christine Lambrecht erklärt hierzu:
„Mit dem Gegenvorstellungsverfahren schützen wir Nutzerinnen und Nutzer besser vor unberechtigten Entscheidungen der Plattformen: Wenn ein eigenes Posting gelöscht wird, können Betroffene die Überprüfung dieser Entscheidung von Facebook, Twitter & Co verlangen. Gleiches gilt, wenn ein als strafbar gemeldetes Posting nicht entfernt wird.“
IV. Mehr Fairness im Vertragsrecht
Zum 1. Oktober 2021 treten zudem Teile des Gesetzes für faire Verbraucherverträge in Kraft. Verbraucherinnen und Verbraucher werden davon in doppelter Hinsicht profitieren.
1. Unwirksamkeit von Abtretungsverboten für Geldforderungen
Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB), die die Abtretung von auf Geld gerichteten Ansprüche beschränken, sind künftig unwirksam. Somit ist sichergestellt, dass Verbraucherinnen und Verbraucher die Möglichkeit haben, ihre Geldforderungen an Dritte zu verkaufen, die die Forderung einziehen. Dies wird Verbraucherinnen und Verbraucher zugutekommen, die ihre Ansprüche nicht selbst durchsetzen wollen.
2. Dokumentationspflicht für Telefonwerbung
Telefonwerbung ohne vorherige ausdrückliche Einwilligung ist in Deutschland rechtswidrig. Ab sofort gilt: Unternehmen müssen dokumentieren, wenn Verbraucherinnen und Verbraucher in die Telefonwerbung eingewilligt haben, und sie müssen diese Dokumentation aufbewahren. Verstöße hiergegen sind eine Ordnungswidrigkeit und können mit einer Geldbuße geahndet werden. Diese Neuerung wird das behördliche Vorgehen gegen unerlaubte Telefonwerbung erleichtern.
Bundesjustizministerin Christine Lambrecht erklärt hierzu:
„Das Gesetz für faire Verbraucherverträge zählt zu den großen verbraucherpolitischen Erfolgen der letzten Jahre – und dafür habe ich hart gekämpft. Die Regeln, die nunmehr in Kraft treten, bringen Verbraucherinnen und Verbrauchern konkrete Verbesserungen. Viele Unternehmen haben Abtretungsverbote in ihre AGB geschrieben, um Verbraucherinnen und Verbrauchern die Durchsetzung ihrer Forderungen zu erschweren. Mit solchen unfairen Klauseln ist künftig Schluss. Außerdem gibt es jetzt eine bessere Handhabe, um gegen unerlaubte Telefonwerbung vorzugehen. Das sind zwei wichtige Schritte auf dem Weg zu einem wirklich fairen und wirksamen Verbraucherrecht.“
Ausblick
Das Gesetz für faire Verbraucherverträge enthält weitere verbraucherschützende Regelugen. Diese treten zu einem späteren Zeitpunkt in Kraft. Zum 1. März 2022 wird die Neuregelung über stillschweigende Verlängerung von Vertragsverhältnissen in Kraft treten. Zum 1. Juli 2022 wird die Regelung über den Kündigungsbutton für Verbraucherverträge in Kraft treten.