Mannheim – Der Verwaltungsgerichtshof (VGH) hat mit einem den Verfahrensbeteiligten zugestellten Beschluss vom 11. Januar 2022 einen Eilantrag eines Einzelhandelsunternehmens (Antragstellerin) gegen § 6 Abs. 1, § 6a der Corona-Verordnung der Landesregierung in der Fassung vom 23. Dezember 2021 abgelehnt. Nach diesen Vorschriften sind der Einzelhandel und andere Leistungserbringer verpflichtet, für den Zugang zu ihren Geschäften Impf- und Genesenennachweise und Ausweisdokumente zu kontrollieren.
Hiergegen wandte sich die Antragstellerin mit einem Eilantrag. Sie betreibt in Baden-Württemberg mehrere Filialen im Textileinzelhandel. Sie machte geltend, für die Kontrollpflicht fehle es an der notwendigen Ermächtigungsgrundlage im Infektionsschutzgesetz. Die Kontrollpflicht sei auch unverhältnismäßig. Für sie entstehe ein erheblicher zusätzlicher personeller Aufwand. Aufgrund der fortschreitenden Zuspitzung der gesellschaftlichen Konflikte in der Corona-Pandemie seien ihre Mitarbeiter auch erheblichen Gefährdungen bei den Kontrollen ausgesetzt. Die Landesregierung (Antragsgegner) ist dem Antrag entgegengetreten.
Der 1. Senat des VGH hat den Eilantrag zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Bis zum 19. März 2022 bestehe für die Kontrollpflicht voraussichtlich eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage im Infektionsschutzgesetz. Nachdem der Bundestag die Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite nicht verlängert habe, könne die Kontrollpflicht nicht auf § 28a Abs. 1 IfSG gestützt werden.
Es bestünden erhebliche Zweifel, ob sich der Antragsgegner auf den neu eingeführten § 28a Abs. 7 IfSG berufen könne. Die Vorschrift enthalte – anders als § 28a Abs. 1 IfSG – eine abschließende Aufzählung der zulässigen Maßnahmen. Ernsthaft in Betracht als Ermächtigungsgrundlage komme allenfalls § 28a Abs. 7 Satz 1 Nr. 4 IfSG. Nach dieser Vorschrift könne die Verpflichtung zur Vorlage von Impf-, Genesenen- oder Testnachweisen sowie an die Vorlage solcher Nachweise anknüpfende Beschränkungen des Zugangs geregelt werden. Da der Gesetzgeber in jüngster Zeit im Infektionsschutzrecht an anderer Stelle Kontrollpflichten ausdrücklich geregelt habe – z.B. in § 28b Abs. 5 IfSG und in § 36 Abs. 10 IfSG -, spreche der Verzicht auf eine ausdrückliche Regelung von Kontrollpflichten im Rahmen des § 28a Abs. 7 Satz 1 Nr. 4 IfSG dafür, dass der Gesetzgeber hier die Möglichkeit der Auferlegung von Kontrollpflichten bewusst nicht vorgesehen habe.
Diese Frage könne jedoch offenbleiben. Denn eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage ergebe sich aus § 28a Abs. 9 IfSG in Verbindung mit § 28a Abs. 1 Nr. 14 IfSG. Nach § 28 Abs. 9 IfSG blieben die Absätze 1 bis 6 des § 28a IfSG nach dem Ende einer durch den Deutschen Bundestag festgestellten epidemischen Lage von nationaler Tragweite bis längstens zum Ablauf des 19. März 2022 für Schutzmaßnahmen anwendbar, die bis zum 25. November 2021 in Kraft getreten seien. Dies sei hier der Fall. Denn die Corona-Verordnung der Landesregierung in der Fassung vom 23. November 2021 habe die derzeit bestehenden Kontrollpflichten bereits enthalten.
Die Kontrollpflichten seien verhältnismäßig. Sie führten für die betroffenen Betriebe zu einem erheblichen Mehraufwand. Die Kontrollen seien ausnahmslos durchzuführen und bänden allein dadurch Personal, das gegebenenfalls im bisherigen Umfang nicht ausreiche, um den Betrieb aufrecht zu erhalten. Folglich sei in einer Vielzahl von Fällen mit einer finanziellen Mehrbelastung der Unternehmen zu rechnen. In die Abwägung einzustellen sei auch, dass die Kontrollsituation zu Konflikten und Gefährdungen der Mitarbeiter der zur Kontrolle verpflichteten Betriebe führen könne. Demgegenüber stünden die vom Antragsgegner mit den angefochtenen Vorschriften verfolgten Infektionsschutzbelange. Das Infektionsgeschehen sei immer noch sehr stark ausgeprägt und derzeit von stark ansteigenden Infektionszahlen gekennzeichnet. Der hohe Infektionsdruck in der Bevölkerung ziehe unvermeidlich schwere Krankheitsverläufe und Todesfälle nach sich. Die Situation auf den Intensivstationen bleibe weiterhin sehr angespannt. Ohne Kontrollpflichten verlören Nachweisverpflichtungen und Zugangsbeschränkungen für nicht-immunisierte Personen sehr erheblich an Wirksamkeit. Daher wäre bei einem Verzicht auf Kontrollen nicht auszuschließen, sondern in einem nicht zu vernachlässigenden Umfang zu erwarten, dass durch den Zugang nicht-immunisierter Personen zum Einzelhandel das Infektionsgeschehen deutlich verstärkt würde. Die Annahme, dass dies auch bei einer nur stichprobenartigen Kontrolle – die die Antragstellerin der Sache nach für ausreichend halte – zu befürchten wäre, sei plausibel. Auch die Erwägung des Antragsgegners, dass bei einer nur stichpro- benartigen Kontrolle das Konfliktpotenzial bei Kontrollen deutlich größer sein könnte, erscheine dem Senat nachvollziehbar. Insgesamt rechtfertige daher der vom Antragsgegner bezweckte Gesundheitsschutz der Bevölkerung als Rechtsgut von überragender Bedeutung die für die Antragstellerin und vergleichbare Betriebe eintretenden Belastungen.
Der Beschluss des VGH ist unanfechtbar (1 S 3805/21).