Karlsruhe – Mit Beschluss vom heutigen Tag hat die 14. Kammer des Verwaltungsgerichts Karlsruhe einem Eilantrag gegen ein von der Stadt Bretten verfügtes allgemeines Verbot nicht angemeldeter „Spaziergänge“ stattgegeben.
Die Stadt Bretten hatte mit einer sofort vollziehbaren Allgemeinverfügung vom 20.12.2021 bis Ende Januar 2022 „alle mit generellen Aufrufen zu ‚Montagsspaziergängen‘ oder ‚Spaziergängen‘ in Zusammenhang stehenden, nicht angezeigten und nicht behördlich bestätigten Versammlungen und Ersatzversammlungen“ untersagt. Hiergegen wandte sich der Antragsteller, der regelmäßig an angemeldeten Versammlungen gegen staatliche Maßnahmen der Pandemiebekämpfung teilnimmt, mit einem Widerspruch an die Stadt sowie einem Eilantrag an das Verwaltungsgericht, um die Geltung des Verbotes ihm gegenüber zwischenzeitlich auszusetzen. Eine ähnlich lautende Allgemeinverfügung der Stadt Bad Mergentheim sei bereits vom Verwaltungsgericht Stuttgart als rechtswidrig angesehen worden.
Im Eilverfahren berief sich die Stadt darauf, dass es vor Weihnachten in der Umgebung zu mehreren größeren Vorfällen bei Protestversammlungen gekommen sei, darunter eine Versammlung mit 300 Personen in Jöhlingen am 16.12.2021 sowie eine teilweise gewalttätige Demonstration mit 2.000 Personen in Mannheim und mehrere Aufzüge in Karlsruhe am 20.12.2021. Zudem sei in einem bekannten Telegram-Kanal für den 21.12.2021 zu einem „Corona-Spaziergang“ in Bretten aufgerufen worden, der durch das Eingreifen der Polizei habe verhindert werden können. Am 10.01.2022 sei eine weitere unangemeldete Versammlung mit 42 Teilnehmern von der Polizei aufgelöst worden. Das Verbot nicht angemeldeter Versammlungen sei notwendig, da die Unterlassung der Anmeldung dazu diene, möglichen Auflagen zum Infektionsschutz seitens der Stadt aus dem Weg zu gehen. Angemeldete Versammlungen blieben weiterhin möglich.
Die 14. Kammer hat dem Eilantrag entsprochen. Zwar sei die Stadt als Versammlungsbehörde auch nach Ende der epidemischen Lage von nationaler Tragweite nach dem Infektionsschutzgesetz grundsätzlich befugt, Versammlungen präventiv zu verbieten, jedenfalls sofern dies nicht allein der Abwehr von Infektionsgefahren diene. Bei den über soziale Medien und Messengerdiensten beworbenen „Spaziergängen“ handele es sich auch um Versammlungen, da sie entgegen der unpolitischen Bezeichnung auf die gemeinschaftliche Kundgabe des Unmuts gegen die Corona-Maßnahmen abzielten. Ein Verbot müsse sich jedoch in den Grenzen der Verhältnismäßigkeit halten und setze nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts konkrete Anhaltspunkte für eine Gefahr voraus, die hier für den örtlichen Anwendungsbereich nicht ausreichten. Die bisherigen nicht angemeldeten Versammlungen im Stadtgebiet Bretten seien nämlich nur von mehreren Dutzend Personen besucht worden und friedlich verlaufen. Zwar seien dabei keine Mund-Nasen-Bedeckungen getragen worden, spätestens nach Ansprache durch die Polizei seien jedoch die erforderlichen Mindestabstände eingehalten worden. Es lägen daher keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür vor, dass Gefahren durch Ansteckungen oder gewaltsamen Verlauf nicht auch zukünftig durch polizeiliche Maßnahmen während der Versammlungen begegnet werden könne, welche ein milderes Mittel gegenüber dem präventiven Verbot darstellten. Zudem werde durch die Allgemeinverfügung auch die Versammlungsfreiheit von Teilnehmern beschränkt, die nicht die Absicht hätten, gewalttätig zu werden oder gegen die Vorgaben zur Einhaltung von Mindestabständen und zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung zu verstoßen, was nur bei einem polizeilichen Notstand zulässig wäre.
Der Beschluss (14 K 119/22) gilt unmittelbar nur zugunsten des Antragstellers und ist noch nicht rechtskräftig. Die Beteiligten können hiergegen Beschwerde zum Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg einlegen.