Kaiserslautern – Gesunde menschliche Zellen haben zwei (diploide) Chromosomensätze. Es kommt aber auch vor, dass Zellen einen tetraploiden (vierfachen) Satz aufweisen.
In der Regel teilen sie sich nicht weiter und sterben ab. Einige Zellen entgehen jedoch diesem Schicksal. Ein internationales Forscherteam, darunter eine Arbeitsgruppe der TU Kaiserslautern, hat nun gezeigt, dass es bei diesen Zellen direkt nach dem Entstehen zu vielen Mutationen kommt und sie nicht über genug Proteine verfügen, die für die Vermehrung des genetischen Materials nötig sind. Das ist jedoch für die Zellteilung entscheidend; Fehler hierbei können die Tumorbildung begünstigen. Die Arbeit ist in der Fachzeitschrift Nature erschienen.
In einer gesunden menschlichen Zelle gibt es 46 Chromosomen: Ein doppelter Satz von 22 Chromosomen plus zwei Geschlechtschromosomen (XX oder XY). Anders sieht es bei Krebszellen aus. Bei ihnen lassen sich verschiedene genetische Veränderungen finden, zum Beispiel fehlen Teile von Chromosomen oder sind mehrfach vorhanden.
Allerdings tappt die Wissenschaft noch im Dunkeln, wie es zu so einer erhöhten Anzahl an Fehlern kommen kann. Eine Erklärung dafür liefert eine aktuelle Studie, die unter Federführung des französischen Instituts Curie Research Centers in Paris in Zusammenarbeit mit der Arbeitsgruppe von Professorin Dr. Zuzana Storchová der Technischen Universität Kaiserslautern (TUK) und einem Team der niederländischen Universität Groningen entstanden ist.
Im Fokus standen Zellen mit tetraploiden Chromosomensätzen.
„Ein Fehler, der zu tetraploiden Zellen führt, tritt etwa bei einer von tausend Zellen auf, was schon recht häufig ist. Während die meisten tetraploiden Zellen absterben, können einige überleben und zur Bildung von Krebszellen beitragen.“,
sagt Professorin Storchová, die das Lehrgebiet Molekulare Genetik leitet und Co-Autorin der aktuellen Studie ist.
„Wir wollten wissen, was bei ihnen unmittelbar nach dem Entstehen im ersten Zellzyklus passiert.“
Direkt nachdem sie tetraploid geworden sind, haben sich die Forscherinnen und Forscher diese Zellen angesehen.
„Wir haben festgestellt, dass es hier schon zu vielen Fehlern kommt“, sagt die Kaiserslauterer Professorin. „Es lagen verschiedene DNA-Schäden und Mutationen vor.“
In einem nächsten Schritt haben sie analysiert, zu welchen Fehlern es in den Zellen kommt.
„Sie sind nicht mehr in der Lage, die Replikation, also die Vervielfältigung des genetischen Materials fehlerfrei durchzuführen“,
fährt die Kaiserslauterer Genetikerin fort. Dies ist aber wichtig, damit Zellen sich weiter teilen können.
Das Team hat herausgefunden, dass die Zellen nicht mehr genügend Proteine produzieren, die für die Replikation benötigt werden. Die Arbeiten wurden an verschiedenen Zelltypen durchgeführt und bei allen wurde dieselbe Beobachtung gemacht.
„Der Mechanismus war bislang nicht bekannt, er erklärt, warum so viele Mutationen so schnell in tetraploiden Zellen entstehen“,
sagt Storchová. Die überlebenden tetraploiden Zellen akkumulieren auf diese Weise viele Mutationen, was wahrscheinlich der Grund dafür ist, dass sie die Tumorbildung fördern können.
Bei der Studie kamen Technologien zum Einsatz, die es erst seit ein paar Jahren gibt. Ohne sie wäre es gar nicht möglich gewesen, zu den Ergebnissen zu kommen. Mit dem Verfahren des Single-Cell-Sequencing, das das niederländische Team genutzt hat, konnten die Forscherinnen und Forscher die Genomveränderungen in einer einzelnen Zelle untersuchen. Die Arbeitsgruppe um Storchová hat mithilfe einer Single-Molecule-Analysis zudem untersucht, wie die DNA-Replikation in tetraploiden Zellen im Vergleich zu gesunden diploiden Zellen abläuft.
An der TUK waren auch Storchovás Mitarbeiterinnen Kristina Keuper und Sara Bernhard an der Studie beteiligt. Eingebunden waren die Arbeiten dazu in ein Projekt der Forschungsgruppe (FOR2800) „Chromosomeninstabilität: Das Zusammenspiel von DNA-Replikationsstress und mitotischer Dysfunktion“, die von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert wird.