Mainz (ots) – Seit heute Morgen um 06 Uhr laufen Durchsuchungen in 6 Bundesländern, die sich gegen Mitglieder, Unterstützer und Sympathisanten der verbotenen Vereinigung „Kalifatsstaat“ richten. Mithilfe verdeckter Maßnahmen konnten in Bad Kreuznach und Umgebung insgesamt 10 Personen identifiziert werden, die innerhalb des Vereins für die verbotene Vereinigung tätig sind.

Die Ermittlungen beruhen auf Erkenntnissen der Abteilung Verfassungsschutz des
Ministeriums des Innern und für Sport Rheinland-Pfalz. Die Ermittlungen ergaben
den dringenden Verdacht, dass innerhalb eines Moscheevereins in Bad Kreuznach in
Predigten und durch den Verkauf von Schriften und sonstigen Propagandamitteln
die Ideologie des „Kalifatsstaats“ verbreitetet wird und die Mitglieder des
Moscheevereins die Organisationsstrukturen der Vereinigung aufrechterhalten.

Die unter der Sachleitung der ZeT durch das Landeskriminalamt geführten
aufwändigen Ermittlungen ergaben, dass die Beschuldigten im Tatzeitraum durch
den Verkauf der Schriften des in Istanbul lebenden Anführers der Vereinigung
Metin Kaplan sowie durch die Sammlung von Spenden und den Verkauf von
Lebensmitteln in einem eigenen Ladenlokal erhebliche Einnahmen erzielten, die
sie der Aufrechterhaltung der Vereinigungsstrukturen und dem Lebensunterhalt des
selbsternannten „Kalifen“ Metin Kaplan zuführten.

Ferner konnte festgestellt werden, dass die in Rheinland-Pfalz ansässigen Beschuldigten intensive Kontakte zu einer in Nordrhein-Westfalen wohnhaften Person pflegten, die offensichtlich dem „Kalifatsstaat“ in leitender Position angehört, so dass das Ermittlungsverfahren auch auf diese Person, bei der es
sich um den Sohn des Metin Kaplan handeln soll, erstreckt wurde.

Zwei der Beschuldigten, die als Hauptverantwortliche der Moschee in Bad Kreuznach
fungieren, beteiligten sich ferner überregional an der Durchsetzung von Anordnungen des Metin Kaplan, von dem sie herfür teilweise unmittelbare Anweisungen erhielten.

Dem in Nordrhein-Westfalen wohnhaften 44-jährigen Beschuldigten liegt zur Last, an herausgehobener Stellung innerhalb der Vereinigung tätig zu sein, Anweisungen des Metin Kaplan an die Beschuldigten in Bad Kreuznach weitergegeben und Schriften des Metin Kaplan innerhalb des Moscheevereins verteilt zu haben.
Ferner soll er namhafte Spendengelder entgegengenommen haben.

Die Generalstaatsanwaltschaft Koblenz, Landeszentralstelle zur Bekämpfung von
Terrorismus und Extremismus Rheinland-Pfalz (ZeT) und das Landeskriminalamt
Rheinland-Pfalz führen Ermittlungen gegen 10 Beschuldigte aus der Region Bad
Kreuznach und 1 weiteren Beschuldigten aus Nordrhein-Westfalen wegen des
Verdachts des Verstoßes gegen ein Vereinigungsverbot gem. § 85 StGB.

In dem von der ZeT geführten Ermittlungsverfahren wurden heute bei 11
Beschuldigten in Bad Kreuznach und Nordrhein-Westfalen sowie in dem Verein in
Bad Kreuznach Durchsuchungsbeschlüsse vollstreckt.

Ein weiterer Durchsuchungsbeschluss richtet sich gegen einen Schlachtbetrieb, in dem das Fleisch für den Verkauf in dem moscheeeigenen Laden beschafft worden sein soll.
Zwei 49- und 62-jährige Beschuldigte aus Bad Kreuznach und der 44-jährige
Beschuldigte aus Nordrhein-Westfalen wurden aufgrund bestehender Haftbefehle des
Amtsgerichts Koblenz festgenommen.

Die islamistische Vereinigung „Kalifatsstaat“ wurde mit Verfügung des
Bundesministers des Innern vom 08.12.2001 verboten, da sich die Ziele und Zwecke
der Vereinigung gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung und den
Gedanken der Völkerverständigung richten.

Den Beschuldigten liegt zur Last, als Rädelsführer und Mitglieder dieser verbotenen Vereinigung, die Organisationstrukturen des „Kalifatsstaats“ fortgeführt und zu diesem Zweck die Verbreitung der islamistischen Ideologie der Vereinigung gefördert zu haben.

Die Ermittlungen ergaben zudem den dringenden Verdacht, dass die verbotene
Vereinigung über Bad Kreuznach hinaus Kontakte zu Verantwortlichen von Moscheen
und Vereinen in weiteren Bundesländern unterhält, die ebenfalls der Ideologie
des „Kalifatsstaats“ folgen.
Auf der Grundlage dieser Erkenntnisse haben auch die Generalstaatsanwaltschaften Celle und München sowie die Staatsanwaltschaften Düsseldorf, Frankfurt am Main, Karlsruhe und Köln eigene Ermittlungsverfahren eingeleitet.

Um eine nachhaltige Zerschlagung der Strukturen des „Kalifatsstaats“ zu erreichen und Beweismittelverluste zu vermeiden, haben die beteiligten Ermittlungsbehörden vereinbart, Durchsuchungsbeschlüsse und Haftbefehle zeitgleich zu vollstrecken. Die heutigen Maßnahmen werden vom Landeskriminalamt Rheinland-Pfalz koordiniert.

Insgesamt wurden heute in den betroffenen Bundesländern 50 Objekte durchsucht und 3 Haftbefehle vollstreckt.

Hintergrund:

– Die verbotene Vereinigung „Kalifatsstaat“

Mit Verfügung des Bundesministeriums des Innern vom 08.12.2001 wurde die
Vereinigung „Kalifatsstaat“ verboten, da sich die Ziele und Zwecke der
Vereinigung gegen die verfassungsmäßige Ordnung und den Gedanken der
Völkerverständigung richteten. Mit Urteil vom 27.11.2002 hat das
Bundesverwaltungsgericht die gegen die Verbotsverfügung gerichtete Klage von
Vertretern des „Kalifatsstaats“ abgewiesen. Die Verbotsverfügung ist seitdem
rechtskräftig.

Ausweislich der Feststellungen in der Verbotsverfügung richtet sich die
Vereinigung gegen die verfassungsmäßige Ordnung und den Gedanken der
Völkerverständigung. Die Ideologie des „Kalifatsstaats“ erkennt die freiheitlich
demokratische Grundordnung nicht an, sondern proklamiert den Vorrang des
islamischen Rechts vor den demokratischen Institutionen. Der gläubige Muslim
darf sich hiernach keinen Vorschriften und Gesetzen unterwerfen, die nicht von
Allah stammen. Unabhängige Gerichte einschließlich der Garantie der sog.
Justizgrundrechte lehnt die Vereinigung ab. Als einzig gültiges Recht und Gesetz
wird nur die Scharia anerkannt. Nach den Feststellungen in dem Verbotsverfahren
richtet sich der sogenannte „Kalifatsstaat“ außerdem gegen den Gedanken der
Völkerverständigung, da er zum Umsturz in der Türkei zwecks Errichtung eines
islamischen Staates aufruft und in hohem Maße aggressive Propaganda gegen den
Staat Israel und Juden betreibt.

Die Vereinigung wurde am 25.11.1984 zunächst unter dem Namen“ (Verband der
islamischen Vereine und Gemeinden e.V. Köln („Islami Cemaatleri ve Cemiyetleri
Birligi – ICCB) von Cemalettin Kaplan gegründet. Kaplan vertritt die Auffassung,
dass nur durch kompromisslose Verkündung des Islam das Ziel eines islamischen
Staates erreicht werden könne.

Am 18.04.1992 rief Cemalettin Kaplan in der Rhein-Mosel-Halle in Koblenz den
„Föderativen Islamstaat Anatolien“ aus und ließ sich als „Emir der Gläubigen“
und – damals noch stellvertretenden – „Kalifen“ bestätigen. Nach seinem Tod im
Jahr 1995 übernahm sein Sohn Metin Kaplan die Leitung des sogenannten
„Kalifatsstaats“ und rief sich selbst zum „Kalifen“ aus.

Metin Kaplan rief im Jahr 1996 zur Tötung eines Konkurrenten namens Halil
Ibrahim Sofu auf, der sich zum „Gegenkalifen“ ernannt hatte und erließ eine sog.
Todesfatwa. Als Sofu daraufhin am 08.05.1997 von unbekannten Tätern erschossen
wurde, wurde Metin Kaplan wegen öffentlicher Aufforderung zu Straftaten in zwei
tateinheitlichen Fällen durch Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 15.
November 2000 zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt und nach deren
Verbüßung in die Türkei abgeschoben.

– § 85 StGB. Verstoß gegen ein Vereinigungsgebot

(1) Wer als Rädelsführer oder Hintermann im räumlichen Geltungsbereich dieses
Gesetzes den organisatorischen Zusammenhalt – 1.einer Partei oder Vereinigung,
von der im Verfahren nach § 33 Abs. 3 des Parteiengesetzes unanfechtbar
festgestellt ist, daß sie Ersatzorganisation einer verbotenen Partei ist, oder –
2.einer Vereinigung, die unanfechtbar verboten ist, weil sie sich gegen die
verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung
richtet, oder von der unanfechtbar festgestellt ist, daß sie Ersatzorganisation
einer solchen verbotenen Vereinigung ist, aufrechterhält, wird mit
Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. 2Der Versuch
ist strafbar.

(2) Wer sich in einer Partei oder Vereinigung der in Absatz 1 bezeichneten Art
als Mitglied betätigt oder wer ihren organisatorischen Zusammenhalt oder ihre
weitere Betätigung unterstützt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder
mit Geldstrafe bestraft.