Kaiserslautern (ots) – Vor über 2 Jahren, am 30.05.2020, hatte die Polizei eine Personenansammlung auf dem öffentlichen Gelände der Hochschule Kaiserslautern an der Schoenstraße, am Teich bei der ehemaligen Kammgarnspinnerei, wegen Verstoßes gegen Coronabekämpfungsregeln aufgelöst. Bei der Feststellung der Personalien der an der Ansammlung beteiligten Personen kam es zu Vorfällen, aufgrund derer die Polizei das Handy einer damals 23-jährigen Frau aus Frankfurt am Main beschlagnahmte und die Frau festnahm.
Im Internet wurden in der Folge Vorwürfe gegen die Polizei erhoben, nämlich die Polizei habe die damals 23-Jährige aus sachfremden Gründen für Maßnahmen ausgewählt, sie habe das Handy zu Unrecht beschlagnahmt und habe bei der Festnahme unzulässige Gewalt ausgeübt. Diese Vorwürfe waren auch Gegenstand der Presse- und Fernsehberichterstattung.
Nunmehr liegen rechtskräftige gerichtliche Feststellungen dazu vor, was in den frühen Morgenstunden des 30.05.2020 an der Schoenstraße in Kaiserlautern geschehen ist. Das Pfälzische Oberlandesgericht Zweibrücken verwarf am 30.06.2022 die Revision der heute 25-Jährigen gegen das gegen sie am 13.08.2021 ergangene Urteil des Amtsgerichts Kaiserslautern, durch das sie wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte und wegen Beleidigung verurteilt worden war.
Das Urteil des Amtsgerichts Kaiserslautern ist damit rechtskräftig. Der Straftatbestand des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte setzt voraus, dass die Diensthandlung, gegen die Widerstand geleistet wird, rechtmäßig ist. Deswegen enthält das amtsgerichtliche Urteil ausführliche Feststellungen zur Frage der Rechtmäßigkeit der Beschlagnahme des Handys und der Festnahme.
Zum Anlass der Polizeiaktion stellt das Amtsgericht fest, dass ein Anwohner die Polizei auf die Personenansammlung hingewiesen und seinen Eindruck, dort würden Drogen konsumiert, mitgeteilt hatte. Daraufhin erschienen zwei Polizeibeamte, um den erwähnten § 2 der Achten Coronabekämpfungsverordnung des Landes Rheinland-Pfalz durchzusetzen und Hinweisen auf Straftaten nachzugehen.
Zu der von der Polizei durchgeführten Personenkontrolle stellt das Amtsgericht fest, dass alle noch Anwesenden der Personenansammlung kontrolliert wurden, darunter die 25-Jährige. Hierbei wurde seitens der Polizeibeamten von Anfang an deutlich gemacht, dass dies aufgrund eines Verstoßes gegen die Corona-Verordnung geschah.
Die 25-Jährige wurde mehrfach sachlich und ruhig durch die Polizeibeamtin dazu aufgefordert, ihre Personalien anzugeben. Als sie sich während dieser Abfrage einmal sogar entfernen wollte, blieb die Polizeibeamtin weiterhin höflich und erklärte ihr, dass sie in der Maßnahme zu bleiben habe. Die 25-Jährige verweigerte über einen erheblichen Zeitraum jegliche Mitwirkung an der Feststellung ihrer Personalien.
Zu den Gründen für die Beschlagnahme des Handys stellte das Amtsgericht fest, dass die 25-Jährige den Polizeieinsatz mit ihrem Smartphone filmte, während die Polizeibeamten die Personalien aller noch anwesender Personen aufnahmen, obwohl die Polizeibeamten sie mehrfach aufforderten, die Aufnahme zu stoppen und das Video zu löschen.
Dabei hielt sie die Kamera auf den Boden, so dass keine aussagekräftigen Bilder aufgenommen wurden, zeichnete jedoch über eine Länge von ca. 39 Minuten den Ton sämtlicher Gespräche auf, die im Rahmen der Personenkontrolle stattfanden.
Das Amtsgericht sah die Beschlagnahme des Handys als rechtmäßig an, da die Polizei davon ausging und ausgehen konnte, dass Gespräche zwischen Betroffenen, zwischen Polizeibeamten, und zwischen der Polizei und einzelnen Betroffenen aufgezeichnet worden waren und dadurch der Anfangsverdacht eines Verstoßes gegen § 201 des Strafgesetzbuchs bestand.
Das Amtsgericht stützt diese Feststellungen zu der Personenkontrolle und zu den Gründen für die Beschlagnahme des Handys auf eine umfangreiche Beweisaufnahme. Zu den Beweismitteln zählte auch die 39-minütige Tonaufnahme, die die 25-Jährige selbst mit ihrem Handy gefertigt hat. Aus dieser Tonaufnahme ergibt sich insbesondere, so stellt das Gericht fest, dass alle anderen Mitglieder der Gruppe ebenso wie die 25-Jährige polizeilich kontrolliert wurden.
§ 201 des Strafgesetzbuchs setzt voraus, dass das “nichtöffentlich” gesprochene Wort aufgenommen wird. Die Frage, ob das Amtsgericht zu Recht den Anfangsverdacht angenommen hat, die fraglichen Gespräche seien nichtöffentlich, bejaht das Revisionsgericht nach ausführlicher Erörterung.
Das Revisionsgericht stellt zur Rechtslage zunächst fest, dass bislang nicht abschließend geklärt ist, wann ein gesprochenes Wort als nichtöffentlich anzusehen ist, und zitiert den vom Bundesgerichtshof in einem Urteil vom 17.03.1983 (Aktenzeichen: 4 StR 640/82) aufgestellten Grundsatz, maßgeblich für die Nichtöffentlichkeit des gesprochenen Wortes seien der Wille des Sprechenden, als auch der Zweck und die Eigenart des Gesprochenen.
Das Revisionsgericht setzt sich dann mit der einschlägigen Kommentarliteratur und der bisher ergangenen Rechtsprechung auseinander, insbesondere mit zwei Entscheidungen aus 2019 des Landgerichts München I (11.02.2019, Aktenzeichen: 25 Ns 165870/17) und des Landgerichts Kassel (23.09.2019, Aktenzeichen 2 Qs 111/19), die ebenfalls die Frage behandeln, unter welchen Umständen das gesprochene Wort bei polizeilichen Personenkontrollen als nichtöffentlich anzusehen ist.
Insbesondere geht das Revisionsgericht darauf ein, ob die fraglichen Gespräche deshalb öffentlich gewesen sein könnten, weil nach den Umständen sowieso mit einer Kenntnisnahme durch Dritte gerechnet werden musste (faktische Öffentlichkeit). Es kommt zu dem Ergebnis, dass nach den getroffenen amtsgerichtlichen Feststellungen nicht von einer faktischen Öffentlichkeit auszugehen war. Die Polizeikontrolle fand gegen 03 Uhr nachts und in einem begrenzten Bereich (am Teich bei der ehemaligen Kammgarnspinnerei) statt.
Zudem folgte die 25-Jährige den Polizeibeamten, offenkundig um auch die abseits der Ansammlung getätigten Gespräche aufzunehmen.
Die Frage, ob im Falle rechtswidrigen staatlichen Eingreifens zum Zweck der Beweissicherung Audio- oder Videoaufnahmen auch ohne Einwilligung der Betroffenen gefertigt werden dürfen, lässt das Revisionsgericht ausdrücklich offen, weil auf der Grundlage der getroffenen amtsgerichtlichen Feststellungen keinerlei Anhaltspunkte dafür vorlagen, dass die Beamten im Rahmen der Kontrolle rechtswidrig handelten oder handeln würden, und objektiv für die kontrollierten Personen auch keine solchen Anhaltspunkte erkennbar waren.
Zur Festnahme und Fesselung der 25-Jährigen stellte das Amtsgericht fest, dass diese nach Beschlagnahme ihres Handys mehrfach versuchte, ihr Handy wiederzubekommen, indem sie es dem Polizeibeamten aus der Hand zu nehmen versuchte. Auf dem Weg zum Streifenwagen fasste sie ihn mindestens zwei Mal an der Schulter und versuchte, ihn herumzudrehen. Da sie die Sicherstellung störte, war ihre Fesselung zur Durchsetzung der Maßnahme rechtmäßig. Die Fesselung wurde der 25-Jährigen mehrfach angedroht und sie wurde aufgefordert, ihre Hände hinter den Rücken zu nehmen. Da sie auch dieser Aufforderung nicht nachkam, haben die Polizeibeamten zu Recht ihre Fesselung mittels unmittelbarem Zwang durchgesetzt.
Auch diese Feststellungen traf das Amtsgericht nach einer umfangreichen Beweisaufnahme, die wiederum das Abspielen eines Handyvideos umfasste. Die Festnahme und Fesselung der 25-Jährigen wurde von einer Freundin aufgenommen, die das entsprechende Video später der 25-Jährigen zur Verfügung stellte. Dieses Video erschien später im Internet und wurde im Zuge der Ermittlungen zur Aufklärung der Vorfälle sichergestellt.
Nach den Feststellungen des Gerichts ergibt sich insbesondere aus dieser Aufnahme, dass die 25-Jährige seitens der Polizisten von Anfang an in hohem Maße sachlich und höflich behandelt wurde. Das Gericht führt im Urteil aus, auf dem Video sei nicht erkennbar, dass sie Polizeigewalt ausgesetzt gewesen wäre, die über das zu ihrer Fesselung erforderliche Maß hinausgegangen wäre.
Das Video lasse nicht erkennen, das die 25-Jährige in irgendeiner Weise unhöflich, rassistisch oder abwertend behandelt worden wäre.
Die Einlassung der 25-Jährigen in der Hauptverhandlung veranlasste das Amtsgericht ferner nach Beweisaufnahme zu folgenden weiteren Feststellungen:
Weder sind Anhaltspunkte gegeben, dass ein Polizeibeamter die 25-Jährige geschlagen hat, noch dass er ihr den Kopf gegen die Mauer geschlagen hat. Auch der Einsatz eines Tasers ist in keiner der Filmsequenzen erkennbar.
Eine andere Person als die 25-Jährige hatte wenige Tage nach dem bezeichneten Polizeieinsatz vom 30.05.2020 dieses Handyvideo im Internet (Instagram) hochgeladen, kommentiert und der Wahrheit zuwider erklärt, auf einem privaten Video sei zu sehen, wie ein Polizeibeamter mit vollem Körpergewicht auf dem Rücken der am Boden liegenden 25-Jährigen hocke und mit beiden Knien auf den Oberkörper drücke.
Auf Antrag der Staatsanwaltschaft hat das Amtsgericht Kaiserslautern gegen diese Person deswegen einen Strafbefehl wegen Verleumdung und Verstoßes gegen das Kunsturheberrechtsgesetz erlassen, der rechtskräftig geworden ist. Das Video, wenn man es sich ansieht, zeigt einen Vorgang wie den behaupteten gerade nicht.