Mannheim-Heidelberg: 71. Internationales Filmfestival mit Eröffnungsfilm, Midnight Screening und erste Programmhighlights

IFFMH 2021 (Foto: Hannes Blank)

 

Mannheim. Mit neuen aufregenden Film-Highlights aus der Ukraine, Costa Rica, Tunesien, Pakistan und vielen anderen Ländern geht das Internationale Filmfestival Mannheim-Heidelberg (IFFMH) in die 71. Ausgabe.

Opening Night

Eröffnet wird das Festival in diesem Jahr am 17.11. mit der Deutschlandpremiere einer romantischen Komödie: In ›Tagebuch einer Pariser Affäre‹ (›Chronique d’une Liaison passagère‹) beschäftigt sich der französische Regiemeister Emmanuel Mouret, dessen vorheriger Film ›Love Affair(s)‹ 2020 in Mannheim-Heidelberg zu sehen war, mit den Unwägbarkeiten der Liebe. Der Film handelt von zwei Menschen, die sich zunächst nur auf eine rein körperliche Beziehung einlassen wollen, dann aber die Kontrolle über ihre Gefühle verlieren. In den Hauptrollen brillieren die beiden vielfach ausgezeichneten Stars Sandrine Kiberlain und Vincent Macaigne.

Midnight Screening

Mit ›Unicorn Wars‹ präsentiert das IFFMH 2022 zum ersten Mal ein Midnight Screening. Dieser aberwitzige Animationsfilm mit Anleihen an ›Hello Kitty‹ und ›South Park‹ lässt Einhörner und Teddybären gegeneinander in die Schlacht ziehen. Passend zur Tageszeit geht es dabei äußerst blutig zu. In knallbunten Neonfarben erzählt der spanische Regisseur Alberto Vazquéz von Faschismus, den Abgründen der Religion und der Sinnlosigkeit von Gewalt, aber auch von der poetischen Schönheit der Natur.

 

Der Wettbewerb: On the Rise

Herzstück des Festivals ist und bleibt die Suche nach neuen außergewöhnlichen Regietalenten. Im internationalen Wettbewerb ON THE RISE konkurrieren 16 Beiträge aus der ganzen Welt um die insgesamt mit über 50.000 Euro dotierten sechs Preise des Festivals.

›How is Katia?‹, das Spielfilmdebüt der Regisseurin Christina Tynkevych, ist das intensive Psychogramm einer Frau nach einem schweren Schicksalsschlag. Zugleich ist es ein Porträt der Ukraine und ihrer gesellschaftlichen Probleme vor der russischen Invasion.

Einen faszinierenden Blick auf die gesellschaftliche und politische Lage in ihren Ländern werfen auch die beiden afrikanischen Beiträge im Wettbewerb des IFFMH: ›Ashkal‹ ist das Langfilmdebüt des tunesischen Filmemachers und Musikers Youssef Chebbi, dessen vorherige Co-Regiearbeit ›Babylon‹ im MoMa gezeigt wurde. Bei seinem aktuellen Film handelt es sich um ein Kriminaldrama, das Politik mit Übersinnlichem mischt. Es spielt in einem Stadtteil von Tunis, wo plötzlich vermehrt Brandopfer auftauchen. Die Polizei nimmt die Untersuchung der mysteriösen Fälle auf. Von dieser Konstellation ausgehend entwickelt sich der atmosphärisch dichte Film Noir zu einer Allegorie der jüngsten gesellschaftspolitischen Umbrüche in Nordafrika.

›The Dam‹ erzählt ebenfalls von gesellschaftlichen Unruhen. In Khartum, der Hauptstadt des Sudan, gehen Menschen auf die Straße, fordern Freiheit und Gerechtigkeit. Doch die Arbeiter einer abgeschiedenen Ziegelei am umstrittenen Merowe-Staudamm erreicht die Revolution nur in Form verrauschter und wackeliger Ton- und Bildaufnahmen. Einer der Arbeiter aber leistet seine eigene Form des Widerstands. Heimlich baut er etwas aus Schlamm, was sich nur langsam erahnen lässt. Regisseur Ali Cherri selbst arbeitet neben seinem Filmschaffen im Bereich bildende Kunst. Für die Videoinstallation ›Of Men and Gods and Mud‹ wurde er 2022 mit dem Silbernen Löwen auf der Biennale von Venedig ausgezeichnet.

Auch darüber hinaus laufen in diesem Jahr auf dem IFFMH Filme aus Ländern, deren kinematographische Kulturen in Deutschland ansonsten kaum repräsentiert sind: Gleich mit drei Preisen in Locarno – für die beste Regie und die besten Hauptdarsteller*innen – ausgezeichnet wurde ›I have electric dreams‹ (›Tengo sueños eléctricos‹) aus Costa Rica. Das Langfilmdebüt von Regisseurin und Drehbuchautorin Valentina Maurel ist ein Sozialdrama über eine hoch ambivalente Tochter-Vater-Beziehung, das eine bloße Missbrauchsgeschichte durch die Komplexität des Verhältnisses der beiden Hauptfiguren bei weitem übersteigt.

›Joyland‹ war in diesem Jahr der erste pakistanische Beitrag, der für das Festival in Cannes ausgewählt wurde. Der Film erzählt davon, wie unterdrückte Begierden mit Alltagspflichten in Konflikt geraten und allmählich starre gesellschaftliche Konventionen ins Wanken bringen. Regisseur Saim Sadiq hat schon 2020 den Kurzfilmpreis beim Filmfestival in Venedig gewonnen.

Mit ›You won’t be alone‹ zeigt das IFFMH einen (post)-feministischen Hexenfilm aus Australien mit Noomi Rapace. Vom Filmfestival in Palm Springs wurde Regisseur Goran Stolevski für dieses Debüt in die Liste der „Directors to watch“ aufgenommen.

 

Pushing the Boundaries

Ergänzt wird der internationale Wettbewerb des IFFMH 2022 wie schon in den beiden vergangenen Jahren durch die Sektion PUSHING THE BOUNDARIES, in der das Festival Werke bereits etablierter Regisseur*innen zeigt, die aus Sicht des Programmteams auf originelle und wagemutige Weise die Grenzen des Mediums Film ausloten oder gar verschieben.

›The Beasts‹ ist Psycho-Thriller und herausragendes Schauspielkino, das den Zuschauer mit der Frage konfrontiert, ob und wie sich der Spirale der Gewalt entrinnen lässt. In den Hauptrollen sind Denis Ménochet und Marina Foïs als Ehepaar zu sehen, das sich in der spanischen Provinz seinen Lebenstraum vom eigenen Hof erfüllt, dann aber mit den Alteingesessenen in einen erbitterten Konflikt gerät. Der Film seziert zunächst die Gefühlswelt des spanischen Hinterlands und dann die Geschichte einer Frau und ihrer Ehe. Regisseur Rodrigo Sorogoyen gehört aktuell nach einer Oscarnominierung und zwei Goyas für seine vorherigen Filme zu den bekanntesten Filmemachern Spaniens.

Der Kopf hinter einem weiteren Film, der im November auf dem IFFMH zu erleben sein wird, bedarf kaum einer Vorstellung: der vielfach ausgezeichnete philippinische Meisterregisseur Lav Diaz. Sein neuestes Werk ›When The Waves are gone‹ ist ein episches Sühnedrama. Ein Mann wird nach vielen Jahren aus dem Gefängnis entlassen und sinnt auf Rache an seinem ehemals besten Freund.

Alle genannten Filme sind Deutschlandpremieren.

Das 71. IFFMH findet vom 17. bis 27. November 2022 statt. 

Das gesamte Festivalprogramm des IFFMH 2022 wird Ende Oktober veröffentlicht.

(Quelle: IFFMH – Filmfestival Mannheim gGmbH / Foto: Hannes Blank)