Heidelberg – Rund 580.000 Vereine gibt es in Deutschland. Tendenz: weiter steigend. Gleichzeitig haben jedoch bestehende Vereine immer größere Probleme, Vorstandsämter zu besetzen. Hier setzt jetzt das Modellprogramm „Engagement braucht Leadership – Fit für Vereinsführung“ der Robert Bosch Stiftung an, das in sieben Städten Baden-Württembergs gestartet ist. Ziel ist es, die Vereinsvorstände zu qualifizieren und damit auch das bürgerschaftliche Engagement der Zukunft zu sichern.
In Heidelberg wird das Projekt mit den Kooperationspartnern des Paritätischen Wohlfahrtsverbands/der FreiwilligenBörse, der Arbeitsgemeinschaft der Stadtteilvereine (ARGE), dem Stadtjugendring, dem Sportkreis, dem Heidelberger Selbsthilfebüro sowie der Stadt Heidelberg (Koordinierungsstelle Bürgerschaftliches Engagement im Referat des Oberbürgermeisters) und dem Interkulturellen Zentrum (IZ) umgesetzt. Rund 50 Heidelberger Vereine aus allen gesellschaftlichen Bereichen kamen am 14. März 2015 zum 1. Heidelberger Vereinsforum beim Stadtjugendring zusammen.
Dr. Ferdinand Mirbach, Projektleiter bei der Robert Bosch Stiftung, erläuterte die Initiative für Vereine: in den nächsten zwei Jahren sollen neben insgesamt vier Vereinsforen auch weitere Veranstaltungen im Rahmen der Reihe „Vorstände im Gespräch“ stattfinden, in denen Heidelberger Vereine gelungene Konzepte vorstellen und diskutieren können. Eine Vereinswerkstatt wird zusätzlich sechs Vereinen intensives Coaching und Beratung bei Veränderungsprozessen bieten.
In seinem Impulsvortrag zu „Struktur- und Haftungsfragen bei Vereinen“ stand sich Ingo Pezina, Jurist beim Paritätischen Wohlfahrtsverband Baden-Württemberg, einer Fülle von praktischen Fragen aus dem Alltag der Vereinsrepräsentanten gegenüber. Was bedeutet die „Entlastung des Vorstands“ genau? Wie sieht die optimale Satzung für einen Verein aus? Pezina betonte ausdrücklich, wie wichtig eine Haftpflichtversicherung für Vereine sei, die auch die „grobe Fahrlässigkeit“ für Ehrenamtliche beinhalte. Im Falle eines Falles hafte sonst der Verein mit seinem Vermögen. Auch das Einsetzen eines Steuerberaters sei für Vereine zu empfehlen, um die teilweise komplexen steuerrechtlichen Angelegenheiten korrekt und haftungsbefreit abwickeln zu können.
Noch detaillierter rund um das Thema „Steuer“ ging es auch in einem der nachfolgenden Workshops mit Steuerberater Dr. Peter Schlör. Welche Vorteile bietet die Gemeinnützigkeit eines Vereins? Was muss ein Förderverein beachten? Auch das Thema „Mindestlohn“, das besonders viele Sportvereine aktuell beschäftigt, wurde ausführlich behandelt. Hier gilt, dass ehrenamtliche Arbeit nicht unter das Mindestlohngesetz fällt. Auch nicht für Vereinsleute, die einen Übungsleiterfreibetrag von 2.400 Euro pro Jahr oder einen Ehrenamtsfreibetrag von 720 Euro jährlich erhalten. Arbeitet eine Person jedoch im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses wie z.B. eines Minijobs auf 450-Euro-Basis gilt der Mindestlohn – und der Beginn, das Ende und die Dauer der Arbeitszeiten müssen erfasst werden.
Mit Daniel Unser vom Badischen-Gemeinde-Versicherungsverband BGV wurden haftungsrechtliche Themen anhand praktischer Beispiele diskutiert. Wer haftet, wenn das Pferd beim vom Stadteilverein veranstalteten Martinszug scheut und jemanden verletzt? Wichtig auch hier: die Überprüfung, ob in der Haftpflichtversicherung fixiert wurde, dass der Verein als Ausrichter von eigenen Veranstaltungen gegen Schadenersatzansprüche geschützt ist.
Zum Abschluss trafen sich die Vereine, die sich für das Thema „Vereinswerkstatt“ interessieren: Bis zum 10. April 2015 können sich Heidelberger Vereine noch bewerben, professionelles Coaching und Beratung in mehreren Sitzungen über ein Jahr hinweg zu erhalten, wenn sie vor konkreten Herausforderungen und/oder Veränderungsprozessen stehen. Aus den Bewerbungen wählt eine Jury dann sechs Vereine für die Werkstatt aus. Lediglich ein geringer Eigenanteil von 250 Euro kommt dabei auf die Vereine zu.
Die vielen Fragen und Beiträge beim Vereinsforum zeigten, dass die Aktion „Engagement braucht Leadership – Fit für Vereinsführung“ in Heidelberg ankommt: „Eine sehr gute Veranstaltung mit qualifizierten Ansprechpartnern und guter Kommunikation unter den Vereinen. Bei den nächsten Veranstaltungen sind wir wieder mit dabei“, meinte z.B. Herbert Pfeiffer vom 1. MGV Liederkranz 1847, dem „ältesten“ Verein im Forum. Andreas Horch, stellvertretender Vorstand des Turnerbunds Rohrbach mit über 700 Mitgliedern, sagte: „Gerade zu den Themen Haftung, den Rechten und Pflichten des Vorstands und den Versicherungsangelegenheiten nehmen wir viel Neues mit.“
Im Oktober soll das 2. Heidelberger Vereinsforum stattfinden.