Lambrecht – Im Zuge der Beschäftigung mit seiner textilen Vergangenheit lädt der elektrotechnische Sensorik-Hersteller Jola Spezialschalter nach Lambrecht in seine Räumlichkeiten – die ehemalige Tuchfabrik Gebrüder Haas – zur Buchvorstellung von Helmut Seebach, der auf Pfälzische Wirtschafts- und Sozialgeschichte spezialisiert ist.
Helmut Seebach ist vielseitig unterwegs: als Volkskundler, Historiker und Kulturschaffender. Er verfasste bereits über 50 Bücher, darunter die meisten seit 1983 in seinem eigenen Bachstelz-Verlag (Mainz). Das Verlagsprogramm ist auf eine analytisch-kritische Heimatbeschreibung der Pfalz ausgerichtet und umfasst neben zahlreichen Monographien mehrere Pfalzreihen.
Sein neuestes Werk beschäftigt sich mit „Flechten, Spinnen, Weben“ – drei Tätigkeitsbereichen, die noch bis ins 20. Jahrhundert die Erwerbsformen der Menschen vornehmlich der Vorderpfalz prägten. Es sind heute nahezu vollständig verschwundene Kulturtechniken. Helmut Seebach hat dies zum Ausgangspunkt eines eigenen Buches gemacht, das unter dem Titel „Rheinebene“ als sechster Band der Reihe „Altes Handwerk und Gewerbe in der Pfalz“ kürzlich erschienen ist. Als Arbeitsmaterialien wurden Weiden, Schilf, Stroh, Seide, Tabak, Flachs, Hanf und Wolle eingesetzt. Diese natürlichen und landwirtschaftlichen Produkte wurden in Heimarbeit und Industrie verarbeitet und veredelt. Ausführlich in Text und Bild werden das Korbflechten, das Faschinen-, Schilfrohr-, Stroh- und Palmhutflechten, das Flachs-/Hanfspinnen, Seiden- und Tabakspinnen, das Zigarrenmachen, Leinen- und Wollweben dokumentiert.
Eine Sonderentwicklung nahm Lambrecht mit der fabrikmäßigen Herstellung von Wollstoffen ein. Der kleine Ort wurde die bedeutendste Tuchmacherstadt Bayerns. Im Laufe der Geschichte seit den 1560er-Jahren zeigen sich alle Produktionsformen, von der zünftischen Arbeit, über manufakturähnliche Betriebe bis zur fabrikmäßigen Tuchherstellung. Der vor 4 Jahren verstorbene Heimatforscher Karl Heinz Himmler hat diese beeindruckende Wirtschafts- und Sozialgeschichte in zahlreichen Beiträgen solide beschrieben. Im persönlichen Kontakt mit ihm entwickelte sich eine fruchtbare kollegiale Zusammenarbeit, die nun ihre persönliche Würdigung erfährt. Der Autor widmete u. a. ihm den vorzustellenden Band „Rheinebene“ mit folgenden Worten:
„Für Egon Ehmer (1927-2019) – Mörlheim und Karlheinz Himmler (1937-2019) – Lambrecht. Ich stehe dankbar auf Eueren Schultern!“
In einer etwa einstündigen Veranstaltung wird Helmut Seebach Anfang September 2023 sein Buch in Lambrecht vorstellen. Gastgeber ist die Firma Jola Spezialschalter, die seit 1952 in der Mess- und Regeltechnik unterwegs ist. Ihr Sitz befindet sich in Lambrecht (Pfalz) in den Gebäuden ihres Vorgänger-Unternehmens, der Tuchfabrik Gebrüder Haas, die von 1868 bis 1961 als eine der größten örtlichen Volltuchfabriken unterschiedliche Stoffe produzierte. Grund des Aufbruchs in die Elektrotechnik waren die Innovationen des Elektrikers Josef Lambrecht, die Firmenchef Karl Mattil zur Gründung des nach dem Erfinder benannten Unternehmens „Jola Spezialschalter“ bewegten. Nachdem die Lambrechter Tuchfabriken in den 1960er-Jahren ihre Produktion einstellten, veränderte sich das damals industriell geprägte Ortsbild stark. Die Tuchfabrik Gebrüder Haas ist heute einer der verbliebenen Erinnerungsposten an die jahrhundertealte Tuchmachertradition.
Um ebendiese nicht dem Vergessen preiszugeben, richtete Gerald Lehmann im Nachbarort Lindenberg 2018 in privater Initiative sein „Weber-Museum“ ein, in dem er historisch interessierten Besuchern, Studenten und Forschern den Übergang von der handwerklichen zur industriellen Tuchproduktion und die durch sie hervorgerufenen Folgen näher bringt. Die Präsentation verteilt sich auf mehrere Räume – Videovorführung, Spinnstube, Webstube, Walkstube und Färberei – und macht so die 400-jährige Wirtschaftsgeschichte der Tuchmacherei im Lambrechter Tal nicht nur anschaulich, sondern im wahrsten Sinne des Wortes begreiflich.
Die Buchvorstellung wird am Mittwoch, den 6. September 2023 um 18 Uhr bei Jola Spezialschalter in der Klostergartenstraße 11 in Lambrecht (Pfalz) stattfinden.
Nach der Begrüßung und Kurzvorstellung der Tuchfabrik Gebrüder Haas durch Lars Mattil, den heutigen Geschäftsleiter von Jola Spezialschalter und Enkel des Gründers, wird Gerald Lehmann über ihr gemeinsames Ziel berichten: „Aus der Geschichte lernen für die Zukunft“. Anschließend wird Helmut Seebach im Vortrag „Die soziale und wirtschaftliche Situation im Lambrechter Tal im 19. Jahrhundert“ Einblicke in dieses interessante Kapitel der Pfalz-Geschichte geben. Schließlich runden eine Diskussionsrunde, ein Sektempfang und Kleingruppen-Führungen durch historische Räume im Verwaltungsgebäude die Veranstaltung ab.
Der Eintritt ist frei. Das Buch kann für 30,- Euro vor Ort beim Autoren erworben und von ihm signiert werden.
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