Edenkoben (ots) – Am Montag 11.09.2023 entführte und missbrauchte ein 61-jähriger vorbestrafter Sexualstraftäter ein 10-jähriges Kind. Der 61-Jährige wurde wegen Verdacht des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in Untersuchungshaft genommen. Die Staatsanwaltschaft Frankenthal (Pfalz) und das Polizeipräsidium Rheinpfalz geben nun weitere Informationen bekannt.
Bei dem 61-Jährigen handelt es sich um den im Juli 2023 aus der Haft entlassenen Sexualstraftäter aus Neustadt. Der 61-Jährige war in der Vergangenheit bereits wegen der Begehung von Sexualstraftaten, zuletzt 2008, in Erscheinung getreten und in den Jahren 1996 und 2008 zu jeweils mehrjährigen Haftstrafen verurteilt worden. Nach Verbüßung seiner Freiheitsstrafen war er im Jahr 2012 aus der Haft entlassen und unter Führungsaufsicht, welche dem Gericht und den gerichtlichen Bewährungshelfern obliegt, gestellt worden.
Die Führungsaufsicht ist im Strafgesetzbuch (hier §§ 61, 68-68g StGB) geregelt. Hierbei handelt es sich nicht um eine Strafe im Sinne der deutschen Strafgesetze, sondern um ein Instrument, um eine gewisse Überwachung und Kontrolle der verurteilten Person zu gewährleisten. Zudem soll die Führungsaufsicht diese nach der Entlassung aus der Strafhaft, der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt durch Betreuung und Hilfe unterstützen, ihr dadurch die Eingliederung in die Gesellschaft ermöglichen und sie dadurch vor erneuter Straffälligkeit bewahren. Daneben obliegen Maßnahmen der Gefahrenabwehr zum Schutz der Allgemeinheit der Polizei.
Aufgrund mehrfacher Verstößen gegen die Führungsaufsicht wurde der 61-Jährige letztmalig im Jahr 2020 zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Nach vollständiger Verbüßung seiner Haftstrafe wurde er am 14.07.2023 aus der Haft entlassen und erneut unter Führungsaufsicht gestellt. Eine weitere Inhaftierung oder sonstige Unterbringung war von Gesetzes wegen nicht möglich.
Aufgrund seiner Vorgeschichte, früherer psychologischer Gutachten und der sich daraus ergebenden Gefahr einer erneuten Straffälligkeit fand bereits im Vorfeld der nahenden Entlassung im April 2023 auf Initiative der Staatsanwaltschaft Frankenthal eine interdisziplinäre Fallkonferenz zwischen Staatsanwaltschaft, Polizei, Bewährungshilfe sowie Führungsaufsichtsstelle statt.
In dieser wurden die bei Gericht anzuregenden Weisungen formuliert. Hierbei wurden unter anderem Kontakt- und Aufenthaltsverbote beantragt.
Über diese Maßnahmen hinaus hat die Staatsanwaltschaft Frankenthal (Pfalz) beim Landgericht Frankenthal einen Antrag auf die Verpflichtung zum Tragen einer sogenannten „Elektronischen Fußfessel“ gestellt, welcher im ersten Beschluss vom Landgericht abgelehnt wurde. Dagegen legte die Staatsanwaltschaft Frankenthal (Pfalz) unmittelbar beim Oberlandesgericht Zweibrücken Beschwerde ein. Dieser wurde stattgegeben und der Beschluss vom Landgericht dahingehend angepasst, dass eine „Elektronischen Fußfessel“ zu tragen ist.
Der 61-Jährige weigerte sich trotz der Weisung, sich die Fußfessel anlegen zu lassen. Das Anlegen unter Zwang ist rechtlich nicht möglich und konnte daher bislang nicht erfolgen, weswegen die Staatsanwaltschaft Frankenthal (Pfalz) ein neues Ermittlungsverfahren wegen des Verstoßes gegen Weisungen während der Führungsaufsicht eingeleitet hat.
Noch vor seiner Entlassung aus der Haft wurde im Juni von Polizeikräften eine erste Gefährderansprache durchgeführt. In dieser wurde der 61-Jährige insbesondere darauf hingewiesen, dass die gerichtlich festgelegten Weisungen des Führungsaufsichtsbeschlusses zu befolgen sind und festgestellte Verstöße bei der Staatsanwaltschaft vorgelegt werden.
Zudem wurden umfangreiche Gefahren abwehrende Maßnahmen getroffen, die zuvor in Fallkonferenzen mit den zuständigen Stellen abgestimmt wurden. So wurde beispielsweise zur Abarbeitung möglicher Straftaten und zur strukturierten Aufnahme von Hinweisen bei der Kriminalinspektion Neustadt, eine Ermittlungsgruppe eingerichtet. Darüber hinaus wurden, im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten, unter anderem intensive Kontrollmaßnahmen durchgeführt.
Deutlich über die richterliche Weisung hinaus nahmen Polizeikräfte dazu unangekündigt und engmaschig, zum Teil täglich, Kontakt zu ihm auf, um auf die Einhaltung der Auflagen der Führungsaufsicht hinzuwirken.
Von Staatsanwaltschaft, Polizei und allen anderen beteiligten Stellen wurden, im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten, fortlaufend sorgfältig geprüft, welche Maßnahmen getroffen werden müssen, um eine weitere Straffälligkeit des 61-Jährigen zu verhindern.
Dazu gehörte auch, ob eine informatorische Einbindung der Schulbehörden oder der Öffentlichkeit über den entlassenen 61-Jährigen erforderlich war. Hierbei waren die Interessen der Allgemeinheit einerseits gegen die Persönlichkeits- und Freizügigkeitsrechte des Entlassenen andererseits sorgfältig abzuwägen.
Insbesondere eine öffentliche Bekanntgabe personenbezogener Daten ist nur unter sehr strengen Voraussetzungen möglich. Diese waren in diesem Fall leider nicht gegeben.
Nachdem der Polizei bekannt wurde, dass die Entlassung des 61-Jährigen zu einer großen Verunsicherung der Bevölkerung geführt hat und in Sozialen Netzwerken vor ihm gewarnt wird, wurde bei der Polizei Neustadt ein Hinweistelefon eingerichtet. Es gingen eine Vielzahl von Meldungen über diverse Aufenthaltsorte des 61-Jährigen ein. Unter anderem wurde er in Maikammer und Edenkoben gesehen. In vielen Fällen konnte durch die Ermittlungen letztendlich nicht geklärt werden, ob der Mann sich an für ihn verbotenen Orten tatsächlich aufhielt.
Im Zeitraum zwischen der Entlassung und dem 17.08.2023 wurden mehrere behauptete Verstöße gegen die Führungsaufsicht zur Anzeige gebracht und überprüft. Bei der weit überwiegenden Anzahl der Anzeigen waren Straftaten nicht beweisbar.
In drei Fällen konnten nach § 145a StGB (Strafrahmen: Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren oder Geldstrafe) strafbare Handlungen aus Sicht der Staatsanwaltschaft hinreichend nachgewiesen werden. Aufgrund dessen erhob die Staatsanwaltschaft Frankenthal (Pfalz) am 08.09.2023 beim Amtsgericht Neustadt/Weinstraße Anklage gegen den 61-Jährigen. Mit Anklageerhebung beantragte die Staatsanwaltschaft ferner Erlass eines Untersuchungshaftbefehls wegen Fluchtgefahr und Verdunklungsgefahr, weil mit Zustellung der Anklageschrift an den 61-Jährigen zu befürchten war, dass er sich dem Strafverfahren entziehen und die Wahrheitsfindung erschweren werde.
Auch bei Staatsanwaltschaft Frankenthal und Polizeipräsidium Rheinpfalz löst die Tat tiefe Betroffenheit aus. Wir verstehen die Sorge und den Unmut, die sie in unserer Gemeinschaft auslöst.
Gleichwohl müssen wir betonen, dass wir bei unserer Aufgabenerfüllung an geltendes Recht und Gesetz gebunden sind. Im Rahmen dieser Vorgaben haben wir die uns zur Verfügung stehenden und taktisch sinnvollen Möglichkeiten ausgeschöpft.
Vorherige Meldung vom 11.09./12.09.2023