Berlin – Einführung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs, Reform der Pflegenoten-Systematik, Nachweispflicht zur angemessenen Entlohnung von Pflegekräften – die Aufgaben der Großen Koalition in Sachen Pflegeneuordnung sind umfangreich. Nachdem das Pflegestärkungsgesetz zum Jahresbeginn 2015 in Kraft getreten ist, nimmt die Politik nun den zweiten Teil der Pflege-Agenda in Angriff.
Sechs Wochen vor dem 2. Deutschen Pflegetag sagte Jürgen Graalmann, Vorstandsvorsitzender des AOK-Bundesverbandes, auf einer Klausurtagung am Donnerstag (29. Januar): "Wenn wir die Pflege von morgen sichern wollen, müssen wir heute Entschlossenheit zeigen. Das wird ohne eine breite gesellschaftliche Basis nicht gelingen." Am Gedankenaustausch zur Pflege im Haus des AOK-Bundesverbandes nahmen unter anderem der Pflegebevollmächtigte der Bundesregierung, Karl-Josef Laumann, die ehemalige Bundestagspräsidentin, Prof. Rita Süssmuth, und Medizinkabarettist Eckart von Hirschhausen teil.
Nach Bekanntwerden erster Ergebnisse aus den beiden Erprobungsstudien machte Graalmann deutlich, dass die Einführung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs für die Zukunftsfähigkeit der Pflegeversicherung von entscheidender Bedeutung sei.
"Dieses Projekt muss absoluten Vorrang haben. Darum ist es gut zu sehen, dass jetzt mit Hochdruck an der Umsetzung gearbeitet wird. Denn noch vor der Bundestagswahl 2017 muss das neue Begutachtungsverfahren eingeführt sein, wenn die reformierte Einstufung nach den fünf Pflegegraden reibungslos funktionieren und entsprechende Pflegeleistungen fließen sollen."
Die soziale Pflegeversicherung
Die zweite große Herausforderung bis zum Ende der Legislatur sieht Graalmann in der Reform des Pflegenotensystems: "Die Kritik daran ist zweifelsohne berechtigt. Was wir brauchen, ist ein intelligenter und gut vorbereiteter Relaunch, der stärker als bisher die Ergebnisqualität der Pflege misst und nachvollziehbar abbildet." Auch auf diesem Feld werde es nicht ohne einen breiten Konsens der Beteiligten gehen, um das Vertrauen der Pflegebedürftigen und Angehörigen zu stärken.
Ausdrücklich begrüßte Graalmann die Initiative des Pflegebevollmächtigten Laumann, der im Pflegestärkungsgesetz II eine Nachweispflicht von Pflegeeinrichtungen zur angemessenen Entlohnung von Pflegekräften verankern will. "Schon beim ersten Teil des Pflegestärkungsgesetzes haben wir uns daher für mehr Transparenz im Bereich der Bezahlung beziehungsweise für die Offenlegung der Kalkulationsgrundlagen stark gemacht. Aus meiner Sicht ist es absolut sinnvoll, die bisher gefundene Regel auf alle Pflegeeinrichtungen auszuweiten."
Werden Pflegesätze auf Basis von Tarifverträgen vereinbart, müssen ambulante und stationäre Pflegeeinrichtungen sicherstellen, dass Beschäftigte Tariflohn erhalten. Dies müssen die Einrichtungen auf Nachfrage gegenüber Pflegekassen belegen. Nach der jetzt geltenden Regelung ist es aber so, dass gerade Einrichtungen, die nicht nach Tarif zahlen, auch nicht nachweisen müssen, wie sie die Pflegesätze verwenden.
Graalmann: "Für die Zukunft des Älterwerdens wird entscheidend sein, dass wir einen guten Versorgungsmix aus professioneller Pflege, Angehörigenunterstützung und ehrenamtlicher Pflege hinbekommen. Das wünschen sich nicht nur die Versicherten, auch der Fachkräftemangel und der steigende Pflegebedarf weisen in diese Richtung."