Von den französischen Revolutionären, über die Anschläge der RAF oder des Islamischen Staates: Der Terror bedient sich stets der Medien, um seine Wirkung in die Massen zu bringen. Mit seiner Dissertation „Das Image des Terrorismus im Kunstsystem“ fühlt Sebastian Baden von der Staatlichen Hochschule für Gestaltung Karlsruhe einem Phänomen auf den Zahn, das heute aktueller denn je ist.
Darin vertritt der akademische Mitarbeiter am Fachbereich Kunstwissenschaft und Medienphilosophie die These, dass neuzeitlicher Terrorismus und das Kunstsystem ihren Ursprung etwa zur gleichen Zeit in der beginnenden Um- und Unordnung der Moderne haben. Er zeichnet dabei den Weg der Bildpolitik des modernen Terrorismus-Topos bis in die Gegenwart nach.
Bilder und Medien werden seit jeher von terroristischen Gruppierungen – Gruppierungen, die nach Herrschaft streben – verwendet, um die eigenen Botschaften zu verbreiten und Macht aufzubauen oder zu festigen. Während der Französischen Revolution wollten die Jakobiner Hinrichtungsdarstellungen verbreiten, auch die RAF-Bewegung spielte gekonnt mit Eigeninszenierungen. Heute verbreitet der Islamische Staat Bilder und Videos im Internet – von Hinrichtungen und Gefechten.
„Terroristen bauen auf eine Übertragung durch die Medien, sind sogar daran gebunden“,
sagt Sebastian Baden, akademischer Mitarbeiter an der HfG Karlsruhe. Nur so könnte die Botschaft verbreitet werden.
„Hierbei handelt es sich regelrecht um eine terroristische Kommunikationsstrategie.“
Die Medien unterstützten diese Strategie, indem sie die Bilder unkommentiert veröffentlichen.
„Wichtig ist es, die Selbstdarstellungen der Terroristen zu entzaubern und nicht kontextlos auf Titelseiten und in sozialen Netzwerken zu verbreiten“,
erklärt Baden, der sich in seiner Dissertation mit der Bild- und Begriffsgeschichte des Terrorismus mit Fokus auf Imagebewegungen zwischen politischer und künstlerischer Praxis auseinandersetzte.
Für die Kunst – wie auch für die Populärkultur – stellt das ‚Image‘ des Terrorismus seither ein bedeutendes Paradigma dar, das ständig neu verhandelt wird, sei es aus aktuellem politischem Anlass oder aufgrund einer künstlerischen Provokation. Baden: „Das ancien régime fand seine Ablösung im régime de terreur und der Hofkünstler des Absolutismus wurde vom Avantgarde-Künstler abgelöst.“ Später folgte die Darstellung aktionistischer Gewalt in der Neo-Avantgarde der Nachkriegszeit, das ‚Post-9/11-Image‘ in Kunstausstellungen zum Thema Terrorismus seit 2001 oder die Videobotschaften der NSU, die sich den rosaroten Panther aneigneten. Baden untersucht dabei nicht nur konkrete künstlerische Beispiele, Karikaturen und Abbildungen terroristischer Akte, sondern auch die Darstellungen sogenannter Terror-Organisationen in den Medien sowie deren eigene ästhetische Praxis.
Zwischen der (Re-) Präsentation des Terrorismus in den Massenmedien und seiner Image-(Re-)Produktion in der Bildenden Kunst liegen spannenden Wechselwirkungen, die im Laufe der Jahrhunderte in Variationen immer wiederkehrten.
„Auch die Terrorismusbilder müssen einer Kunstkritik unterzogen werden – man muss die Manipulation offenlegen“,
fordert Baden und beruft sich dabei auf den Philosophen, Kunstkritiker und Medientheoretiker Boris Groys. Deswegen engagiere er sich auch im „Netzwerk Terrorismusforschung“ und behauptet:
„Bildkompetenz ist gerade in einer unästhetischen Demokratie wichtig“ und meint damit den Bildüberlegenheitseffekt Radikaler. „Eine parlamentarische Versammlung kann sich nicht in Posen gebärden.“
Die Dissertation wurde im Fachbereich Kunstwissenschaft und Medientheorie von Prof. Dr. Beat Wyss betreut und 2014 abgeschlossen. Im kommenden Frühjahr soll die Publikation erscheinen. Sebastian Baden ist Mitglied im Vorstand des Netzwerk-Terrorismusforschung e.V.