Die Mainzer Ethnologin Univ.-Prof. Dr. Carola Lentz ist am vergangenen Wochenende für ihr im Jahr 2013 bei Indiana University Press veröffentlichtes Werk „Land, Mobility, and Belonging in the West African Savanna“ mit dem Melville J. Herskovits Award 2014 ausgezeichnet worden.
Der international wichtigste Buchpreis auf dem Feld der Afrikastudien ist nach dem Gründer der interdisziplinären African Studies in den USA benannt und wird seit 1965 jährlich von der African Studies Association (ASA) für die beste englischsprachige wissenschaftliche Monografie über Afrika verliehen. Die Laudatio des Auswahlkomitees lobt Lentz’ Buch als „eine bis ins Feinste durchgearbeitete und wunderbar argumentierende Schilderung“ der vorkolonialen, kolonialen und nachkolonialen Landnahme in Nordghana und Burkina Faso.
Für die bereits fünfzigste Verleihung des Preises in diesem Jahr waren mehr als 100 Publikationen eingereicht. Bücher von europäischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern wurden bislang selten geehrt, und mit Carola Lentz erhält nun erstmals eine deutsche Wissenschaftlerin den Herskovits Award.
Univ.-Prof. Dr. Carola Lentz ist seit dem Jahr 2002 Professorin am Institut für Ethnologie und Afrikastudien der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU), seit Juni 2014 Mitglied der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften und derzeit Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Völkerkunde (DGV). Ihr jetzt von der ASA ausgezeichnetes Buch „Land, Mobility, and Belonging in the West African Savanna“ beruht auf umfangreichen Feldforschungen seit Mitte der 1990er-Jahre, die Lentz zunächst im Rahmen des Sonderforschungsbereichs „Westafrikanische Savanne“ der Goethe-Universität Frankfurt und später seit ihrer Berufung nach Mainz dann von hier aus unternahm.
Das Forschungsteam sammelte über 700 mündliche Zeugnisse über Siedlungsgeschichte, Eigentumsansprüche und bodenrechtliche Konflikte in mehr als 200 Dörfern von Dagara- und Sisala-Bauern. Lentz’ Buch analysiert, mit welchen Erzählungen und Ritualen expansive Dagara-Einwanderer neue Eigentumsansprüche legitimiert und wie sie sich mit den Sisala-Erstsiedlern auseinandergesetzt haben. Es zeichnet nach, wie Eigentumsrechte, in Erdschreinen symbolisiert, im Laufe der letzten 150 Jahre in unterschiedlichen politischen Kontexten übertragen wurden und welche Rolle dabei Gewalt und die spätere Unterdrückung von Gewalt durch die Kolonialherren spielten.
Es untersucht, wie Erzählungen – in einem Kontext, in dem schriftliche Verträge und Grundbücher fehlen – Erwerbsgeschichten kodifizieren und Grundstücksgrenzen definieren. Und das Buch legt dar, wie zentral die umstrittene Frage nach dem Zustandekommen von originärem Eigentum an Land heute immer noch ist: Ein solches „Ur“-Eigentum kann nicht mehr erworben werden, aber es wird als unerlässliche Basis der vollgültigen Mitgliedschaft in Lokalgemeinschaften angesehen. Entsprechend bleiben Zuwanderer auch nach mehreren Generationen noch „Fremde“.
„Über den Herskovits-Preis freue ich mich außerordentlich“, sagt die frisch gekürte Preisträgerin. „Ich habe – mit Unterbrechungen – über fünfzehn Jahre an diesem großen Buchprojekt gearbeitet und mit der großen Fülle widerstreitender Siedlungsgeschichten gerungen. Ich wollte nicht nur einen Mikrofall beschreiben, sondern auch ein theoretisches Argument über den Fall hinaus entwickeln – nämlich wie eine Eigentumsordnung in Abwesenheit eines dominanten Staats ausgehandelt werden konnte. Es ist sehr befriedigend, dass diese enorme Anstrengung nun auf so schöne Weise Anerkennung findet.“