Klettergerüste für Zellen beeinflussen Wachstum und Morphologie

Biophysikalische Forschung für zukünftige Implantate

Diplom-Biophysikerin Judith Hohmann, TU Kaiserslautern

In einer älter werdenden Gesellschaft sind Implantate in vielen Fällen notwendig, um Mobilität und Lebensqualität der Menschen zu erhalten.

Allerdings sind längst nicht alle Implantationen erfolgreich, oft sind langwierige und riskante Nachbehandlungen nötig, weil beispielsweise das Implantat nicht gut vom Knochen umwachsen wird. Um Zahnimplantate zuverlässiger zu machen, wird zum Beispiel ihre Oberfläche aufgeraut, da darauf die Zellen des umgebenden Knochen schneller in die Oberfläche einwachsen. Die zugrunde liegenden zellulären Mechanismen sind noch nicht bekannt.

In einer kürzlich veröffentlichten Studie konnten Professor Georg von Freymann und seine Mitarbeiterin, die Doktorandin Judith Hohmann, erstmals Zusammenhänge zwischen dreidimensionaler Oberflächenstruktur und Zellwachstum systematisch aufzeigen. „Wenn wir verstehen, wie Zellen sich in verschieden strukturierten Umgebungen verhalten, könnte dies langfristig zu verbesserten Implantaten führen", erläutert die junge Biophysikerin Hohmann die Motivation für die Forschungen. Die Arbeiten wurden im Rahmen des Landesforschungszentrums OPTIMAS am Fachbereich Physik der TU Kaiserslautern durchgeführt.

Um die Wechselwirkung der Zellen besser zu verstehen, wurden verschiedene Strukturen mit Abmessungen weniger Mikrometer hergestellt. Dazu nutzte Hohmann die Technologie des 3D Mikrodruckens, mit der dreidimensionale Polymerstrukturen aus einem flüssigen Ausgangsmaterial erzeugt werden können. Anschließend wurden die Strukturen mit Titandioxid beschichtet, sodass sie chemisch mit den Oberflächen von Implantaten identisch sind. Auf diesen Strukturen ließ die Nachwuchswissenschaftlerin Zellen wachsen, die denen des menschlichen Knochengewebes sehr ähnlich sind. Sie untersuchte dann das Zellwachstum und verglich es mit dem Wachstum an unstrukturierten Oberflächen.

Die verwendeten Strukturen ähnelten in ihrer Form kleinen Klettergerüsten und wurden von den Zellen auch wie solche genutzt. An den Gerüsten wuchsen die Zellen sehr viel besser als in den Kontrollexperimenten ohne strukturierte Oberflächen zum „Festhalten“. Dabei haben die Zellen eine deutliche Vorliebe für bestimmte Formen und Abstände einzelner Klettergerüste: Eine Veränderung der Abstände von Klettergerüsten ermöglicht es, das Wachstum der Zellen deutlich zu beeinflussen. Außerdem ist das Erscheinungsbild der Zellen von ihrer Umgebung abhängig. Dies lieferte einen ersten Ansatz, um das Wachstumsverhalten der Zellen auf dem künstlichen Material besser zu verstehen. Erfreulicherweise wurde die Funktionalität der Zellen nicht beeinflusst, sie sind weiterhin in der Lage, neues Knochengewebe zu bilden.

Die Ergebnisse diese Studie können zukünftig zu verbesserten Implantaten führen, die schneller vom umgebenden Knochengewebe umwachsen werden. Von Freymann und Hohmann haben ihre Ergebnisse in der hochangesehen Fachzeitschrift Advanced Functional Materials veröffentlicht. Die Herausgeber der Zeitschrift waren von der Studie so beeindruckt, dass sie diese in der gedruckten Ausgabe auf das Titelblatt brachten.