Gemeinderatswahl in Wattenheim ungültig

Die Ortsgemeinderatswahl in Wattenheim am 25. Mai 2014 war ungültig. Dies hat das Verwaltungsgericht Neustadt a.d. Weinstraße in einem heute verkündeten Urteil entschieden.

Der Gemeinderat in Wattenheim besteht aus 16 Ratsmitgliedern, die bei der Kommunalwahl am 25. Mai 2014 in einer personalisierten Verhältniswahl gewählt wurden. Zwei der insgesamt 16 Sitze gingen an die Freie Wählergruppe Wattenheim e.V., ein Sitz an die nicht mitgliedschaftlich organisierte Wählergruppe (WG) Nagel.

Im Vorfeld der Wahl hatte die WG Nagel im Amtsblatt der Verbandsgemeinde Hettenleidelheim vom 27. März 2014 zur Aufstellungsversammlung mit folgendem Text eingeladen: „Einladung zur wahlberechtigten Versammlung am Donnerstag, den 03.04.2014 um 19.30 Uhr in der Gaststätte „Bistro-Laternche“ (Nebenzimmer) in Wattenheim, Hauptstraße 63, zur Aufstellung der Bewerberliste der Wählergruppe Nagel zur Gemeinderatswahl am 25.05.2014.“

Die Versammlung fand in einem Nebenzimmer der genannten Gaststätte statt, das etwa 16 m2 bis 18 m2 groß ist. Es nahmen 20 Personen an der Versammlung teil.  Die Wahl der Bewerber für die Wahl in den Gemeinderat Wattenheim wurde in sieben Wahlgängen durchgeführt. Jeder anwesende Wahlberechtigte erhielt ein als  Stimmzettel dienendes Papierstück in Größe DIN A7, das mit dem Logo der Wählergruppe versehen, ansonsten unbeschrieben war.  Dieser Stimmzettel war handschriftlich mit „Ja“, „Nein“ oder „Enthaltung“ auszufüllen. Zum Ausfüllen des Stimmzettels gab es keine Wahlkabine. Es waren keine sonstigen Sichtschutzmaßnahmen getroffen worden, die ein Ausfüllen des Stimmzettels ohne Einblick Dritter erlaubt hätten.

Die Kläger sind wahlberechtigte Einwohner von Wattenheim und hatten sich bei der Kommunalwahl am 25. Mai 2014 als Mitglieder der FWG erfolglos um ein Mandat im Gemeinderat Wattenheim beworben. Im Juni 2014 erhoben die Kläger  Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl und rügten die nicht ordnungsgemäße Einladung zur Versammlung am 3. April 2014 und einen Verstoß gegen den Grundsatz der geheimen Wahl nach § 18 Kommunalwahlgesetz (KWG).

Nach Zurückweisung ihres Einspruchs durch die Kreisverwaltung Bad Dürkheim als zuständige Aufsichtsbehörde mit Bescheid vom 24. Juni 2014 haben die Kläger Klage gegen den Landkreis Bad Dürkheim erhoben.

Die 3. Kammer des Gerichts hat der Klage stattgegeben. Zur Begründung führten die Richter aus:  Die Ortsgemeinderatswahl in Wattenheim sei aus zwei Gründen unwirksam. Zum einen habe die Einladung zur Versammlung der Wählergruppe Nagel am 3. April 2014 nicht im Einklang mit der Vorschrift des § 18 KWG gestanden. Danach könne bei nicht mitgliedschaftlich organisierten WG als Bewerber in einem Wahlvorschlag nur benannt werden, wer in einer Versammlung von im Zeitpunkt ihres Zusammentritts wahl­berechtigten Per­sonen des Wahlgebiets, zu der die Wählergruppe im Wahlgebiet öffentlich einge­laden habe, einzeln in geheimer Abstimmung hierzu gewählt worden sei. Demnach müsse sich die Einladung zur Wahlberechtigtenversammlung an alle Wahlberechtigten der Gemeinde richten. Hierdurch solle verhin­dert werden, dass der demo­kratische Charakter einer Wahl nicht in der Grundlage bereits dadurch verfälscht werde, dass einige Personen unter sich bestimmten, wer in einem Wahlvorschlag aufgestellt werden solle. Hier sei für einen durchschnittlichen an der Kommunal­politik interessierten Wahlberechtigten aus der Einladung vom 27. März 2014 jedoch nicht eindeutig hervorgegangen, dass  er an dieser Versammlung habe teilnehmen und die Bewerber für die Wahlgruppe wählen dürfen.

Zum anderen sei die Wahl unwirksam, weil bei der Versammlung vom 3. April 2014 gegen das Gebot der geheimen Wahl verstoßen worden sei. Zwar sei in § 18 KWG für das Wahlvorschlagsverfahren nicht geregelt, welche Anforderungen an eine geheime Wahl zu stellen seien. Anders verhalte es sich bei der Kommunalwahl. § 34 KWG bestimme zur Wahrung des Wahlgeheimnisses ausdrücklich, dass Vorrichtungen zu treffen seien, dass der Wähler seinen Stimmzettel unbeobachtet kennzeichnen und falten könne.  Für die geheime Abstimmung bei der Aufstellung der Wahlbewerber nach § 18 KWG könne nichts anderes gelten. Denn das Prinzip der geheimen Wahl gehöre zu den die demokratische Staatsform der Bundesrepublik Deutschland mitprägenden Wahlrechtsgrundsätzen. Die geheime Wahl stehe in engem Zusammenhang mit der freien Wahl und solle eine unbeeinflusste Stimmabgabe garantieren. Der Grundsatz der geheimen Wahl gelte für jede Wahl als Ganzes, d. h. auch für die Einreichung von Wahlvorschlägen für Wählergruppen.

Die geheime Wahl erfordere eine technische Gestaltung des Wahlvorgangs, die es unmöglich mache, die Wahlentscheidung eines Wählers zu erkennen oder zu rekonstruieren. Bei geheimer Wahl dürften die Wähler nicht nebeneinander am gemeinsamen Verhandlungstisch auf ihren Plätzen bleiben, weil sie dort naturgemäß nicht unbeobachtet seien. Die bloße Möglichkeit, einen abseits stehenden Tisch aufzusuchen, reiche ebenso wenig aus wie das dem einzelnen mögliche Abdecken des Stimmzettels mit einer Hand oder mit einem Blatt. Vorliegend hätten 20 Teilnehmer in einem ca. 18 m2 großen Raum zusammen gesessen. Die Stuhlreihen seien so eng angeordnet gewesen, dass ein Einblick auf die Stimmzettel möglich gewesen sei. Die Wählergruppe Nagel habe damit gegen das Gebot verstoßen, als Veranstalter der Wahl für die Beachtung des Gebots der geheimen Wahl Sorge zu tragen. Der Wahlfehler sei auch erheblich. Ohne die Zulassung der WG Nagel zur Wahl des Gemeinderats Wattenheim wäre die Wahl anders ausgefallen. Es wäre reine Spekulation, Überlegungen anzustellen, wem die auf die Bewerber der WG Nagel entfallenen Stimmen zugefallen wären, zumal es sich auch um eine Personenwahl handele. Deswegen müsse die Wahl insgesamt für ungültig erklärt werden.

Gegen das Urteil kann innerhalb eines Monats nach Zustellung Antrag auf Zulassung der Berufung durch das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz beantragt werden.

Verwaltungsgericht Neustadt, Urteil vom 8. Oktober 2014 – 3 K 647/14.NW –