Heidelberger Molekularbiologen zeigen, wie die Nährstoffversorgung von Zellen Einfluss auf ihren Umgang mit beschädigter DNS nehmen kann. Zellen sind grundsätzlich dazu in der Lage, spontan auftretende Fehler in der Erbinformation zu reparieren. Dennoch funktioniert dieser Reparaturprozess nicht immer einwandfrei, so dass in manchen Fällen beschädigte DNS bei der Zellteilung weitergegeben wird.
Wissenschaftler am Zentrum für Molekulare Biologie der Universität Heidelberg (ZMBH) haben nun in Hefezellen nachgewiesen, dass der Überwachungsmechanismus für Reparaturen und damit die Qualität der DNS durch die Nährstoffversorgung einer Zelle beeinflusst wird. Daraus könnten sich zum Beispiel neue Ansätze für Verbesserungen in Krebstherapien ergeben, so Forschungsgruppenleiter Dr. Brian Luke. Die Ergebnisse der Arbeiten wurden in der Fachzeitschrift „Cell Reports” veröffentlicht.
Jede Zelle enthält genetisches Material in Form von DNS, in dem auch alle Informationen für die Funktionen der Zelle gespeichert sind. Um eine korrekt funktionierende Tochterzelle zu erhalten, muss die DNS bei jeder Zellteilung exakt kopiert werden. Die Weitergabe von beschädigter Erbinformation muss jedoch verhindert werden. Um beschädigte oder fehlerhafte DNS zu erkennen und eine Vererbung an die Tochterzellen zu vermeiden, haben Zellen Überwachungsmechanismen entwickelt. Diese sogenannten Checkpoints verhindern die Zellteilung und geben der Zelle damit mehr Zeit, das schadhafte Erbgut zu reparieren. In manchen Fällen ist eine effiziente Reparatur jedoch nicht möglich, selbst wenn die Checkpoints aktiviert sind. Wenn DNS-Schäden sehr lange bestehen bleiben, schaltet die Zelle die Checkpoints aus, ohne die Reparatur der DNS abzuwarten.
Dieser Prozess, der als Adaptation bezeichnet wird, scheint für die einzelne Zelle zunächst vorteilhaft zu sein, da er letztlich ein weiteres Wachstum erlaubt. „Für den gesamten Organismus ist die Adaptation jedoch oft gefährlich, da die nicht reparierte DNS zu Krankheiten wie Krebs führen kann“, betont Dr. Luke.
Die Molekularbiologinnen Julia Klermund und Katharina Bender in der Forschungsgruppe von Brian Luke haben einen Weg gefunden, um zu verhindern, dass Zellen ihre Checkpoints abschalten. Damit haben diese mehr Zeit zur Reparatur, zugleich wird die Weitergabe von fehlerhafter DNS an Tochterzellen unterbunden. Die Forscherinnen konnten zeigen, dass die Nährstoffversorgung in der zellulären Umgebung ein wichtiger Faktor ist, der sich auf diesen Prozess auswirkt: Beschädigte Zellen, denen nur wenige Nährstoffe zur Verfügung stehen, adaptieren nicht, sondern stoppen ihr Wachstum mit einem dauerhaft aktiven Checkpoint. Derselbe Effekt war zu beobachten, wenn beschädigte DNS mit Rapamycin behandelt wurde.
Dabei handelt es sich um ein Medikament, das metabolische Signalwege hemmt und somit Nährstoffmangel imitiert. „Zellen im nährstoffarmen Zustand waren langfristig deutlich
lebensfähiger, wahrscheinlich weil sie vor der Zellteilung die Reparatur der Erbinformation abgewartet haben“, erklärt Julia Klermund. „Wir gehen davon aus, dass eine nährstoffreiche Umgebung Zellen veranlasst zu wachsen und sich zu teilen, selbst wenn sie dies nicht tun sollten, weil beispielsweise die DNS beschädigt ist. Dagegen stellt ein Nährstoffmangel offenbar sicher, dass Zellen eine Teilung erst dann ,riskieren‘, wenn alle Schäden behoben wurden“, ergänzt Dr. Luke.
Nach Angaben des Heidelberger Wissenschaftlers haben Forschungsergebnisse aus den USA vor kurzem gezeigt, dass Nährstoffmangel oder die Behandlung mit Rapamycin die Lebensdauer von Zellen verlängern und sogar die Wirksamkeit einiger Chemotherapien verbessern können. Die Arbeiten am ZMBH könnten nach den Worten von Brian Luke wichtige Details zur Klärung dieser Wirkmechanismen beitragen und zeigen Ansätze auf, wie sich weitere Verbesserungen erreichen lassen. Dr. Luke forscht im Rahmen der DKFZ-ZMBH-Allianz, der strategischen Zusammenarbeit des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) und des Zentrums für Molekulare Biologie der Universität Heidelberg. Seine Forschungsgruppe ist Mitglied des Netzwerks AlternsfoRschung (NAR). Die aktuellen Arbeiten wurden zunächst durch das FRONTIER-Programm der Ruperto Carola gefördert und anschließend im Rahmen des Sonderforschungsbereichs „Zelluläre Qualitätskontrolle und Schadensbegrenzung“ (SFB 1036) durchgeführt. Julia Klermund und Katharina Bender sind Doktorandinnen im Team von Brian Luke.
Originalpublikation
J. Klermund, K. Bender and B. Luke: High nutrient levels and TORC1 activity reduce cell viability following prolonged telomere dysfunction and cell cycle arrest. Cell Reports (published online 25 September 2014), doi: 10.1016/j.celrep.2014.08.053
Informationen im Internet:
Forschungsgruppe von Dr. Brian Luke – www.zmbh.uni-heidelberg.de/luke