Vor einem Jahr berichteten wir an dieser Stelle über die kirchenmusikalische Arbeit an den beiden evangelischen Kirchen in Jerusalem. Seit Februar 2013 betreut der in Speyer aufgewachsene Kirchenmusikdirektor Gunther Göttsche, bis zu seiner Pensionierung Leiter der Kirchenmusikalischen Fortbildungsstätte Schlüchtern, die Kirchenmusik an der Erlöser- bzw. Himmelfahrtskirche – im „Ruhestandsehrenamt“ mit Fünfjahresvertrag. Diesmal berichtet der Kantor über sein Wirken in den vergangenen zwölf Monaten und die weiteren Perspektiven.
Vor dem Hintergrund der aktuell dramatischen politischen Situation werde sich das Konzertprogramm im Herbst wohl etwas ausgedünnt präsentieren. Schon jetzt habe ein Chor sein Konzert im Oktober abgesagt. Auch die „Jerusalemer Orgelwoche“, die mit Studierenden aus Deutschland für September geplant sei, werde, wenn überhaupt, zu einer Zwei- oder Drei-Personenveranstaltung schrumpfen. Immens sei der wirtschaftliche Schaden, der die Einwohner Jerusalems treffe, soweit sie vom Tourismus leben. In der arabischen Altstadt beträfe das fast die gesamte Bevölkerung. Das zeitweilige Aussetzen der Flugverbindungen trage zur allgemeinen Verunsicherung bei.
Bevor die Gaza-Krise begonnen habe, so KMD Göttsche, habe er ein sehr ausgefülltes Frühjahr erlebt. Der Chor – zu Beginn seiner Amtszeit nicht mehr als eine Handvoll Sangeswillige – sei beträchtlich angewachsen. „Mit 25 Mitgliedern haben wir als Abschluss der Sommer-Saison eine wunderbare Serenade im Innenhof der Propstei veranstaltet.“
Nach der Sommerpause werde er wohl wieder von vorne beginnen, denn:
„Etwa die Hälfte der Chormitglieder hat dann das jeweilige Praktikum, Volontariat oder den Studienaufenthalt beendet und kehrt zurück nach Deutschland.“
Aber er sei zuversichtlich, dass wieder neue Gesichter auftauchen werden – die ersten Anfragen lägen schon vor. „Wenn der Krieg allerdings nicht aufhört, werden erheblich weniger Volontäre ins Land kommen – mancher überlegt es sich jetzt natürlich dreimal, ob er wirklich in dieser Zeit nach Israel einreisen möchte.“
Zur „Jerusalem Academy of Music and Dance“, so berichtet Göttsche weiter, habe er Kontakt, und man habe ihm bedeutet, dass einer Wiederbelebung der Orgel-Klasse nichts im Wege stehe; allerdings müsse er selbst für Studenten sorgen.
„Ein Punkt, an dem die Sache zurzeit festgefahren scheint, ist, dass die Orgel der Hochschule abgebaut ist und bei Gideon Shamir, dem einzigen Orgelbauer Israels, in der Werkstatt steht. Er hat zwar den Auftrag, sie wieder aufzubauen, aber es gibt keinen festen Zeitpunkt, zu dem sie fertig sein soll, und niemand weiß, ob der neue Konzertsaal, in dem sie stehen soll, überhaupt gebaut wird.“
Die feste Konzertreihe laufe gut, mit ein bis zwei Veranstaltungen pro Monat. Was nicht gelinge, sei, die palästinensische Bevölkerung für klassische Konzerte zu interessieren. „Unsere Zuhörer sind nach wie vor Israelis, Touristen, meist aus europäischen Ländern oder den USA sowie die Mitglieder der deutschen "Community".
Viel zu tun habe er als Hilfs-Orgelbauer, schildert Göttsche:
„Immer wieder werde ich, inzwischen auch von anderen Gemeinden, zum Stimmen oder zur Behebung kleinerer Störungen herangezogen.“
Wenn er nicht mehr weiter wisse, rufe er seinen Freund an, den pensionierten Orgelbauer Rainer Nass in Berlin, lasse sich eine Ferndiagnose geben und versuche dann, die Sache in Ordnung zu bringen.
„Jetzt hoffe ich mit all meinen Mitarbeitenden, dass das unermessliche Leiden der Menschen in Gaza bald ein Ende hat.“
Mehr zum Thema: www.redeemermusic.com