Am 15. August fiel in Brasilien der Startschuss für den Bau des Klimamessturms ATTO.
Vertreter des Max-Planck-Gesellschaft, des Instituto Nacional de Pesquisas da Amazônia (INPA), der Universidade de Estado Amazonas (UEA), und des Brasilianischen Forschungsministeriums gossen inmitten des Amazonas-Regenwalds das Fundament für einen 325 Meter hohen Messturm. Das Amazonian Tall Tower Observatory, kurz ATTO, soll wegweisende Erkenntnisse und Grundlagen für verbesserte Klimamodelle liefern und wird mit Messgeräten ausgestattet, die Treibhausgase und Aerosolpartikel messen und Wetterdaten sammeln. Der Turm wird im größten zusammenhängenden Regenwald der Erde stehen und ist daher für Klimaforscher von großer Bedeutung.
„Die Messstelle ist weitgehend ohne direkten menschlichen Einfluss und daher ideal, um die Bedeutung des Waldgebietes auf die Chemie und Physik der Atmosphäre zu untersuchen“, sagte Jürgen Kesselmeier vom Max-Planck-Institut für Chemie aus Mainz während der Zeremonie, die aus Anlass des Baubeginns etwa 150 Kilometer nördlich von Manaus stattfand. Er sei stolz, nun den ersten Teil dieser einzigartigen Forschungsanlage anfassen zu können. Kesselmeier, der das Projekt von deutscher Seite aus koordiniert, bedankte sich bei allen Projektbeteiligten einschließlich der ehemaligen Staatssekretäre Frieder Meyer-Krahmer vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und Luiz Antonio Barreto de Castro vom Ministério da Ciência e Tecnologia (MCTI), die ATTO enthusiastisch unterstützt haben.
„With ATTO we can observe our planet even better“, sagte INPA-Direktor Luiz Renator de França. Der Messturm sei für die Klima- und Atmosphärenforschung von globaler Bedeutung. In Anspielung auf die diesjährige Fußball-Weltmeisterschaft fügte er scherzhaft hinzu, dass Brasilien und Deutschland bei diesem Projekt auf gleichem Niveau zusammen spielen.
Der brasilianische ATTO-Koordinator Antonio Ocimar Manzi betonte ebenfalls die hervorragende brasilianisch-deutsche Zusammenarbeit im Rahmen des Projektes, das bereits 2009 startete. Er rechne mit der Fertigstellung des Turms zum Ende des Jahres, so dass nach Installation der Messgeräte bereits 2015 Forschungsdaten gesammelt werden könnten. Konkret erhoffen sich die Forscher, die Quellen und Senken von Treibhausgasen wie Kohlendioxid, Methan und Distickstoffoxid verstehen. Außerdem wollen sie die Bildung von Aerosolpartikeln untersuchen, die für die Wolkenbildung wichtig ist.
Mit seiner Höhe von 325 Metern macht es der ATTO-Messturm möglich, den Transport von Luftmassen und deren Veränderung durch den Wald über eine Strecke von vielen hundert Kilometern zu untersuchen. Außerdem reichen seine Messinstrumente bis in stabile Luftschichten, in denen beispielsweise die Kohlendioxidkonzentration nicht dem Tag-Nacht-Wechsel durch Pflanzen ausgesetzt ist. ATTO wird zwei bereits existierende Türme deutlich überragen. An diesen je 80 Meter hohen Türmen werden bereits seit 2011 regelmäßige Daten zu Wetterbedingungen, Ozon,- CO2- flüchtige organische Verbindungen und stickstoffhaltige Spurengase sowie Aerosolen erhoben.
Alle Informationen werden in Modelle münden, um bessere Aussagen über die Atmosphäre und unser Klima zu treffen, besonders mit dem Blickpunkt „Globaler Klimawandel“. Gleichzeitig können die ATTO-Daten aber auch in umweltpolitische Regelungen für eine nachhaltige Entwicklung der Amazonas-Region einfließen. ATTO wird auf deutscher Seite vom Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz und auf brasilianischer Seite vom Institut für Amazonasforschung (INPA) geleitet. Es ist Teil eines gemeinsam mit Brasilien finanzierten Forschungsprojekts, das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung im Zeitraum von 2010 bis 2015 mit 4,5 Millionen Euro gefördert wird.
Der ATTO-Turm ist eine Stahlkonstruktion mit einer Grundfläche von drei mal drei Metern. Sie wird mit Drahtseilen, die von vier Ebenen des Turms abgehen werden, im Urwaldboden stabilisiert. Auf verschiedenen Höhen des Turms werden Plattformen für die wissenschaftlichen Messgeräte montiert. Nach oben werden die Forscher über einen mechanischen Aufzug oder eine umlaufende Treppe gelangen. Die Stahlkonstruktion des ATTO-Turms wurde in der südbrasilianischen Hafenstadt Curitiba gebaut und innerhalb von zwei Wochen mit sechs großen LKW auf einem Schubverband über den Rio Madeira, den Amazonas und den Rio Uatuma an den auf 131 Meter hochgelegenen Standort im Regenwald transportiert.