Schon als die Mannheimer Philharmoniker die Bühne betraten, kündigte sich ein besonderes Konzert an. Fröhlich lächelnde junge Leute setzen sich an ihre Plätze, mindestens so erwartungsfroh und gespannt, wie das Publikum. Statt der sonst so oft in Orchestern vorherrschenden grauen Haare und routinegeplagten Langeweile begegnete dem Zuschauer hier Offenheit und Vorfreude auf ein gemeinsames Erlebnis, denn die Mannheimer Philharmoniker bestehen durchweg aus jungen Musikern, die nach ihrem Studium erste Erfahrungen in einem Orchester sammeln. Sie verbinden jugendlichen Enthusiasmus und Begeisterung mit einer hervorragenden musikalischen Qualität. Dies übertrug sich sehr bald auch auf das Publikum.
Mit dem Cellokonzert Nr. 1 hat Joseph Haydn nach Meinung der Fachwelt 1762 die Wiener Klassik eingeläutet und damit auch die „klassische“ Symphonie, wie wir sie heute kennen, mitbegründet. Die ersten Töne des ersten Satzes, der mit Moderato überschrieben ist, wiegen den Zuhörer noch in der Sicherheit spätbarocker Ordnung. Doch wird diese Ordnung von Haydn durch die Einführung eines zweiten Themas bald aufgehoben. An diesem Abend wird sie noch ein zweites Mal dadurch durchbrochen, dass das Soloinstrument kein Cello, sondern ein Flügelhorn ist. Das Moment der Überraschung dauert nur wenige Augenblicke, denn das Flügelhorn schlägt den Zuhörer sofort in seinen Bann. Soloinstrument und Orchester harmonieren perfekt, scheinen sich gegenseitig zu beflügeln.
Im zweiten Satz, dem Adagio, spielt das Orchester in fliessenden Klangfarben, die Virtuosität des Soloinstrumentes mit seiner ruhigen Strahlkraft kann so voll zur Geltung kommen. Beim dritten Satz nimmt man diesem Orchester das Allegro molto tatsächlich ab. Auch an den schnellen und lauten Stellen werden die Töne präzise gespielt. So reissen Soloinstrument und Orchester das Publikum mit und geben ihre Begeisterung weiter. Sergei Nakariakow beherrscht sein Instrument, ist eins mit ihm. In den Pausen steht er verklärt da, umschliesst das Flügelhorn ganz sanft mit den Armen und lauscht der Musik. Sein Spiel ist nicht nur musikalisch perfekt, sondern auch voller Spannung und Leben.
Das Konzert für Klavier, Trompete und Streichorchester Nr. 1 von Dimitri Schostakowitsch stammt aus dem Jahr 1933. Die „klassischen“ vier Sätze sind überschrieben mit: Allegretto, Lento, Moderato und Allegro con brio. Damit endet aber auch alles Gewohnte, denn Schostakowitsch fordert mit diesem Werk seine Zuhörer. Keinen Augenblick kann man sich ausruhen, auf vertraute Strukturen oder Hörerfahrungen zurückgreifen, gerade wenn man denkt, man habe sich mit der Musik vertraut gemacht, kommt eine unerwartete Wendung. Mal peitschen sich Orchester und Klavier gegenseitig hoch, treiben sich an, dann kommen jazzhafte, überspitzte Passagen. Zwischendurch blitzen schalkhafte, lichte Passagen auf. Aber der Subtext des Werkes hat fast immer einen bedrohlichen Unterton, eine unheilvolle Erwartung breitet sich aus. Manchmal ganz offen, wenn Geigen und Celli gezupft werden, während das Klavier versucht, eine fröhliche Melodie zu spielen, manchmal auch nur durchschimmernd, mehr eine Ahnung. Die Pianistin Maria Meerovich überzeugt am Klavier. Bei ihr sieht es ganz selbstverständlich aus, schwierigste Passagen, die sie voller Konzentration spielt, dann leichte spielerische Elemente, alles ist genau an seinem Platz. Auch das Zusammenspiel zwischen Klavier, Trompete und Orchester ist absolut professionell, hier haben Menschen im besten Sinne des Wortes miteinander musiziert. Wie zuvor am Flügelhorn, überzeugt Sergei Nakariakow auch an der Trompete.
Ludwig van Beethovens Symphonie Nr. 8 bildete den krönenden Abschluss des Konzertes. Im ersten Satz, Allegro vivace e con brio, schien das Orchester zunächst nicht ganz ins Spiel zu finden, es herrschte zunächst ein Gefühl des Durcheinanders. Über weite Strecken des Satzes wurde Spannung aufgebaut, die etwas verpuffte, erst am Ende des Satzes gelang die harmonische Auflösung. Der zweite und der dritte Satz überzeugten durch heitere und spielerische Elemente, sowie durch ein perfekt ausgeführtes Menuett. Das Finale in Allegro vivace präsentierten die Mannheimer Philharmoniker dann wieder voller Leben und Leidenschaft. Jeder Ton wurde präzise gespielt. Auch die lauten und schnellen Passagen überzeugten durch saubere Interpretation. Es wurde eine wunderbare Spannung aufgebaut und das Publikum verzaubert. Das Orchester bewies nicht nur Können und musikalische Bildung, sondern auch die Begeisterungsfähigkeit und die Freude an der Musik, die sich auf die Zuhörer übertrug.
Der Dirigent Boian Videnoff hatte großen Anteil am Erfolg des Abends. Er forderte sein Orchester, achtete auf jeden Einzelnen und auf alle zusammen. Er war im besten Sinne Partner der Musiker. Die Mannheimer Philharmoniker überzeugten an diesem Abend musikalisch mehr als viele „eingespielte“ bzw. „ältere“ Orchester. Diesem Orchester hätte man an diesem Abend nur etwas mehr Zuschauer gewünscht.