Eltern können immer wieder in Situationen kommen, in denen sie ihre Kinder nicht selbst versorgen können: Krankheit oder Tod, Suchtprobleme, psychische Erkrankungen und mehr. Im Neckar-Odenwald-Kreis leben derzeit 106 Kinder vom Säuglings- bis zum Teenageralter nicht bei ihren Eltern, sondern in Pflegefamilien. Dort sollen bessere Bedingungen als in den jeweiligen Elternhäusern dafür sorgen, dass den Kindern die Chance auf eine kindgerechte Entwicklung geboten wird.
Doch die Unterbringung von Kindern, die – fast immer nach zahlreichen, letztlich erfolglosen Hilfsangeboten – vom Jugendamt aus den Herkunftsfamilien genommen werden müssen, wird landauf, landab und auch im Neckar-Odenwald-Kreis immer schwieriger.
„Uns fehlt es zunehmend an geeigneten Pflegefamilien“, erklärt Elisabeth Gerhauser, gelernte Sozialarbeiterin. Sie ist im Landratsamt mit zwei Kollegen zuständig für die Vermittlung und die Betreuung der Kinder und Pflegefamilien.
Natürlich weiß auch die Fachfrau, dass in das „Idealmodell“ einer modernen Familie mit einem, höchstens zwei eigenen Kindern und berufstätigen Eltern Pflegekinder kaum passen. Zeit, Muße und Bereitschaft, sich zusätzlich um ein fremdes Kind zu kümmern, können nicht aufgebracht werden. Bis das Kind in die Familie integriert ist, sollte zudem ein Elternteil nicht berufstätig sein. Der „Pool“ von aufnahmewilligen Familien wird also immer kleiner. Parallel zu dieser Entwicklung steigt die Zahl der Kinder, die manchmal über Nacht untergebracht werden müssen, aufgrund gesellschaftlicher Entwicklungen aber auch wegen der gestiegenen Sensibilität des Umfeldes an.
Für akute Notfälle gibt es die „Bereitschaftspflege“: Das sind Familien, die sofort ein Kind aufnehmen können und es bis zu drei Monate betreuen, bis eine Pflegefamilie gefunden wurde, in der das Kind unbefristet leben kann. „Bei kleineren Kindern versuchen wir einen Wechsel aber zu vermeiden und suchen deshalb Familien, die sich außer einer kurzzeitigen auch eine langfristige Betreuung eines Kindes vorstellen können. Wir legen viel Wert darauf, für jedes Kind, abhängig vom Alter, der Vorgeschichte und dessen Prägung, individuell eine „passende“ Pflegefamilie zu finden“, betont Elisabeth Gerhauser. Denn dass das Kind in eine Familie passt, ist eine Grundvoraussetzung für ein gelingendes Pflegeverhältnis. Aber genau diese Individualität zu wahren wird zunehmend schwieriger – mangels geeigneter Pflegefamilien.
Meldet sich eine interessierte Familie, werden im Vorfeld sowohl der private als auch der wirtschaftliche Hintergrund geprüft. „Da verlangen wir nichts Unmögliches, künftige Pflegeeltern müssen weder reich sein noch in einer Idylle leben. Trotzdem soll in jeder Hinsicht Platz für ein Kind vorhanden sein. Auch die Gründe für die Aufnahme eines Kindes müssen genauer betrachtet werden. Soll damit in erster Linie Geld verdient oder ein Spielkamerad für das eigene Kind gefunden werden, ist die Enttäuschung auf beiden Seiten meist vorprogrammiert. Auch Bereitschaft und Wille, den oft nicht leichten Kontakt zu der Herkunftsfamilie zu pflegen, müssen erkennbar sein“, erklärt die Sozialarbeiterin. Und weiter: „Grundsätzlich ist die richtige Mischung zwischen „Herz und Hirn“ gefragt. Bei allem erforderlichen Engagement und aller Herzlichkeit sind eine gewisse Distanz und die Erinnerung, dass das Kind noch leibliche Eltern hat, immer hilfreich“, rät Elisabeth Gerhauser. Denn auch bei langfristig angelegten Pflegeverhältnissen kann es dazu kommen, dass das Kind zu seinen Eltern zurückkehrt – wenn es ihnen gelungen ist, ihre Verhältnisse entsprechend zu verändern.
Trotz aller Herausforderungen auf beiden Seiten ist Elisabeth Gerhauser überzeugt davon, dass Pflegefamilien für viele Kinder ein Segen sein können – und ganz ausdrücklich auch umgekehrt: „Das kann für eine Familie eine unglaubliche Bereicherung sein.“ Deshalb wirbt sie mit ihren Kollegen auch unermüdlich um „neue“ Pflegefamilien: „Wir suchen ganz „normale“ Familien, bei denen die Eltern, das Alter betreffend, auch die leiblichen Eltern sein könnten. Nicht zwingend mit einer pädagogischen Ausbildung, aber mit viel Einfühlungsvermögen und der Bereitschaft, sich auf ein neues Familienmitglied und alles, was es mitbringt, ohne Vorbehalte einzulassen.“ Dann, so die Sozialarbeiterin, bekämen die Kinder die Chance, psychisch und physisch gesund aufzuwachsen und sich zu vollwertigen Mitgliedern der Gesellschaft zu entwickeln.
Hintergrund
Die Zahlen der in Pflegefamilien lebenden Kinder steigen auch im Neckar-Odenwald-Kreis tendenziell. Momentan leben 106 Kinder bei Familien, die nicht ihre Herkunftsfamilien sind. Die Kinder sind zum Zeitpunkt der Vermittlung maximal zwölf Jahre alt; tendenziell werden aber immer mehr kleine Kinder vermittelt, auch schon im Säuglingsalter.
Das Jugendamt zahlt den Pflegefamilien bestimmte Sätze, die den kompletten Lebensunterhalt des Kindes decken. Nach einer Überprüfung des privaten und wirtschaftlichen Hintergrundes wartet ein Vorbereitungsseminar auf die künftigen Pflegeeltern, in dem sie mit ihren Aufgaben vertraut gemacht werden. Zusätzlich werden sie ständig betreut und haben ihre festen Ansprechpartner im Jugendamt. In aller Regel handelt es sich um Langzeitpflegen; grundsätzlich muss eine Rückführung in die Herkunftsfamilie aber jederzeit möglich sein. Der Kontakt zu den leiblichen Eltern und dem Vormund des Kindes ist zu halten.
Wer Interesse daran hat, sich völlig unverbindlich über diese Thematik zu informieren, kann Kontakt aufnehmen zu Elisabeth Gerhauser, Telefon 06261/842101, E-Mail elisabeth.gerhauser@neckar-odenwald-kreis.de