Während der heute zu Ende gehenden CeBIT, der weltweit größten Messe für Informationstechnik, erläuterte Professorin Katharina Zweig vom Fachbereich Informatik der TU Kaiserslautern die wachsende Bedeutung der Informatik nicht nur für technologische, sondern auch für gesellschaftliche Entwicklungen.
So können zum Beispiel durch immer umfassendere Simulationen von globalen Prozessen die Auswirkungen von wirtschaftlichen oder politischen Entscheidungen besser vorhergesagt werden.
In den letzten Jahren hat sich immer mehr gezeigt, dass Softwaresysteme das Potenzial für tiefgreifende gesellschaftliche Veränderungen haben. Beispiele dafür sind die neuen Kommunikationsmöglichkeiten auf sozialen Netzwerkplattformen wie Facebook, die Software liquidFeedback, die von der Piratenpartei für ihre demokratische Entscheidungsfindung genutzt wird, aber auch Software, die mehr im Verborgenen arbeitet, wie die smarten An- und Verkaufsprogramme, die mit Hochgeschwindigkeit Aktien an den Börsen handeln, und dabei in Minutenschnelle Aktienwerte vernichten können.
An diesen Beispielen wird schon deutlich, dass nicht jede computergestützte Informationsverarbeitung auch jedem Bürger und jeder Bürgerin gleich gut gefällt. Manche Softwareprojekte sind von vornherein zum Scheitern verurteilt, wie zum Beispiel die Idee, die Kreditwürdigkeit einer Person unter anderem danach zu bewerten, mit wem sie auf einer sozialen Netzwerkplattform Kontakt pflegt. Nach publik werden dieser Forschungsidee im Jahr 2012 regte sich so viel Widerstand, dass die beteiligten Personen und Institutionen das Projekt schnell fallen ließen.
Es wird deutlich, dass Software heutzutage nicht mehr ein einfaches Produkt ist, sondern in einem sehr spezifischen, sozialen Kontext eingebettet ist. Mensch – Organisation – Gesellschaft und Software bilden hierdurch ein komplexes soziotechnisches System, das neue Forschungsfragen und Anwendungsfelder mit sich bringt. Da Informatiksysteme heute fast alle gesellschaftlichen Bereiche durchdringen, spielen auch soziale Aspekte eine immer größere Rolle. Als führender Informatikstandort sieht die TU Kaiserslautern daher ihre Verantwortung auch darin, dieses Spannungsfeld zwischen Gesellschaft und Informatik interdisziplinär zu erforschen und zu lehren.
Ein Beispiel ist hier der seit dem Wintersemester 2013/14 am Fachbereich Informatik und in Zusammenarbeit mit den Fachbereichen Wirtschaftswissenschaften und Sozialwissenschaften deutschlandweit einzigartige Bachelor- und Masterstudiengang Sozioinformatik. Der Studiengang beschäftigt sich mit der Modellierung der Schnittstelle zwischen Gesellschaft und einer immer mehr von Informationssystemen durchdrungenen Umwelt. Themen des Studiengangs sind zum Beispiel Privatheit und Datenschutz, Unterstützung von Gesellschaftsorganisation in Sachen Gesundheit, Soziales, Umwelt- und Tierschutz durch große Softwaresysteme, und e-Government, das heißt, Fragen danach, wie Wahlen und andere Staatsangelegenheiten mit Hilfe von Computern durchgeführt werden können. Firmen und Organisationen stellen immer häufiger fest, dass es bei der Einführung größerer Softwaresysteme nicht genügt, nur die technischen Aspekte zu betrachten.
Damit sich ein neues Softwaresystem mit gesellschaftlicher Relevanz erfolgreich in einer Organisation durchsetzt oder von der Bevölkerung ohne Vorbehalte angenommen wird, sind Spezialisten nötig, die die zugrunde liegende Technik verstehen, deren gesellschaftliche Konsequenzen einschätzen können und von Anfang an in die Planung der Software mit einbezogen werden.