In keinem Museum, in keiner Galerie kommen so viele Menschen mit Kunst in Kontakt wie im Krankenhaus – ob als Patienten, Besucher oder Mitarbeiter. Diese ganz besondere „Galerie“ hat rund um die Uhr an 365 Tagen im Jahr geöffnet. Ob im flüchtigen Vorbeigehen, beim Warten auf eine Behandlung oder beim gezielten Betrachten: Kunst wird auch von Leuten, die nie in eine Galerie gehen würden, wahrgenommen, sie schafft Auseinandersetzung und weckt im besten Fall Interesse. Ein Grund für Dr. Klaus Hahnfeldt, Chefarzt für Gynäkologie und Kunst – so sein humorvoll erweiterter Titel – an den seit 1992 regelmäßig stattfindenden Kunstausstellungen in den Neckar-Odenwald-Kliniken in Buchen festzuhalten. Aber bei weitem nicht der einzige.
„Kunst hilft heilen“, glaubt auch Dr. Hahnfeldt in Bezug auf anerkannte medizinische Therapieformen, die insbesondere in der psychosomatischen Medizin, der Psychiatrie und der Rehabilitation unterstützend eingesetzt werden, um seelische Traumata zu heilen. „Dabei muss die gezeigte Kunst nicht immer „schön“ sein, verbindlich und langweilig“, erklärt der Chefarzt, der die Ausstellungen seit 2006 als verantwortlicher Kurator organisiert: „Wir haben durch unsere Ausstellungen gelernt, dass auch dunkle und wenig „dekorative“, sogar provozierende Kunst angenommen wird, weil auch diese Werke in der Seele des Betrachters Resonanzen erzeugen, die etwas Positives in Gang setzen können.“
Darüber hinaus bieten die mindestens vier großen Ausstellungen, die in den Neckar-Odenwald-Kliniken am Standort Buchen jährlich gezeigt werden, eine Plattform für regional und überregional bekannte Künstler. Interessant waren auch die bisher zwei Bildhauersymposien auf dem Krankenhausgelände, bei denen nicht nur die fertigen Arbeiten, sondern auch deren Entstehen beobachtet werden konnte. Renommierte nationale und internationale Künstler arbeiteten und lebten in dieser Zeit am und im Krankenhaus. Die Werke blieben ein ganzes Jahr ausgestellt.
„Ein besonderes Augenmerk legen wir aber auch auf die Förderung junger und jüngster Künstler, angefangen beim Grundschüler“, erklärt Dr. Hahnfeldt. Das beginnt bei Schulkunst-Ausstellungen von Grund- und Hauptschulen, wird fortgesetzt mit den Leistungskursen Kunst in den Gymnasien bis hin zu „spätberufenen“ Künstlern. „Die Präsentation seiner Werke im Krankenhaus ist für manch einen der erste „Meilenstein“ im künstlerischen Lebenslauf“, betont der Kurator, der aber auch zugibt, dass die Auswahl in qualitativer Hinsicht nicht immer ganz einfach ist: „Leider produziert nicht jeder, der Kunst als Hobby betreibt, auch Arbeiten, die sich tatsächlich für die breite Öffentlichkeit und damit für eine Ausstellung eignen.“
Wirtschaftliche Erfolge im eigentlichen Sinn – also Ankäufe – sind leider selten, wie Dr. Hahnfeldt bedauert. Obwohl die Preise grundsätzlich eher niedrig gehalten werden und keine Provision verlangt wird: „Ich würde mir wünschen, dass das Angebot, hochwertige Kunst zu zivilen Preisen erwerben zu können, im Interesse der Künstlerinnen und Künstler besser angenommen wird.“
Zu guter Letzt verschönert die Kunst das Krankenhaus. Auch wenn die meisten Künstler den dekorativen Effekt von Kunst gerne ganz weit hinten an stellen, um sich so vom Dekorateur oder Kunsthandwerker abzugrenzen. „Trotzdem spielt der ästhetische Effekt der Kunst natürlich auch hier eine wichtige Rolle“, erklärt Dr. Hahnfeldt: „Räume mit Kunst an den Wänden sind schlicht interessanter und schöner als nackte weiße Wände.“ Die nächste Ausstellung steht im Übrigen schon an: Am Sonntag, 2. Februar wird um 11 Uhr die Vernissage von Michael Kowariks Luftbildschrägaufnahmen von Städten, Landschaften und Bauwerken stattfinden. „Aus der Luft“ läuft bis Mai 2014.