Ein neuer Computertomograph (CT) von Siemens Healthcare, Somatom Force, wird seit wenigen Wochen an der Medizinischen Fakultät Mannheim als weltweit erstem Standort im Patientenbetrieb klinisch-wissenschaftlich evaluiert. Wissenschaftler der Entwicklungsabteilung von Siemens und Mediziner des Instituts für Klinische Radiologie und Nuklearmedizin der Universitätsmedizin Mannheim (UMM) sowie Physiker des Instituts für Computerunterstützte Klinische Medizin feilen gemeinsam daran, das enorme Potenzial des Somatom Force in der Anwendung am Patienten voll auszuschöpfen.
Heute wurde das High-End-Gerät erstmals öffentlich im Rahmen eines Festaktes an der Medizinischen Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg vorgestellt. Eines wurde dabei deutlich: Dieser Computertomograph hat die Erwartungen der Wissenschaftler bei weitem übertroffen.
Somatom Force ist ein Dual-Source-Computertomograph, der also mit je zwei Strahlungsröhren und Detektor-Systemen ausgestattet ist und auf diese Weise mit besonders hoher Geschwindigkeit Aufnahmen erzeugen kann. Im klinischen Einsatz hat sich gezeigt, dass der neue CT-Scanner deutlich schneller und gleichzeitig präziser in der Diagnostik ist als bisherige High-End-Systeme. Ein extrem schneller Scanmodus erlaubt es, in etwa einer Sekunde den gesamten Oberkörper eines Patienten zu erfassen und tausende von Schnittbildern für die Diagnose zu liefern. Auf die sonst übliche Anweisung des Radiologie-Assistenten – „Jetzt bitte Atem anhalten“ – um Bewegungsartefakte bei der Thoraxdiagnostik zu vermeiden, kann damit bei vielen Patienten verzichtet werden. Und auch ein schneller Herzschlag bei kardiologischen Aufnahmen zur Darstellung kleinster Herzkranzgefäße macht keine Probleme.
Das Besondere an dem neuen CT ist aber nicht nur dessen Schnelligkeit. Viel wichtiger sind für viele Patienten die erstaunlich niedrigen Dosiswerte beim Einsatz des Gerätes – in Bezug auf die Röntgenstrahlung und den Einsatz von Kontrastmittel. Möglich machen dies völlig neu entwickelte (Vectron-) Röntgenröhren, die Untersuchungen bei besonders niedrigen Röhrenspannungen erlauben. Die Gesundheitsbelastung bei der CT-Untersuchung sinkt damit auf ein Minimum: Im Schnitt benötigt Somatom Force bis zur Hälfte weniger Strahlendosis und Kontrastmittel als bisherige High-End-Systeme.
Im Einzelfall konnten die Dosiswerte in der Anwendung am Patienten sogar noch deutlich weiter gesenkt werden. Den Mannheimer Radiologen gelang es, mit Somatom Force Herz-CT-Untersuchungen durchzuführen, die die Strahlenbelastung für Patienten auf knapp ein Zehntel der Dosis bisheriger Spitzengeräte senken. „Die Dosisreduktion ist schlicht atemberaubend“, so PD Dr. Thomas Henzler, der am Institut für Klinische Radiologie und Nuklearmedizin den Funktionsbereich Kardiothorakale Bildgebung, Computertomographie leitet.
Profitieren können von der deutlich weniger belastenden Diagnostik alle Patienten, insbesondere aber Patienten mit einer Funktionsstörung der Nieren, denen bislang eine Kontrastmittelgabe nicht zuzumuten war. Für diese Patienten konnte häufig keine ausreichende Bildqualität erzielt werden, um sie sicher diagnostizieren zu können. Besonders wichtig ist die schonende Diagnostik außerdem für Patienten, deren Krankheitsverlauf etwa im Rahmen der Krebsnachsorge beobachtet werden muss und die daher häufiger untersucht werden müssen.
Der neue CT von Siemens ist ein zentrales Kernstück des Forschungscampus M2OLIE („Mannheim Molecular Intervention Environment“), ein auf 15 Jahre angelegtes Projekt, das die Medizinische Fakultät Mannheim im September 2012 im Rahmen der Förderinitiative „Forschungscampus – öffentlich-private Partnerschaft für Innovationen“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung eingeworben hat. Die Förderinitiative fordert eine strategische Kooperation zwischen Forschung und Wirtschaft und unterstützt damit den Aufbau von mittel- bis langfristigen Public Private Partnerships. Siemens Healthcare ist im Mannheimer Forschungscampus der wichtigste Partner aus der Industrie.
Ziel von M2OLIE ist die maßgeschneiderte Behandlung für Patienten mit Tumorerkrankungen. Konkret geht es darum, in einem geschlossenen Interventionszyklus einzelne Metastasen ausfindig zu machen, diese zu charakterisieren und gezielt minimal-invasiv unschädlich zu machen. Für jeden dieser Schritte wird der neue CT die diagnostischen Daten liefern, welche nach dem Transfer auf ein Roboter gestütztes System zur minimal-invasiven Tumorbehandlung (Artis zeego von Siemens) präzise genutzt werden können.
Mit Somatom Force ist eine personalisierte Computertomographie möglich, die der speziellen Situation des einzelnen Patienten angepasst werden kann: Etwa eine ganz besonders geringe Kontrastmittelgabe bei einem älteren Patienten mit vorgeschädigten Nieren oder die niedrigst mögliche Strahlendosis speziell bei sehr jungen Patienten.
Auch bei der funktionalen CT-Bildgebung konnte die Dosis im Vergleich zu bisherigen Spitzen-Computertomographen halbiert werden. Diese Art der CT-Aufnahmen in der vierten – zeitlichen – Dimension erfassen neben der Morphologie auch die Funktion von Organen und Gefäßen und liefern damit zusätzliche Informationen, etwa über die Durchblutung und damit Vitalität von Primärtumoren und Metastasen.
Die Mannheimer Wissenschaftler konnten nämlich zeigen, dass die Durchblutung eines Tumors frühzeitig einen Hinweis darauf gibt, ob dieser auf die Behandlung mit neuartigen zielgerichteten Therapeutika anspricht. Die entsprechenden „Perfusionsparameter“ lassen sich mittels CT ermitteln. Sie liefern funktionelle Informationen, die für eine Therapieüberwachung verwendet werden können. Auf diese Weise lässt sich frühzeitig und präzise ausmachen, ob die Therapie beim Patienten wirkt oder nicht. So verliert der Patient nicht kostbare Zeit durch eine wirkungslose Behandlung und die häufig sehr teuren medikamentösen Therapien werden nur dann weiterverfolgt, wenn Sie dem Patienten tatsächlich nutzen.
Die CT-gestützte 4D-Bildgebung unterstützt außerdem die minimal-invasive Intervention im Körperinnern, die mittels Echtzeit-Bildgebung exakt positioniert werden kann. Zusätzlich kann das System auch für eine noch genauere OP-Planung eingesetzt werden.
„Dieser Computertomograph ändert wirklich unsere gesamte diagnostische CT-Welt durch mehr Sicherheit mit Reduktion der Kontrastmittelgabe und Strahlendosis sowie neuartige funktionelle Untersuchungstechniken“, so Professor Dr. Stefan Schönberg, Direktor des Instituts für Klinische Radiologie und Nuklearmedizin und Mitglied des Lenkungsausschusses von M2OLIE, begeistert.
Die Medizintechnologie ist seit rund 10 Jahren einer der Forschungsschwerpunkte der Medizinischen Fakultät Mannheim, unterstützt durch eine konsequente Berufungspolitik. Die Zusammenarbeit zwischen den an diesem Schwerpunkt beteiligten Wissenschaftlern der Universitätsmedizin Mannheim und Siemens ist eine starke, über Jahre gewachsene Partnerschaft. Sowohl im Bereich der Computertomographie (CT) als auch der Magnetresonanztomographie (MRT) ist die Mannheimer Uniklinik Referenzklinik für Siemens.
Bereits früher hat diese Kooperation dazu geführt, dass eine Neuentwicklung von Siemens, der MRT Magnetom Skyra, zuerst an der Universitätsmedizin Mannheim installiert wurde, um hier Hand in Hand mit den Wissenschaftlern vor Ort weiterentwickelt und optimiert zu werden. Dieses Konzept wird beim Somatom Force nun fortgesetzt.
Wichtige Informationen kompakt
- Weltpremiere für High-End-CT an der Medizinischen Fakultät Mannheim
- Patienten mit Niereninsuffizienz profitieren von deutlich reduzierter Kontrastmittelgabe
- Früherkennungsuntersuchungen und funktionale Diagnostik mit bis um die Hälfte geringerer Röntgendosis können Therapieentscheidungen erleichtern
- Minimierte Bewegungsartefakte bei Herz- und Thoraxuntersuchungen
Computertomographie kurzgefasst
Die Computertomographie (CT) basiert auf der Röntgentechnik. Ein Computertomograph besteht aus einer oder zwei Röntgenröhren und multiplen Detektoren, welche um den Patienten rotieren, während dieser durch die Systemöffnung geschoben wird. Auf diese Weise werden schichtweise Querschnittaufnahmen aus dem Innern des Körpers erstellt, indem die der Röntgenquelle gegen-überliegenden Detektoren messen, wie sehr die Strahlung durch das Gewebe im Körper abgeschwächt wird. Die Detektoren senden die empfangenen Signale an eine Computereinheit, die aus ihnen viele Schnittbilder berechnet.
In der Krebsmedizin wird die Computertomographie eingesetzt, um Tumoren oder Metastasen aufzufinden und deren Entwicklung während einer Behandlung zu verfolgen, um damit das Ansprechen auf die Therapie zu überprüfen, sowie zur Kontrolle im Rahmen der Nachsorge. Kontrastmittel werden bei den meisten CT-Untersuchungen gegeben, um den Kontrast zwischen benachbarten Strukturen, Organen und Geweben zu erhöhen.