Die Funktion bestimmter Proteine im Prozess der Genregulation, der sogenannten Argonautenproteine (Ago), haben Biowissenschaftler der Universität Heidelberg untersucht. Sie sind der Frage nachgegangen, warum nur das humane Ago2, nicht aber das eng verwandte Ago3 beim Menschen in der Lage ist, Gene zielgerichtet und direkt abzuschalten.
Mit Hilfe einer neuen Untersuchungsmethode ist es den Forschern um Dr. Dirk Grimm gelungen, erstmals zwei „Motive“ dieses Proteins zu identifizieren, deren korrekte Kombination mit einem bereits bekannten Proteinbereich die Fähigkeit von Ago2 zur Gen-Stilllegung ermöglicht. Von den Forschungsergebnissen erhoffen sich die Wissenschaftler neue Möglichkeiten in der biologischen und medizinischen Grundlagenforschung zum künstlich erzeugten Abschalten von Genen.
Mit ihrer speziellen Untersuchungsmethode, die die Bezeichnung „gerichtete Protein-Evolution“ trägt, konnten die Heidelberger Wissenschaftler eine große Bibliothek von „Mischwesen“ aus humanem Ago2 und seinem nahen Verwandten Ago3 generieren. Aus diesen Chimären wurden einzelne Proteine mit einem charakteristischen Erscheinungsbild – dem Phänotyp – von Ago2 isoliert. Eine vergleichende bioinformatische Analyse der Kandidaten mit dem stärksten Ago2-Phänotyp erbrachte ein „überraschendes Ergebnis“, wie Dr. Grimm betont. Die Forscher, die dem Exzellenzcluster „CellNetworks“ der Universität Heidelberg angehören, fanden wiederkehrend eine Anreicherung von zwei kurzen Motiven in einem speziellen Bereich des Argonautenproteins, dem N-Terminus am Ende des Proteins.
„Dieses Resultat war unerwartet, weil nach gängiger Lehrmeinung ein ganz anderer, bereits bekannter Proteinbereich mit der Bezeichnung PIWI-Domäne allein für die genregulierenden Eigenschaften von Ago2 verantwortlich ist“, sagt Dr. Grimm. „Wir konnten jedoch zeigen, dass erst die korrekte Kombination dieser drei Proteinbestandteile Ago2 die Fähigkeit verleiht, auf spezielle Weise das Abschalten von Genen auszulösen.“ Die Gen-Stillegung beruht dabei auf der sogenannten RNA-Interferenz: Das auch als „slicer“ bezeichnete Ago2 schneidet die Boten-RNA, die die in der DNA gespeicherte Information transportiert und in Proteine übersetzt.
Nach den Worten von Erstautorin Nina Schürmann ermöglichen die Ergebnisse dieser Forschungsarbeiten ein neues Verständnis der Argonautenproteine. Sie zeigen, dass spezielle Ago-Funktionen nicht von isolierten Proteindomänen, sondern durch ein komplexes Wechselspiel mehrerer aktivierender oder hemmender Bereiche bestimmt werden. Für die Forscher ergibt sich daraus die Hoffnung, in Zukunft komplett neue Proteineigenschaften erzeugen und damit möglicherweise auch die RNA-Interferenzprozesse weiter verbessern zu können, wie Dr. Grimm betont. Um die Forschung weiter voranzutreiben, haben die Heidelberger Wissenschaftler eine Bibliothek von Chimären der insgesamt vier humanen Argonautenproteine generiert und zudem eine Analysesoftware entwickelt, die auch von anderen Anwendern eingesetzt werden kann. In Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Robert Russell und Dr. Leonardo Trabuco, die ebenfalls am Exzellenzcluster „CellNetworks“ forschen, konnte erstmals auch eine Struktur des humanen Ago3 modelliert werden.
Dirk Grimm leitet am Exzellenzcluster „CellNetworks“ die Nachwuchsgruppe „Virus-Host Interactions“, die im BioQuant-Zentrum der Universität Heidelberg angesiedelt ist. Die Gruppe gehört am Universitätsklinikum Heidelberg dem Department für Infektiologie unter der Leitung von Prof. Dr. Hans-Georg Kräusslich an und wird durch die Chica und Heinz Schaller Stiftung (CHS) unterstützt. Die Forschungsergebnisse wurden in der Fachzeitschrift „Nature Structural & Molecular Biology“ veröffentlicht.